Kapitel 16

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Irgendwann nach meiner Fressattacke musste ich eingeschlafen sein. Jedenfalls wachte ich mit verklebten und brennenden Augen auf, stieß dabei den ganzen Müll von mir. Wenn ich das Auto wieder abgab, musste ich es vorher grundreinigen. Shit.
Ich rieb den Schlaf und die getrockneten Tränen aus meinen Augen und sah auf mein Handy. Keine verpassten Anrufe. Die Polizei war also noch nicht weiter als Gestern. Sofort stiegen mir wieder heiße Tränen in die Augen.
Wieder einmal habe ich sie gehen lassen. Als hätte ich nicht aus meinen Fehlern gelernt. Ich hätte sie nicht allein lassen sollen.
Ich will einfach nur meine Nova wieder.
Mein Handy klingelte. Als ich sah, dass mich die Polizei anrief, rutschte mir mein Herz in die Hose. Hoffnungsvoll ging ich ran.
„Ja?"
„Hallo Herr Hardwig. Wir haben bis lang keine Spur Ihrer Frau gefunden, da es über Nacht auch noch geregnet hat. Die Spürhunde konnten uns leider nicht weiterhelfen. Wir sind aber guter Dinge, dass wir sie bald finden."
Ich kämpfte mit den Tränen. „Okay. Danke trotzdem."
„Gerne. Wir finden sie schon."

Ich vertrieb mir die Zeit mit... Ja. Keine Ahnung, was ich in den letzten Stunden so getrieben hatte. Mein ganzer Körper tat mir weh, mir war kotzübel und ich wollte und konnte nichts essen. Mein Zustand war noch nie so schlecht wie zu diesem Zeitpunkt. Total ausgelaugt ging ich ein wenig durch das Dorf und vertrat mir die Beine. Mein Inneres fühlte sich so leer an. Jeder Schritt kostete mich wertvolle Kraft, aber ich brauchte ein wenig Bewegung. Mein Handy war natürlich sofort griffbereit, falls die Polizei anrief.
Mein Magen war mittlerweile so leer, dass ich das Gefühl hatte, meine Magensäure zersetzte mich bereits von innen. Ausgehungert holte ich mir schnell eine Bowl aus dem Foodtruck. Ich bezahlte die überteuerte Schüssel und stellte mich an einen der Stehtische. Zwar war die Bowl teuer, aber total lecker. Oder ich war so kurz vorm Verhungern, dass mir alles geschmeckt hätte.
Ich schlang alles hinunter und spülte meinen letzten Bissen mit einem Schluck Wasser runter. Eine junge Frau kam zu mir. Vielleicht Mitte Zwanzig, klein und relativ hübsch. Sie sprach mich an, ich verstand allerdings kein Wort, da sie isländisch mit mir redete. „Sorry?", machte ich deshalb und sie wiederholte ihren Satz auf Englisch. Nahm ich an. „Tut mir leid, ich habe gefragt, ob der Wagen da drüben deiner ist."
Ich schüttelte den Kopf. „Schade. Ist ein schönes Ding."
Was will die?
„Ich hatte gehofft, dass das schöne Auto auch zu einem genauso schönem Mann gehört." Sie lächelte mich unschuldig an. Ich hingegen zuckte nur mit den Schultern. „Bin nicht von hier, habe nur einen Leihwagen."
„Das ist ja spannend! Woher kommst du denn?" Sie grinste mit ihren rot geschminkten Lippen und stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch ab. „Bin aus Deutschland und mache gerade mit meiner Freundin hier Urlaub." Ich gab ihr einen allessagenden Blick, als ich Freundin sagte. Sie sah sich um. „Ich sehe hier keine Freundin." Sie hatte also meinen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden - ignorierte ihn aber einfach.
„Sie..."
Scheiße.
Mir fiel keine Ausrede ein.
„Sie wartet in der Ferienwohnung auf mich."
Wieso rechtfertige ich mich überhaupt?
„Tja, also... Was deine Freundin nicht weiß, macht sie nicht heiß..." Sie sah mich lüstern an. „Ich bin auch nicht teuer", schob sie hinterher und zwinkerte mir zu. „Du bist eine Nutte?"
„Pscht", machte sie. „Nur für dich mache ich ein unschlagbares Angebot." Sie grinste mich siegessicher an. Ihre Masche schien wohl schon bei vielen Typen gezogen haben. Bevor sie mir ihr hammer Angebot unterbreiten konnte, fiel ich ihr ins Wort. „Und ich mache dir auch eins: verpiss dich, bevor meine Freundin dir die Augen auskratzt und ich ihr dabei helfe." Ich knüllte meine Serviette zusammen und warf sie ihr ins Gesicht. „Arschloch!", rief sie mir noch hinterher, aber ich ging einfach weiter. Nicht nur, dass ich meine Nova niemals betrügen würde (oder allgemein niemals fremdgehen würde), nein, in Island ist Prostitution strafbar. Und zwar nicht für die Nutten, sondern für die Käufer.

Halb gesättigt stapfte ich zurück zum Auto. Der Himmel war grau und es begann zu regnen. Seufzend setzte ich mich rein und zog eine Decke über mich. Das Auto war so müllig. Aber genauso fühlte ich mich: ranzig. Aufgewühlt. Ungeordnet.
Dieser Schicksalsschlag war wie eine Probe meiner Nerven. Wie lange blieb sie noch verschollen? Lebte sie überhaupt noch? Und wenn ja, wie lange schafft sie es noch, bevor die Bullerei sie findet? Und wann werde ich meinen stabilen psychischen Zustand verlieren?
Kann ich ihr überhaupt noch die Frage stellen, die ich ihr in diesem Urlaub stellen wollte?
Werde ich sie überhaupt je heiraten können?
Werde ich je wieder eine Frau so lieben können, wie sie?
Ich schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, diese unsinnigen Fragen würden dadurch verschwinden.

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt