Kapitel 8

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Pov.: Kai:

Vollkommen durch den Wind kam ich bei mir zu Hause an und stürmte sofort in mein Zimmer ohne auf die irritierten Blicken meiner Geschwister, welche ich beinahe umlief, zu reagieren. Ich musste erst mal meine Gedanken ordnen, denn dieses waren völlig durcheinander. Wie konnte es nur so weit kommen? Jetzt hatte ich Julian wirklich verloren. Er dachte, ich wäre ein homophobes Arschloch, das ihn und seine Sexualität verachtete und ihm die ganze Zeit nur etwas vorgespielt hatte. "Fuck"; schrie ich in mein Kissen hinein, damit es nicht alle hörten, und boxte unkontrolliert in meine Matratze. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich dort lng und einfach in meine Kissen heulte, aber irgendwann, als meine Kissen bereits ganz nass vor Tränen waren,  raffte ich mich wider auf und zog mir etwas gemütlicheres an, als es an meiner Tür klopfte. "Ja", rief ich und sofort kam meine Mutter in mein Zimmer. "Hey"; lächelte sie, während sie mich besorgt musterte," Was ist denn los? Warum hast du geweint?" Schnell wischte ich mir die restlichen Tränen weg, doch gegen meine rot angelaufenen Augen konnte ich jetzt auch nichts mehr tun. "Ich..."; sagte ich leise, während ich fieberhaft nach einer Ausrede suchte. Ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit auftischen. "Ich hatte heute in der Schule ein bisschen Stress mit jemandem... in meinem Biokurs", erklärte ich zögernd," Und das hängt mir halt noch etwas nach." Ich setzte wieder einen fröhliche und zuversichtlichen Blick auf. "Aber ich habe mir schon vorgenommen, das morgen mit ihm zu klären." Lächelnd strich mir meine Mutter über die Wange. Ich fühlte mich gerade, wie ein Sechstklässler, der sich mit seinem besten Freund darüber gestritten hat, wer den besseren Elfmeter geschossen hatte. "Das ist doch gut." "Danke Mama", lächelte ich sanft. Sie lächelte lediglich und strich kurz über meine Wange. Ja, für viele mag das vielleicht komisch sein, doch meine Mutter und ich hatten schon immer ein recht inniges Verhältnis. Ich konnte mit ihr  eigentlich immer über alles reden; aber halt auch nur eigentlich. Über das Thema, was mich gerade beschäftigte, konnte ich nicht mit ihr reden. Darüber konnte ich mit so gut wie niemandem reden. Außer mit Julian vielleicht und mit dem hatte ich es mir jetzt auch verscherzt. "Kommst du mit runter?"; fragte sie, nachdem für einen kurzen Augenblick Stille eingetreten war," Wir wollen essen." Nickend folgte ich ihr nach unten ins Esszimmer, wo meine Vater und auch meine Geschwister schon am Tisch saßen und angeregt unterhielten. Leise setzte ich mich dazu und schüttete mir etwas Orangensaft in mein Glas ein. Ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch sondern hörte einfach nur zu; zu mehr hatte ich heute wirklich keine Lust und keine Kraft mehr. Immer wieder spürte ich die besorgten Blicke meiner Mutter auf mir, doch ich ignorierte sie gekonnt; wollte ich heute nicht noch mal an die Sache erinnert werden, auch wenn sie es nur gut meinte. 

Und dann kam es, wie es kommen musste und das Gespräch kam auf genau das Thema, auf das ich gerade heute empfindlich reagierte. "Ich habe heute in der Stadt zwei Männer gesehen, die Händchen haltend neben mir her gelaufen sind und sich dann auch geküsst haben"; erzählte Jan und setzte dabei ein angeekeltes Gesicht auf. Ich hingegen musste mich zurückhalten, nicht direkt wieder in Tränen auszubrechen und einfach wieder in mein zu Zimmer zu flüchten. Mein Vater sah meinen Bruder und dann mich und meine Schwester auffordernd an. "Schaut euch das ja nicht ab Kinder", sprach er mit strenger Stimme," Das ist nicht normal; alles klar? Wenn ihr irgendwann mal so hier ankommt, dann schmeiß ich euch höchstpersönlich aus, klar?" "Jetzt hör auf", wies meine Mutter ihren Mann harsch zurecht," Wir wollen hier in Ruhe essen und keinen Streit haben." Sich geschlagen gebend nickte mein Vater, ehe er sich eine Gabel seines Salates in den Mund schob. Mir hinggen war der Appetit gehörig vergangen, weshalb ich die Brotscheibe, die ich mir gerade genommen hatte, wieder weglegte. "Ich bin satt", verkündete ich leise," Ich gehe dann mal hoch." Eigentlich blieben wir sitzen bis alle mit essen fertig waren, doch hier halte ich es gerade keine Sekunde länger aus. Als würde es mir nicht schon schlecht enug gehen; nein, mein Bruder musste noch mit so einer Sache um die Ecke kommen und Vater so einen bescheuerten und unheimlich verletzenden Satz heraushauen. Meine Mutter ließ mich einfach gewähren; wahrscheinlich weil sie dachte, es wäre wegen dem angeblichen Streit. Aber es war mir gerade so egal, was meine Familie dachte; ich wollte einfach nur allein sein und meine Ruhe vor allem und jedem haben. 

Pov. Julian:

Verzweifelt ließ ich mich nach hinten auf mein Bett fallen, nachdem Kai traurig aus meinem Zimmer getrottet war. Was war das bitte gerade? Ich gestehe Kai meine Liebe zu ihm, er sagt mir, dass er sie erwidert und macht dann all die Hoffnung, die ich mir gerade gemacht hatte, kaputt, indem er mir sagte, dass seine Eltern etwas gegen Homosexuelle hatte, und wir deshalb nicht zusammen sein könnten. Ich meine, ich glaube ihm, dass er selbst nicht homophob war, aber ich konnte ihn trotzdem nicht verstehen. Warum redete er denn nicht wie ein normaler Mensch mit mir, sondern haute einfach gleich ab mit der Begründung, dass das alles nicht gehen würde. Ich verstehe doch, dass er Angst hat, mit seinen Eltern darüber zu reden oder sich vor ihnen zu outen, das ist gar keine Frage. Aber warum hatte er denn Angst vor mir? Ich würde doch auf ihn aufpassen und ihn unterstützen. Und in zu etwas drängen würde ich ihn schon mal gar nicht. Er hatte mir selbst gesagt, dass er mich liebte; wir liebten uns. Was brauchte er denn noch? Ich musste, noch mal mit ihm reden; ihm klar machen, dass ich ihn immer unterstützen würde, dass er mir unglaublich wichtig war und mit ihm zusammen sein wollte. Ob seine Eltern mich als seinen Freund akzeptierten oder nicht. Ob wir es ihnen erzählen konnten oder ob wir es vor ihnen geheim halten mussten. Aber ich wollte Klarheit; ich wollte mit ihm zusammen sein, denn ich liebte ihn. Und ich wusste, dass ihn auch nur seine Eltern und deren EInstellung zu Homosexualität daran hinderte; das spürte ich einfach.

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