Kapitel 31

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Nova

„Mein Arsch, er tut so weh", beklagte ich und streckte meinen Rücken durch, als ich von meinem Motorrad kletterte. „Supersportler eben", lächelte Dano und kam auf mich zu. Er sah zu heiß aus in seiner Lederkombi. „Du siehst so gut aus", sagte ich. „Und du erst." Über unser Sena konnten wir uns auch entspannt mit Helm unterhalten, ohne uns anbrüllen zu müssen.
Wir hatten einen kleinen Stop an einem See gemacht. Schließlich war ich noch zu unerfahren, um direkt eine Stunde auf einer Sportler zu fahren, ohne, dass mich die Rückenschmerzen vom Bock fegten.
Zusammen setzten wir uns auf eine Bank. Der Wind zerzauste meine sowieso schon strubbeligen Haare. Dano strich über meinen Kopf und drückte ihn auf seine harte Schulter. „Es ist unglaublich schön, dass wir jetzt zusammen fahren können", lächelte er. Als Antwort legte ich lediglich meine Hand auf sein Bein. Unsere Maschinen sahen in der Sonne absolut bombastisch aus. „Kannst du denn heute überhaupt noch eine Runde fahren?", fragte er amüsiert, als er mein müdes Gesicht sah.
„Wenn ich was gegessen und mich auf der Faszienrolle ausgerollt habe, dann ja."
„Soll ich uns was kochen?"
„Solange du nicht wieder die Küche abfackelst."
„Das war ein mal."

Als wir beide aufgegessen und uns sogar noch einen Nachtisch gegönnt hatten, musste ich kurz an meinen Laptop, da ich noch ein paar Überweisungen zu tätigen hatte. Als ich auf mein Sparkonto sah, wurde ich stutzig. Mein Motorrad hat um die zwölftausend Euro gekostet. Es wurden aber nur achttausend vom Konto abgebucht. Misstrauisch beäugte ich den Bildschirm. War das ein Fehler, oder...
Dieser Vollidiot.
Ich atmete tief durch und erledigte meine Aufgaben, bevor ich ihn mir vorknöpfen würde. Innerlich brodelnd stand ich schließlich auf und marschierte zur Garage. Dano war gerade dabei sich anzuziehen. „Na, fertig?"
Ich antwortete nicht, sondern schenkte ihm nur einen wütenden Blick.
„Nova", sagte er beschwichtigend. Dano wusste, was er falsch gemacht hatte. „Ich will's nicht hören", unterbrach ich ihn. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mir kein Geld geben sollst?"
Er schloss kurz seine Augen. „Sorry."
„Sorry? Dano, du setzt dich andauernd über mich hinweg und ignorierst meine Bitten!"
„Ach, Herr Gott. Ich will dir nur etwas Gutes tun." Er zog sich weiter an. Ich tat es ihm gleich.
„Du würdest mir etwas Gutes tun, wenn du dich endlich mal daran hältst, mir nicht immer alles kaufen zu wollen."
Ich fummelte meine Haare aus meiner Lederjacke, nachdem ich sie mir übergeworfen hatte. „Warum beschwerst du dich überhaupt? Anstatt mir zu danken, pöbelst du mich an."
„Weil ich dich nicht um das Geld gebeten habe!"
„Aber ich will dir nur was zurückgeben!"
„Hör auf damit!", schrie ich ihn an. Es ging mir gehörig auf den Sack, dass er sich nicht an Absprachen hielt. Es war toll von ihm, dass er so fürsorglich war, aber ich war nicht sein Sugarbabe. Ich verdiente mein eigenes Geld.
„Dano", versuchte ich es ruhiger „ich verdiene mein eigenes Geld, ich spare mein eigenes Geld auch an. Und ich möchte nicht, dass du immer alles für mich bezahlst. Und besonders nicht solche horrenden Summen. Dano, viertausend Euro? Einfach so?"
Er steckte den Schlüssel in sein Moped. „Eigentlich wollte ich Hälfte Hälfte machen, aber du wolltest nicht, dass ich was dazugebe."
„Und warum tust du's dann trotzdem?"
„Weil ich dich liebe."
Ich stockte kurz. „Denkst du, dass wenn du mir all die Sachen kaufst, ich länger bei dir bleibe? Willst du dir meine Liebe erkaufen?"
„Nein, also", er seufzte verzweifelt „ich möchte dir einfach nur eine Freude bereiten-"
„Lass es bleiben, oder ich schmeiß dir die Kontoauszüge um die Ohren." Er zog nur seine Nase hoch und stülpte sich die Sturmhaube über. „Versprich es mir", forderte ich.
„Was? Dass ich dir nie wieder was Gutes tue?"
„Dano, darum geht es doch überhaupt nicht!"
„Doch natürlich!"
„Ach, weißt du was." Angenervt zog ich meinen Helm an und fuhr los. Ich hatte mich nicht mal mit dem Sena verbunden. Er nervte mich. Wieso konnte er nicht auf mich hören, verdammte Axt?
Er bezahlte gefühlt mein ganzes Leben und ich fast nichts für ihn, weil er nicht wollte, dass ich Geld für ihn ausgab.
Und abgesehen von ein paar Geschenken und ein paar Kleinigkeiten, respektierte ich seinen Wunsch. Ich sah im Spiegel, dass er mir folgte. Dano fuhr auf der Fahrbahn direkt neben mir. An der Ampel tickerte er mich an. Ich ignorierte ihn. Er sollte meine Nerven bloß nicht strapazieren. Ich merkte an seinem Fahrstil, dass er genervt war. Auch wenn ich ihm am liebsten in den Arsch getreten hätte, folgte ich ihm. Mein Mann machte mich wahnsinnig.
Irgendwann fuhren wir nicht mehr in der Stadt, sondern auf der Landstraße. Die Straßen waren ziemlich nass. Wir fuhren in eine Siebzigerzone. Ich fuhr Strich siebzig. Dano nicht. Dano fuhr mit Sicherheit an die neunzig. Ich machte mir Sorgen. Bei nassen Straßen so schnell. Und was war, wenn er geblitzt würde?
Ein bisschen war mir schlecht. Ich hatte eine böse Vorahnung. Die Wolken waren fast schwarz und es windete immer stärker. Ich bremste auf sechzig runter. Dano entfernte sich immer weiter von mir. Panik stieg in mir hoch. Wahrscheinlich war er gerade so im Rausch, dass er sich durch die Geschwindigkeit abregen wollte. Ich hatte Angst. Wollte nicht, dass er einen Unfall baute. Ein Schild warnte vor einer scharfen S-Kurve, weswegen nur fünfzig erlaubt waren. Aber Dano bremste nicht ab. Er fuhr keine fünfzig. Auch keine sechzig. Dano bretterte mit knappen achtzig Sachen in die scharfe Kurve. Mir wurde schlecht.
Und dann geschah es.
Genau vor meinen Augen.
Ein Pick-Up schnitt die enge Kurve und Dano bretterte genau in den Truck. Das knallende Geräusch, was die Fahrzeuge beim Aufprall verursachten, ließen mich in Schockstarre verfallen. Das war kein Traum. Es passierte so schnell, dass ich gar keine Reaktion zeigen konnte. Ich bremste, um nicht die nächste im Blech zu sein.
Das war die Wirklichkeit.
„Nein, nein, nein, nein", wiederholte ich leise vor mich hin. Tränen liefen bereits ohne Hemmungen an meinen Wangen hinunter.
Ich fing an zu schreien.
Mein Ehemann flog über das Auto, drehte sich in der Luft und knallte mit voller Wucht gegen einen Baum. Sicherlich war es nur Einbildung, aber ich hörte ein Knacken. Er prallte ab und rollte den kleinen Hang hinab.
Mir wurde übel. Der Anblick, wie er mit achtzig km/h durch die Luft geschleudert wurde, waren ein Horrorszenario der Extraklasse.
Ich brüllte in meinen Helm hinein. Das durfte nicht passieren. Der Pick-Up stand demoliert mit Warnblinker in der Kurve. Ich sprang von meinem Motorrad, welches umkippte und unsanft auf den Asphalt aufkam. Es war mir aber egal.
Ich rannte so schnell es ging zu meinem Schatz. Meine Augen brannten und ich konnte kaum etwas sehen. Ich rutschte den nassen Hang hinab und kniete mich neben Dano. Er lag bewusstlos (oder leblos?) auf dem Rasen. Heulend riss ich meine Handschuhe ab und öffnete erst seinen Helm, bevor ich ihn abzog. Als der Helm sein Gesicht entblößte, wünschte ich, ich hätte es nicht getan.
Meine ganzen Organe rumorten und ich unterdrückte meinen Würgereiz.
Mein Herz schlug wie wild und meine Hände zitterten so stark, dass ich kaum meinen Verschluss vom Helm aufmachen konnte. Wütend auf mich selbst, schrie ich mich an. „Geh auf, du Bastard", brüllte ich heulend. Dann ging der Verschluss auf.
Seinen Geliebten so zu sehen, versetzte einen in eine Gefühlslage, die man so noch nie erlebt hat. Sein Gesicht war rot und blau und lila und aus seiner Nase schoss Blut. Danos Knie stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Das Visier seines Helmes war gesplittert. Ich nahm meinen Helm ab und hielt mein Ohr an seine Nase, um zu überprüfen, ob er noch lebte.
Ich hörte ein paar Sekunden. Tränen tropften von meinem Gesicht auf seines. Konzentriert hielt ich den Atem an und unterdrückte mein Schluchzen. Der Regen setzte ein. Es war zu laut. In der Ferne hörte ich einen Krankenwagen.
Immerhin etwas.
Aber ich hörte keinen Atem. Ich drohte zu hyperventilieren.
Nein, nein, nein, nein!
Mein Herz zersplitterte.
„Du darfst nicht tot sein!", brüllte ich.
Der Krankenwagen kam näher.
Sein Brustkorb bewegte sich nicht und ich spürte auch seinen Atem nicht an meiner Hand, als ich sie über seinen Mund hielt.
„Er ist tot!", brüllte ich heulend und nahm sein Gesicht in meine Hände, obwohl ich Angst hatte, ihm böse Wirbelverletzungen hinzuzufügen, wenn ich seine Wirbelsäule bewegte. „Entschuldigen Sie, Miss."
Ein Sanitäter.
Mehrere Sanitäter.
Mein Mann.
„Er ist tot", weinte ich den Sani voll. Meine Welt lag vor mir und war gerade dabei, für immer von mir zu gehen. Er half mir auf und redete auf mich ein. Aber ich wollte, konnte, ihm nicht zuhören. Mein Mann war tot.
Mir kam das blanke Kotzen, als ich sah, wie die anderen Sanis ihn auf eine Trage hievten und zum Krankenwagen eilten. „Nein, Dano!" Ich wollte hinterher. Bei ihm sein. Wissen, ob er überleben würde. „Bitte, bleiben Sie ruhig."
„Das ist mein Ehemann, Sie Arschloch!", fuhr ich den Mann an. „Ist schon okay, wir kümmern uns um ihn." Der Sanitäter hielt mich fest und ich besaß keine Kraft, um mich gegen seinen Griff zu wehren. Meine letzte Kraft war aus mir rausgeflossen, als ich den leblosen Körper meines Mannes zwischen meinen Knien hatte.
Ich umarmte den Sani, weil es mir am sinnvollsten schien. Heulte mich aus.
Er war tot.
Das war's.
Aber er darf nicht sterben. Nicht nach diesem blöden Streit. Und überhaupt generell nicht! Er hat zu leben, verdammte Scheiße!
Mein Herz pochte so doll, dass es drohte, aus meinem Brustkorb zu springen. Ich war außer Atem, mein Hals schmerzte. Es regnete und ich bekam Rückenschmerzen.
Es war so viel Chaos. Es war so viel auf einmal.
Tot.
Eine Kälte durchflutete mich, ich spürte, wie meine Beine kraftlos wurden und ich Mühe hatte, meine Augen aufzuhalten.
„Geht es Ihnen gut?"
Noch bevor ich ihm antworten konnte, wurde ich bewusstlos.

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt