doce [12]

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Vaiana

Drei Tage
Drei Nächte
Drei Stunden

In dieser Zeit habe ich mich kein einziges Mal aus der Wohnung getraut.
Ich habe mich in meinem Job krankgemeldet. Ich habe die ganzen Tage in meinem Zimmer verbracht.
Ich habe geweint. Geweint aus Angst.

Angst, dass ich meine Freundinnen nie wieder sehe.
Angst das ich meinen liebsten Job aufgeben muss.
Angst, dass der Mann, der mir Briefe schickt, mich jeden Moment holen kommt. Mein trostloses, neu aufgebautes Leben, erbarmungslos zerstört.
Angst,das alles zu Ende gehen wird.

Seit diesen drei Tagen,Nächten und Stunden versuchen Eliza und Finja mich aus meinem Zimmer zu holen.
Sie versuchen mir ihre frisch gekochten Mahlzeiten schmackhaft zu machen, und stellen mir Getränk vor die Tür. Doch ich trinke nicht, ich esse nicht, ich verlasse meinen Raum nicht.
Nichtmal auf Toilette war ich,so sehr habe ich meine Bedürfnisse verdrängt.

Jetzt gerade ist es 2:00 Uhr in einer Donnerstag-Nacht. Meine Freundinnen schlafen, nur ich bin wach. Ich ersticke in dem beißenden Geruch meines Schweißes, da ich mich nicht gewaschen habe. Meine Zähne sind sicherlich gelber geworden, und mein Haar in Filzklumpen gedrückt.

Ich muss etwas ändern.
Nicht ewig kann ich so elendig aussehen,und mich genauso verhalten.
Ich bin eine erwachsene Frau,die ihre Probleme langsam mal in den Griff bekommen muss.

Krächzend stehe ich aus meinem Bett auf,kann mich nur schwer auf den Beinen halten und schwanke auf meinen Kleiderschrank zu.
Langsam öffne ich ihn,ziehe mir frische Unterwäsche und eine weiße Joggingshose mit passendem gecroppten Oberteil heraus.

Kraftlos verlasse ich mein Zimmer, bemühe mich leise zu sein und stolpere fast über eine Flasche Wasser, die mir die Mädels täglich vor die Tür stellen. Ich umrunde die Flasche, betrete leise unser Badezimmer und schalte das Licht an. Mehrmals blinzle ich, da meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen kein grelles Licht ertragen können.

Vorsichtig schließe ich die Badezimmertür ab, lege meine Kleidung ab und ziehe mir die alte Kleidung vom Körper. Ich werfe die Unterwäsche, den Pulli und die Jeanshose in die Wäsche.
Dann stelle ich mich völlig entblößt vor den Spiegel,und reiße die Augen kraftlos auf.

Mein Körper ist runtergehungert.
So weit,das ich mindestens 10 Kilo von meinem Normalgewicht verloren habe.
Meine Rippen zeichnen sich auf meinem Bauch leicht ab,und meine sonst so fülligen Oberschenkel sind erkennbar dünner.

Ich wende den Blick angewidert ab, greife zu meiner Haarbürste und beginne mein verfilztes Haar zu kämmen. Wütend auf mich selbst reiße ich mir dabei einige meiner schönen Haare aus, lasse sie ins Waschbecken fallen und schmeiße die Haarbürste hinterher.

Ich bin wütend,und enttäuscht.
Noch vor knappen drei Monaten sah ich genauso aus, habe mich aufgerafft und gerettet. Aus der Hölle habe ich mich gekämpft, und war im Himmel angekommen. Doch siehe da, es beginnt von vorn.

Zitternd und deutlich unterkühlt steige ich in die gläserne Dusche, stelle lauwarmes Wasser an, aber fühle mich, als ob ich verbrenne, da mein Körper unterkühlt ist. Das lauwarme Wasser fühlt sich kochend heiß an, doch zwinge ich mich dazu unter der Regendusche stehenzubleiben, um meinen Körper zu wärmen. Mit bläulichen Fingern wasche ich meinen knochigen Körper, rasiere meine nachgewachsene Behaarung und entknote mein Haar.

Dies alles hat so viel Kraft verbraucht,das mir schwindelig wird und ich zitternd aus der Dusche steige.
Für zehn, vielleicht auch zwanzig Minuten bleibe ich auf dem Klodeckel sitzen und habe die Augen geschlossen, um die schwarzen Punkte davor zu unterdrücken. Dann aber, stehe ich auf.
Ich trockne mich ab, kämme mein Haar bis auf den kleinsten Knoten aus und ziehe mich an. Im Spiegel mustere ich mein weißes Outfit, auf dem fett gedruckt "Feelings" steht.
Passend, nicht wahr?

Day and Night | Rodríguez Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt