Kapitel 5

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Dano

Wow, wie stark sie ist.
Verträumt hatte ich aus der Zuschauerperspektive zugesehen, wie sie einfach so hundertachtzehn Kilo gerissen hat.
Und sie trägt meine Kette!
Ich drängelte mich etwas vor und nahm in der ersten Reihe Platz. Gebannt wartete ich, wann sie denn wieder rauskäme. Die Liste wurde aktualisiert und Nova stand noch auf Platz eins.
Hoffentlich bleibt das auch so.
Die ersten Athletinnen starteten ihre Stoßerei, oder wie man das nannte.
Endlich! Sie kommt raus.
Wie hypnotisiert fixierte sie die Hantelstange. Immerhin waren bereits hundertfünfundvierzig Kilo drauf. Sie machte sich bereit und setzte an. Fasziniert von ihrer Eleganz, starrte ich sie an. Der erste Versuch wurde mit drei weißen Lichtern abgenickt. Ich jubelte innerlich. Einerseits wollte ich, dass sie mich sah, andererseits befürchtete ich, dass sie dadurch zu sehr abgelenkt würde und ihren Lift eventuell versaute. Also blieb ich ruhig.
Ihr letzter Versuch war hundertdreiundfünzig Kilo. Sie atmete mehrere Male tief ein und aus. Ihre Hände beschmierte sie mit Magnesia, um mehr Griffigkeit zu haben. Novas Blick war böse. Konzentriert. Vielleicht auch aggressiv. Aber sie hatte ein Ziel vor Augen: die EM zu gewinnen.
Ein letzter tiefer Atemzug und sie betrat die Plattform, wo sie auch direkt ihre Füße für den Lift platzierte. Ein letztes Mal schweifte ihr Blick über die Menschenmenge. Wenn sie das schaffte, war sie Europameisterin.
Oh? Ihr Blick ist bei mir!
Ich lächelte sie an und winkte ihr zu. Mit einem stummen Freudenschrei und der Faust in der Luft zeigte ich ihr meine Unterstützung. Sie war erst irritiert mich zu sehen, dann fing sie aber an zu lächeln und machte sich an die Arbeit. Präzise umschlung sie die Hantel mit ihren Fingern. Sie spannte sich ein und brachte die Hantel auf ihre Schultern und Schlüsselbeine.
Sie kommt nicht aus der Hocke hoch.
Es war totenstill. Jeder hielt die Luft an und wartete ab, dass sie wieder aufstand.
„Schieb!", rief ich durch die leise Halle. Mit größter Anstrengung schaffte sie es dann doch noch. Ihr Kopf war hochrot. Sie umgriff die Hantel fester und sortierte ihre Füße.
Komm schon, du schaffst das.
Angespannt hatte ich meine Hände vor meinem Mund zusammengefaltet. Innerlich betete ich, dass sie noch genug Kraft für den Jerk hatte. Nova setzte zum Auftakt an und spaltete ihre Beine in den Split Jerk. Das Gewicht drückte sie enorm weit runter, aber ihr Körper blieb stabil und sie konnte langsam wieder aufstehen. Außer sich vor Freude, sprang ich auf der Stelle hoch und jubelte. Ich klatschte und rannte von den Zuschauertribünen runter. Nova ließ das Gewicht nach dem Signalton fallen und schrie vor Freude. Die Menge klatschte. Ich kletterte über die hüfthohe Absperrung und wartete an der Treppe auf sie. Dort stand ihr Trainer Calle, der sich ebenfalls wie bulle freute. Nova kam auf uns zugelaufen. „Du hast es geschafft!" Calle umarmte sie fest. Als sich Nova gelöst hatte, sah sie mich an. Sie musste sich ihr Lächeln verkneifen. Dann brach sie in Tränen aus. Ich umarmte sie. So doll, wie ich sie noch nie umarmt hatte.
Endlich habe ich dich wieder.
Wie ich ihren Duft vermisst habe.
„Du bist Europameisterin", flüsterte ich ihr zu. „Ich weiß", weinte sie und sah mich an. Zusammen gingen wir in den Athletenbereich. Kaum hatte sie einen Schluck getrunken und ihre Flasche wieder weggestellt, warf sie sich wieder um meinen Hals. „Ich habe dich so vermisst."
„Ich dich auch."
„Und es tut mir leid, dass ich so reagiert habe. Ich hätte mehr Verständnis zeigen müssen."
„Nein, nein. Ich hätte mehr mit dir unternehmen sollen, damit du gar nicht sowas denken könntest. Es tut mir leid, Nova. Glaubst du mir jetzt, dass ich dich liebe?", flüsterte ich ganz leise. Niemand sollte von dem Gespräch etwas hören. Sie nickte weinend. „Ich habe extra Termine abgesagt, damit ich bei dir sein kann", lachte ich. „Ich weiß. Ich hatte gehofft, dass du kommst."
Hach, meine Süße.
Ich hätte sie so gerne geküsst, aber es waren überall Kameras und wenn das jemand aus der Schule gesehen hätte... Nein, eine Umarmung musste für's Erste reichen. „Lass uns später weiter reden. Gleich ist die Siegerehrung." Ich nickte und verließ den Bereich. Unathletisch kletterte ich in den Zuschauerbereich zurück. Wenige Minuten später begann die Siegerehrung. Erst der dritte, dann der zweite und schließlich der erste Platz. Ich filmte Novas Medaillenvergabe. Strahlend beugte sie sich vor, damit die Dame ihr die Goldmedaille um den Hals legen konnte. Sie schüttelte ihr die Hand und überreichte noch die Deutschlandflagge. Nova guckte zu mir und grinste in die Kamera. Ich war so unendlich stolz auf sie, dass ich fast anfing zu weinen. Sie hatte jahrelang für diesen Moment trainiert und nun hatte sie es geschafft. Meine Nova war Europameisterin. Die deutsche Nationalhymne spielte und sie wickelte die Fahne um sich. Es wurden Fotos geschossen und nachdem die Hymne abgeklungen war, klatschten alle noch mal kräftig. Die drei winkten nur noch und verschwanden dann in der Athletenhalle. Die Menschen strömten zum Ausgang und ich wurde mitgerissen. Keine Chance zu Nova zu kommen. Dann vibrierte mein Handy.
Nova hatte mir eine Nachricht mit einer Adresse geschickt. Sofort sprintete ich zu meinem Auto und fuhr zur Adresse. Sie schrieb mir, dass sie erst in zehn Minuten da sein würde, also blieb ich im Auto sitzen und wartete. Und wartete. Und wartete. Und dann kam sie endlich. Zu Fuß mit ihrem Preis um den Hals. Nova grinste, als sie mein Auto entdeckte. Ich wartete noch kurz, bis sie im Gebäude verschwunden war, dann stieg ich aus und lief ihr hinterher. Vor ihrer Wohnungstür holte ich sie ein. „Nova", rief ich außer Puste. Sie drehte sich zu mir und lächelte. „Na?" Die Tür ging auf und wir traten ein. Kaum war die Tür wieder ins Schloss gefallen, umarmte ich sie stürmisch. Sie juchzte. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich dich vermisst habe", nuschelte ich in ihren Nacken. Sie fuhr mir durchs Haar. „Ich habe dich auch schrecklich vermisst." Bevor sie noch was sagen konnte, presste ich meine Lippen auf ihre. Sie fing an zu kichern und erwiderte den Kuss. Endlich konnte ich ihr wieder so nah sein, wie ich es gewohnt war. Die letzten Monate waren eine Höllenqual für mich. Ihre Arme hingen schlaff um meinen Hals. Novas Beine sackten zusammen und sie hielt sich an meinen Schultern fest. Leidend sah sie zu mir hoch. „Meine Beine sind so schwach", jammerte sie. „Arme Maus." Ich packte sie an ihren Armen und zog sie wieder hoch.

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt