Kapitel 43

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Pov. Kai:

Nun saß ich hier. An einem Tisch mit meinem Vater und Julian. Erst hatten die Eltern meines Freundes sich gesträubt, uns mit meinem Vater allein zu lassen, doch mit etwas Überzeugungskraft hatten sie uns dann doch, wenn auch etwas skeptisch, das Haus verlassen und auch Jannis und Jascha hatten sich dazu entschlossen, eine Runde joggen zu gehen. 
Ich fühlte mich ehrlich gesagt total unwohl hier; war ich doch eigentlich auch nur Jule zuliebe hier. Und weil ich zugegebenermaßen auch gerne wissen wollte, was sein Verhalten gegenüber mir erklären sollte. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, was das sein sollte. 
Und trotzdem bescherte mir die Anwesenheit meines Vater einen unangenehmen Knoten im Bauch und mir wurde schlagartig schlecht. 
Seine Augen schienen mich förmlich zu durchbohren, während mein Blick sich unsicher auf meinen Schoß senkte. Jule nahm unauffällig unter dem Tisch meine Hand in seine und drückte diese sanft. 
"Es tut mir leid Kai"; fing mein Vater schließlich mit belegter Stimme an. Wie oft hatte er das in den letzten Tagen zu mir gesagt? Und warum konnte ich es ihm noch immer nicht zu hundert Prozent abnehmen? 
Ich riss mich zusammen, presste meine Lippen aufeinander und schwieg. 
"Ich weiß, wie falsch mein Verhalten war. Ich hätte dich niemals so beschimpfen und schon gar nicht rausschmeißen sollen. Oh Gott, ich bin so ein miserabler Vater. Welcher Vater schmeißt seinen eigenen Sohn raus, weil er einen Jungen liebt?" "Du"; erwiderte ich trocken, woraufhin ich einen Tritt ans Schienbein von Jule kassierte. Auch mein Vater sah geschockt und verwundert auf; hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass ich sowas sagen würde. Ich hingegen war total überrascht von mir selbst, dass ich ihm so unentwegt und ohne zu blinzeln in die Augen sehen konnte. In diesem Moment fühlte ich nichts; rein gar nichts. Keine Wut, keine Enttäuschung, gar nichts. Mir war alles egal. Sollte ich mir jetzt Sorgen um mich selbst machen? 
War das normal? Sicherlich nicht.
"Kai ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und ich kann sie sicherlich nicht so einfach wieder gut machen. Aber du musst wissen, dass ich...." 
Er schien wirklich mit sich zu ringen; sein Blick wechselte schnell zwischen mir und seinem Schoß. Geduldig wartete ich ab, bis er weiter sprach. 
"Mein Vater war genauso zu mir, wie ich es zu dir war. Eigentlich hätte ich daraus lernen sollen, ich weiß, aber.... In meiner Jugend habe ich auch.... meine Erfahrungen mit einem Jungen gemacht und mein Vater hat mich damals mit ihm erwischt und.... er hat mich genauso beschimpft wie ich es getan habe. Ich sei falsch und sollte mich schämen und keine Ahnung was sonst noch alles. Irgendwie hat sich das alles in mein Gehirn eingebrannt und als ich von euch erfahren habe, da ist alles wieder hochgekommen. Ich habe mich selbst an deiner Stelle gesehen und.... ich habe nicht gemerkt, was ich da für einen Quatsch erzähle. Mittlerweile ist mir auch klar geworden, dass mein Vater mehr als Unrecht hatte und es vollkommen egal ist, wen man liebt. Ich weiß, das ist keine Rechtfertigung und das soll es auch gar nicht sein. Ich hoffe nur, dass du mich jetzt vielleicht etwas besser verstehen kannst." 
Reuevoll senkte er den Blick, während mir noch der Mund offen steht. Mit sowas hatte ich im Leben nicht gerechnet. Aber wenn ich so darüber nachdenke, erklärt es doch einiges. Zum Beispiel, warum mein Vater so gut wie gar keinen Kontakt zu seinen Eltern hatte und ich nur ganz wenig über meine Großeltern weiß.
Aber konnte ich ihm verzeihen, jetzt wo ich weiß, was ihm passiert ist? Zumindest jetzt noch nicht. Es würde Zeit brauchen. Auf der anderen Seite tat er mir tatsächlich etwas leid. Er musste sich genauso mies gefühlt haben wie ich es getan hatte. 
"Es tut mir wirklich leid, Kai. Wenn es etwas gibt, dann sag mir, wie ich es wieder gut machen kann. Oder zumindest besser machen kann." 
Schweigend sah ich ihn an. 
"Ich.... ich glaube es gibt nichts, was du tun kannst", wisperte ich leise, woraufhin mein Vater enttäuscht zu Boden sah. "Ich glaube, ich brauche erstmal Zeit, um damit klar zu kommen und das zu verarbeiten", fuhr ich leise fort," Aber es bedeutet mir wirklich sehr viel, dass du mir das anvertraut hast. Nur.... das macht das Ganze nicht ungeschehen... leider." "Ich weiß. Und ich gebe dir alle Zeit der Welt. Aber vielleicht können wir irgendwann ja mal wieder normal miteinander reden und umgehen." "Vielleicht", bestätigte ich hoffnungsvoll. Ja, ich hatte meinen Vater vermisst und war irgendwie froh und dankbar, dass Jule mich zu dem Gespräch bewegt hatte und jetzt alles mehr oder weniger geklärt war. 
Mit einem freundliche und dankbarem Blick wandte mein Vater sich dann an Jule. Erst hatte ich etwas Angst, er würde ihn trotzdem nicht mögen. doch das änderte sich schnell.
"Julian, ich fürchte bei dir muss ich mich auch entschuldigen. Ich hätte nie so vorschnell über dich urteilen sollen. Ich bin mir sicher, dass du ein guter Freund für Kai bist. Allein schon, dass du dich so um dieses Gespräch bemüht hast, zeigt das. Danke." Aufrichtig sah er meinem Freund in die Augen und ich konnte in diesem Moment nicht anders als breit zu grinsen. Mr fiel förmlich ein Stein vom Herzen. 
Nachdem die Beiden sich höflich lächelnd die Hand gereicht hatten und auch ich meinen Vater kurz umarmt hatte, verabschiedete er sich wieder und um ehrlich zu sein war ich auch ganz froh darum. Ich brauchte jetzt erstmal etwas Zeit und Ruhe, um mir Gedanken zu machen und das Ganze zu verarbeiten. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, warf ich mich lächelnd und heulend zugleich in die Arme des Älteren. 
"Ich liebe dich", nuschelte ich in seine Halsbeuge. "Ich dich auch"; erwiderte er leise, schloss herzlich seine Arme um mich. 
"Danke, dass du das gemacht hast." "Danke, dass du dich darauf eingelassen hast." 
"Ich bin echt froh darüber, dass ich jetzt weiß, was er alles erlebt hat. Aber ich glaube, ich brauche trotzdem noch Zeit. Und ich weiß auch nicht, ob ich ihm jemals wieder os vertrauen kann und ob es wieder so wird wie früher." "Das ist auch überhaupt nicht schlimm. Das verlangt auch niemand von dir"; sagte er verständnisvoll, während seine Hände über meinen Rücken strichen," Aber ich bin total stolz auf dich." 
"Ich liebe dich"; wiederholte ich leise meine Worte von vorhin," So sehr." 

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