Kapitel 32

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Pov. Julian:

Enttäuscht kam ich nach der Schule nach Hause und trottete gleich nach oben in mein Zimmer, wo ich meinen Rucksack lustlos in die Ecke warf. Aus meinem Plan, heute in der Schule mit Kai zu sprechen und die ganze Angelegenheit zu klären, wurde nichts, denn Kai tauchte erst gar in der Schule auf. Ich hätte es mir denken können, aber trotzdem war ein kleiner Hoffnungsschimmer geblieben. Die Tatsache, dass er heute nicht gekommen war, machte mich nur noch wütender. Aber dass er so verdammt feige war und sich nicht mal traute, mit mir zu reden und sogar extra nicht zur Schule kam, um mir nicht über den Weg zu laufen, das war echt ein neues Level, das ich ihm definitiv nicht zugetraut hätte. Gut, vielleicht war er auch einfach krank, aber das wäre meiner Meinung nach einfach ein zu großer Zufall. 
Dann werde ich ihn wohl doch später mal anrufen müssen. 
Abgekämpft ließ ich mich auf mein Bett fallen, nachdem ich mir was zu essen geholt hatte. 
Zum Glück war ich momentan alleine, sodass ich niemandem erklären musste, was mit mir los war. Denn während meine Eltern beide noch bei der Arbeit waren, hatte Jannis noch lange Schule und Jascha war, soweit ich weiß, bei einem Kumpel. 
Seufzend wählte ich also Kais Nummer; ich hielt es einfach nicht mehr aus und wollte jetzt Antworten von dem Jüngeren haben. 
Doch Kais schien mir keine geben zu wollen, denn er hob gar nicht erst ab. Immer und immer wieder versuchte ich es und nie ging Kai ran; ließ es einfach klingeln. 
Jedes Mal, wenn ich auflegte, wurde ich ärgerlicher. Warum konnte er es mir nicht mal am Telefon erklären, wenn er es sich von Angesicht zu Angesicht schon nicht traute? Ich konnte es einfach nicht verstehen; egal wie sehr ich darüber nachdachte. Es blieb für mich einfach unverständlich. 
Aus meiner Verzweifelung heraus sprach ich ihm letztendlich einfach auf die Mailbox und ließ einfach alles raus, ohne groß darüber nachzudenken.
"Hey Kai, ich weiß zwar nicht, warum du so verdammt feige bist und weder in die Schule kommst noch an dein Handy gehst, aber ich finde es echt ungerecht, dass du mir nicht einfach antworten kannst. Weißt du eigentlich wie es sich anfühlt, wenn einfach mit einem Schluss gemacht wird und man nicht mal Gründe dafür bekommt? Weißt du wie ich mich fühle? Ich frage mich die ganze Zeit, was ich verdammt nochmal falsch gemacht habe, dass du einfach so übers fucking Telefon mit mir Schluss machst. Du bist nicht nur feige, sondern auch egoistisch. Warum kannst du nicht wie ein vernünftiger Mensch mit mir reden? Wenn du irgendwann mal zur Vernunft kommst, dann kannst du dich ja mal bei mir melden und wir können reden, aber wahrscheinlich wird das ja eh nichts." 
Dass ich Kai damit eventuell verletzen könnte, wurde mir erst klar, als es bereits zu spät war. Doch Kai hatte mich auch  unendlich verletzt. 
Jetzt konnte ich es sowieso nicht mehr ändern und vielleicht konnte ich damit ja wenigstens etwas die Augen öffnen und er würde sich eventuell doch noch bei mir melden; ich würde es mir wünschen. 

Pov. Kai:

Als ich die Nachricht von Jule in meiner Mailbox abhörte, brach ich erneut in Tränen aus. Jule war so enttäuscht von mir und das Schlimmste war, dass ich ihn voll und ganz verstehen konnte. Ich an seine Stelle wäre mindestens genauso enttäuscht und wütend. Ja, vielleicht war ich feige, aber ich wollte ich doch nur schützen. Klar, er konnte das nicht wissen und auch nicht verstehen, aber vielleicht würde er es irgendwann tun. Es brach mir das Herz, seine verweinte und verzweifelte Stimme zu hören, doch was sollte ich tun? ich war immerhin selbst Schuld. Ich wusste doch, dass meine Familie und besonders mein  Vater Homosexualität nicht akzeptierte und trotzdem war ich so blöd und leichtgläubig gewesen und hatte mich auf eine Beziehung mit Jule eingelassen. Mir hätte doch klar sein müssen, dass es früher oder später rauskommen wird. Aber nein, ich war, wie Jule ganz richtig sagte, so egoistisch gewesen und hatte mich auf eine Beziehung eingelassen, nur weil ich so verliebt gewesen war.  Man, ich war so verdammt dumm und hatte die Person, die ich am meisten liebte, in Gefahr gebracht. Mein Vater gibt ihm doch jetzt die Schuld dafür, dass ich schwul war und nicht seinen Vorstellungen entsprach. "Hey Kai, was ist los?"; wurde ich von Joels besorgter Stimme zurück in die Realität geholt. Wortlos spielte ich die Nachricht von Jule ab. Mein Kumpel verstand sofort und zog mich einfach in seine Arme. "Alles wird gut, versprochen.", redete er beruhigend auf mich ein," Julian kriegt sich schon wieder ein. Vielleicht solltest du wirklich einfach mal mit ihm reden." "Das kann ich nicht", heulte ich leise in seine Arme. "Aber warum denn nicht?" "Er wird mich doch nie verstehen. Und außerdem, wenn mein Vater mich mit ihm zusammen irgendwo sieht, dann weiß ich nicht, was er mit Jule anstellt. Er gibt ihm doch die Schuld für alles." "Dann schreib ihm doch wenigstens ne Nachricht, hm?", schlug er weiter vor. "Aber was soll ich denn schreiben?", fragte ich nahezu hoffnungslos," Er wird mir doch nie verzeihen." "Ich weiß es nicht. Aber ich finde, du solltest ihm zeigen, dass er nicht Schuld ist. So muss es sich doch laut seiner Nachricht für ihn anfühlen und ganz ehrlich, ich kann es es auch ein bisschen verstehen." Leicht zuckte ich die Schultern. "Okay." Zufrieden und aufmunternd zugleich lächelte der Ältere mich an. "Ich lass dich dann mal alleine." Kurz lächelte ich zurück, ehe er sich von mir löste und und das Zimmer anschließend verließ. 
Ich hingegen machte mich daran, eine Nachricht für meinen Ex-Freund zu tippen, in der Hoffnung, ihm die Situation damit etwas verständlicher und erträglicher zu machen. 
"Hey Jule; ich habe deine Nachricht gehört und muss dir sagen, dass du mit allem, was du gesagt hast, vollkommen recht hast. Ja, ich bin feige und ja ich bin mindestens genauso egoistisch. Doch du sollst auch wissen, dass das alles einen Grund hat. Ich kann es dir nicht sagen; zumindest noch nicht, aber ich verspreche dir, dass du es irgendwann verstehen wirst und dann vielleicht auch nicht mehr allzu sauer auf mich bist. Ich kann deine Wut wirklich verstehen; mir würde es wahrscheinlich genauso gehen und es tut mir auch wirklich endlos leid, dass du dich wegen mir so fühlst und dass ich dir das Herz gebrochen habe. Bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich das nie wollte. Ich muss dich aber schützen und da ist die Trennung leider der einzige Weg, den ich sehe. Es tut mir wirklich so sehr leid. Ich hoffe, du wirst mich bald verstehen können und mir vielleicht irgendwann auch mal verzeihen können. 
In Liebe,
dein Kai"
Unermüdlich flossen mir beim Schreiben und Absenden der Nachricht Tränen über die Wangen, doch ich fühlte mich auch etwas besser, nachdem ich die abgeschickte hatte. Hoffentlich würde Jule sie überhaupt lesen und mich dadurch dann vielleicht etwas besser verstehen können- 

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