Kapitel 30

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Pov. Julian:

Vollkommen verwirrt und perplex ließ ich mein Handy auf meinen Schoß gleiten, nachdem ich nur noch ein monotones Tuten durch die Leitung wahrnahm; Kai hatte aufgelegt. Ohne mir irgendwelche Gründe für seine Entscheidung, welche ich einfach nicht realisieren geschweige denn verstehen konnte. Was war da bitte gerade passiert? Warum hatte Kai geweint? Warum war er nicht vorbeigekommen und wir hätten normal geredet. Wie normale Menschen. Aber all diese Fragen konnten die wichtigste Frage von allen nicht beantworten: Warum hatte Kai sich von mir getrennt?  Was war passiert, dass er sich so plötzlich von mir trennte? Heute morgen war doch noch alles gut. Wir hatten den Vormittag mal wieder gemeinsam im Bett verbracht, hatten gekuschelt, die Pizza vom Vorabend zum Frühstück gegessen und alles war gut. 
Und jetzt saß ich hier auf meinem Bett, zog meine Knie an meine Brust, während die Tränen bereits in Sturzbächen über meine roten Wangen liefen. Erst jetzt schien es richtig bei mir angekommen zu sein. Oh Gott; Kai hatte Schluss gemacht und jetzt.... jetzt in ich wieder Single. Ich weiß es klingt verrückt, aber ich kann es mir ohne Kai einfach nicht vorstellen. Und er hatte mir noch nicht mal einen Grund genannt, warum er das getan hatte. 
Als ich das realisierte, kam neben der Trauer und dem Unverständnis auch noch das erdrückende Gefühl der Wut hoch. Wut über mich; dass ich ihm scheinbar nicht genug war. Wut über Kai, weil er einfach so mir nichts dir nichts Schluss machte. Wut über Kai, weil er zu feige war, mir zu sagen, warum er dies getan hatte. Das Gefühl der Wut übertönte gerade all die anderen Gefühle. Von einer Sekunde auf die andere hörten die Tränen auf zu fließen. Stattdessen begann ich wie ein Verrückter auf das nächstbeste Kissen, welches neben mir lag, einzuprügeln, ehe ich kraftlos zusammenbrach. Verzweifelt schrie ich in das Kissen hinein; zum Glück dämpfte es meine Schrei so weit ab, dass man mich wahrscheinlich gar nicht hören konnte. Ich wollte gerade einfach nur alleine sein. Alleine mit meinen Gefühlen; alleine mit meiner Wut. 
"Warum hast du mir das angetan?", fragte ich verzweifelt in die Stille des Raumes," Warum?"
Darauf folgte wieder ein lautes Schluchzen.
"Was habe ich falsch gemacht?"
Ich musste relativ lange auf meinem Bett gelegen und mir die Seele aus dem Leib geheult haben, denn mein Vater rief uns schon bald zum Abendessen.
Doch ich hatte jetzt weder Appetit noch hatte ich Lust auf jegliche Form von Gesellschaft. Absolut keine Lust. Der Einzige, den ich gerade hier hätte, wäre Kai. Er sollte mir verdammt nochmal sagen, warum er Schluss gemacht hatte. Warum war er nur so verdammt feige?
Warum traute er sich nicht, mir zu sagen, dass er mich nicht mehr liebte?
Ich verstehe das alles nicht.
Das Letzte, was ich jetzt wollte, war es, meiner Familie zu erklären, warum ich weinte und was passiert war. Von den mitleidigen Blicken mal ganz abgesehen.
Doch das Schicksal schien es heute nicht gut mit mir zu meinen, denn anstatt es einfach zu akzeptieren, dass ich ganz offensichtlich nicht mit essen wollte, klopfte mein Bruder wenig später an meiner Zimmertür.
"Ey Jule, es gibt essen", kam es dann von Jascha gedämpft durch die Tür.
"Hab kein Hunger", nuschelte ich leise und möglichst so, dass man nicht hören konnte, dass ich mir bis gerade die Augen ausgeheult habe.
Aber Jascha wäre nicht Jascha, wenn er es nicht doch gehört hätte.
Die Tür öffnete sich und mein jüngster Bruder kam  herein. Jetzt brachte es auch nichts mehr.
"Alles gut?", erkundigte er sich mit besorgtem und zugleich skeptischen Gesichtsausdruck.
"Ich....können wir bitte wann anders drüber reden", bat ich, während ich ihn flehend ansah," Ich kann das gerade nicht."
Glücklicherweise schien Jascha meine nahezu verzweifelte Bitte zu verstehen und akzeptieren. Kurz nahm er mich in den Arm.
"Ich sage Mama und Papa, dass es dir nicht gut geht, okay,"
"Danke", nuschelte ich nickend an die Schulter des Jüngeren.
"Nicht dafür. Soll ich dir was zu essen hoch bringen?"
Kopfschüttelnd verneinte ich seine Frage.
Ich würde jetzt beim besten Willen etwas zu essen runterkriegen.
Nachdem Jascha mich nochmal kurz an sich gedrückt hatte, löste er sich vorsichtig von mir, wuschelte mir nochmal durch mein unordentliches  Haar und verließ dann das Zimmer.
Ich könnte ihn gerade wirklich abknutschen, dafür, dass er mich vor dem Abendessen rettete.
Jetzt wollte ich nur noch meine Ruhe; nicht mehr nicht weniger.
Und ich wollte endlich diese eine Frage geklärt haben, die permanent in meinem Kopf herum schwirrte: Was zur Hölle war passiert, dass Kai von jetzt auf gleich mit mir Schluss machte?
Und zwar über Telefon. Warum war er so feige, dass er mir nicht mal einen Grund dafür nennen konnte? Aber es war sinnlos, eine Antwort auf diese Fragen zu suchen, denn die kannte eh nur Kai. Deshalb beschloss ich, Kai morgen in der Schule darauf anzusprechen. Ich wollte sowas nicht, so wie er es getan hatte, am Telefon besprechen. Das war mir zu unpersönlich; sowas muss man finde ich, Face to Face besprechen. Hoffentlich werde ich mich bis morgen zum Mindest etwas beruhigt haben, denn so wie ich jetzt aussehe, werde ich morgen kaum in die Schule gehen können. Immer wieder kamen die Tränen und die Wut und die Verzweifelung hoch, ohne dass ich es in irgendeiner Art und Weise steuern konnte. Sie kamen einfach auf. 
Bis in die tiefe Nacht, bestimmt bis zwei oder drei Uhr lag ich wach und dachte nach; konnte meine negativen Gedanken einfach nicht abschalten. Erst sehr spät fielen mir vor Erschöpfung die Augen zu, doch wirklich erholsam war der Schlaf für mich nicht. In die Tiefschlafphase kam ich wahrscheinlich gar nicht rein. Dementsprechend müde war ich auch, als ich mich am nächsten Morgen um halb sieben aus meiner warmen Bettdecke schälte, unter der ich viel lieber liegen geblieben wäre. Als ich in den Spiegel sah, schreckte ich erstmal ein bisschen zurück. Nicht nur, dass meine Augen vom Weinen total rot und geschwollen waren. Sie waren auch ganz klein und mein Kopf schmerzte total. Doch ich wollte heute nicht fehlen. Nicht wegen der Schule, sondern weil ich mit Kai reden und das endlich mit ihm klären wollte. Wenn es da überhaupt noch was zu klären gab. 

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