Kapitel 9

415 19 0
                                    

Pov. Julian:

In den nächsten Tagen ging Kai mir so gut es ging aus dem Weg. Immer, wenn wir uns auf den FLuren in unserer Schule begegneten, hatte er plötzlich einen Anruf und ich konnte ihn dann nicht mehr ansprechen. Dabei wollte ich unbedingt noch mal mit ihm reden und ihm versichern, dass ich ihn liebte, dass ich für ihn da sein würde und dass ich verstand, wenn er Angst vor der Reaktion seiner Eltern hatte. Ich wollte das alles nicht so stehen lassen, wollte ihn unterstützen und ihm alles erklären und vor allem wollte ich mit ihm zusammen sein. Und ich wusste, dass er das auch wollte; wäre da nicht seine Familie und ihre eher konservative Einstellung zum Thema Sexualität. 

"Kai", rief ich durch den Gang unserer Schule, als ich sah, wie er auf mich zu kam. Er hatte zwar den Blick gesenkt und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aber ich erkannte ihn trotzdem. Am Gang, am Style, an der Statur, einfach an allem. Ohne dabei aufzusehen, verschnellerte er seinen Gang, doch ich ließ nicht locker. "Kai", wiederholte ich meine Worte, wurde allerdings weiterhin ignoriert. "Kai jetzt hör mir och mal zu verdammt", zischte ich ihn an. "Was willst du?", presste er leise hervor, nachdem er endlich stehen geblieben war. Ansehen tat er mich allerdings immer noch nicht; sein Blick war stur auf den Boden gerichtet. In diesem Moment wurde mir mal wieder bewusst, was er für ein Sturkopf sein kann wenn er will und doch liebte ich ihn. "Ich glaube, wir haben alles geklärt", fügte er dann noch leise hinzu," Ich hab homophobe Eltern und trua mich nicht ihnen davon zu erzählen und habe Angst dich da mit reinzuziehen und du findest mich jetzt scheiße und abstoßend, weil ich homophobe Eltern habe oder weil du denkst, dass ich auch homophob bin oder was weiß ich. Was gibt es da noch zu reden?" "Ich finde dich nicht abstoßend und ich glaube auch nicht, dass du so bist wie deine Eltern."; erwiderte ich in einem deutlich sanfteren Ton. Es wir mir gerade so scheiß egal, dass wir mitten im Schulflur standen und uns theoretisch jeder zuhören konnte. Ich wollte das jetzt klären. Hier und jetzt." Ich weiß, dass du mich liebst und dass du,  gerne mit mir zusammen sein würdest, genauso wie ich gerne mit dir zusammen sein würde. Aber ich glaube, dass du Angst vor deinen Eltern hast und das kann ich voll und ganz verstehen, aber ich kann nicht verstehen, warum du einfach wegrennst."
"Du hast mich rausgeschmissen, wenn ich dich daran erinnern darf", konterte er wütend und wollte schon wieder gehen, dich ich hielt ihn fest. Es war mir egal, ob er mit mir reden wollte oder nicht; ich musste das jetzt einfach loswerden.
"Ich weiß und das tut mir auch leid. Das hätte ich nicht machen sollen. Aber ich war einfach überfordert."
"Denkst du ich war das nicht?", lachte er sarkastisch auf.
"Kai bitte", fehlte ich schon förmlich," Ich weiß, dass du es nicht leicht hast, gerade jetzt wo du... Naja du weißt schon. Das ist alles schwierig für dich und dafür habe ich auch größtes Verständnis, aber bitte lass mich dir doch helfen. Ich habe das doch auch schon alles durch."
"Was? Dass deine Eltern gegen ihren eigenen Sohn sind ohne es zu wissen?"
"Nein", widersprach ich leise," Meine Sexualität entdecken. Glaub mir, ich weiß wie erdrückend, neu und komisch diese Gefühle jetzt gerade für dich sind. Aber du wirst lernen, sie zu akzeptieren und sie als normal anzusehen. Weil sie normal sind und sie eigentlich total schön sind."
Zum ersten Mal am heutigen Tage, und überhaupt seit unserem letzten Gespräch, sah Kai mir in die Augen. Diese wunderschönen grünen Augen, in die mich mich so verliebt hatte, ahen mich voller Trauer und Angst an. So, dass ich dachte, er würde mir hier jeden Moment weinend zusammenbrechen. "Es tut mir so leid", hauchte er leise," Es tut mir alles so leid." "Was tut dir leid?", fragte ich möglichst einfühlsam," Dass du dich in mich verliebt hast oder dass du Angst hast." Der Jüngere sagte nichts; schwieg lediglich und sah wieder auf seine Füße. Zum Glück war dieser Flur eher ein selten benutzter Flur, sodass hier zum Glück noch niemand vorbei gekommen war und wir unsere Ruhe hatten. "Ich... kann das nicht, Jule", flüsterte er kaum verständlich, während er krampfhaft versuchte, seine Schluchzer zu unterdrücken," Das tut mir leid." Auch musste schwer schlucken; in meinem Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet. Eigentlich wollte ich das jetzt mit ihm klären, ihm sagen, dass er sehr wohl mit mir zusammen sein konnte, wenn er nur wollte. Dass ich bereit war, zu kämpfen; um ihn zu kämpfen und um uns zu kämpfen. Doch wenn er es nicht war, dann brachte es auch nichts. Ich konnte hier gerade nicht bleiben. "Ich... ich glaube ich muss los", stotterte ich unbeholfen, ehe ich ihn nochmal kurz in meine Arme zog, und dann ging. Als ich nochmal kurz über meine Schulter zurück blickte, sah ich Kai, wie er weinend sein Gesicht in seinen Händen vergrub und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Am liebsten würde ich zu ihm zurück gehen und ihn ganz fest in meine Arme ziehen, doch irgendetwas hinderte mich daran, weshalb ich schweren Herzens meinen Weg fortsetzte, um noch pünktlich zu meinem Unterricht zu kommen, ich wenn ich wusste, dass ich mich keine einzige Sekunde mehr konzentrieren können würde und die ganze Zeit an Kai und seine so traurigen Augen denken werden müsste.

Pov. Kai:

So schnell ich konnte, schleppte ich mich uf die Toilette, nachdem Julian mich verlassen hatte. Ich versuchte fieberhaft meine Tränen zu unterdrücken, damit ich keine Aufmerksamkeit erregte, doch als ich mich endlich in einer der Kabinen eingeschlossen hatte, brach alles aus mir heraus. Verzweifelt sank ich an der Wand hinunter auf den Boden, während ich mir meine Jacke gegen das Gesicht presste, damit mein jämmerliches Schluchzen nicht sofort hören konnte. Mir wurde gerade einfach alles zu viel; auf gar keinen Fall würde ich jetzt noch in den Unterricht gehen können; dazu bin ich nicht mehr in der Lage. Warum musste das alles nur so fucking schwer sein? Warum konnte ich mich nicht einfach in ein nettes Mädchen verlieben? Es wäre alles so viel einfacher. Ich müsste kein Angst haben, dass meine Eltern es herausfinden und mich anschließend vor ddie Türe setzen und mich nicht mehr als ihren Sohn sehen. Aber so, wenn ich jetzt mit Julian zusammen wäre, dann müssten wir uns dauerhaft verstecken und mit der Angst leben, entdeckt zu werden. Zumindest ich müsste mit dieser Angst leben. Denn auch wenn ich die Einstellung meiner Eltern nicht teilte, liebte ich sie dennoch. Sie gehörten zu den wichtigsten Personen in meinem Leben und ich wollte sie nicht verlieren. Auf der anderen Seite würde ich allerdings auch nichts lieber tun, als mit Julian zusammen zu sein. 

Secret LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt