"Oh... ähm... nein, äh. Nein, es wird... es ist alles gut.", stammelte ich vor mich hin. "Ich hab's schon längst vergessen."
Nein, hast du nicht, zischte mein Unbewusstsein. Es hatte recht. Insgeheim fand ich den Kuss auch gar nicht mal so schlimm, hätte Michael nicht fürchterlich nach Alkohol und Rauch gestunken.
"Gut.", sagte er nur knapp. "Das hatte ja auch nichts zu bedeuten.".
Ich presste meine Lippen aufeinander und nickte. Daraufhin legte Michael den Kopf in den Nacken und sah nach oben an die Decke, scheinbar voller Hoffnung, der Fahrstuhl könnte sich so wieder in Gang setzen. Ich beobachtete ihn dabei. Beobachtete wie sich seine Muskeln und Sehnen unter der glatten Haut dehnten. Bei diesem Anblick musste ich schlucken. Kurzzeitig hatte ich das absurde Verlangen seinen Hals zu küssen. Schnell verdrängte ich dies aber wieder. Was für eine bescheuerte Vorstellung!
Michael seufzte und sah mir dann leicht genervt in die Augen.
"Ich hoffe das dauert nicht mehr so lange.", brummte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wir haben noch eine Menge zu erledigen.".
Indem fiel mir der Kalender ein, den ich noch in meiner Handtasche hatte. Tatsächlich hatte ich es geschafft ihn während einer kleinen Nachtschicht fertigzustellen.
Ich kramte in meiner Tasche herum, bis ich das dunkle Buch in den Händen hielt."Hier.", sagte ich und überreichte es ihm. "Ich habe alle Termine dort eingetragen.".
Michael nahm es an sich und blätterte einmal flink durch. Während er dies tat nickte er ab und zu mit dem Kopf.
"Okay.", murmelte er. "Gut gemacht. Danke.".
Hat er sich gerade bedankt?! DER Michael Schindler?!
"Äh, kein Problem.", erwiderte ich leicht perplex.
"Hast du schon gesehen, was als nächstes ansteht?", fragte er mich und blätterte scheinbar zum nächsten Termin.
"Äh.", machte ich.
"Nächste Woche Montag ist das Fotoshooting für das Cover von meinem neuen Album.", erklärte er. "Ich werde dir noch eine Nachricht schicken, wann und wo du sein sollst.".
"Okay.".
Hoffentlich macht er es auch. Wirklich darauf verlassen kann ich mich ja schließlich nicht.
"Und du hast morgen übrigens frei.", fügte er hinzu.
"Hm?", machte ich fragend und runzelte die Stirn. "Wieso das?".
"Willst du nicht frei haben?", fragte er neckisch und lächelte leicht.
Ist das jetzt so etwas wie ein Flirtversuch? Wieso lächelt er so komisch? Wieso lächelt er überhaupt?!
"Ähm doch, aber-.", ich ließ den Rest des Satzes einfach im Raum stehen und zuckte stattdessen mit den Schultern.
Michaels Schmunzeln wurde breiter.
"Ich habe morgen nichts für dich zu tun.", meinte er. "Und außerdem hast du dir ein paar freie Tage wirklich verdient.".
Was höre ich da? Ist das ein Traum? Meint er das wirklich gerade ernst oder spielen wir hier 'versteckte Kamera'?
"W-wirklich?", harkte ich nach.
"Ja.", bestätigte er. "Du leistest wirklich gute Arbeit, Ronja.".
Wie auf Kommando setzte sich der Aufzug auf einmal wieder in Bewegung. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon die Befürchtung gehabt, dass ich nie wieder das Tageslicht sehen würde.
"Na endlich.", seufzte Michael.
"Ja.", stimmte ich ihm zu und konnte nicht fassen, was in diesem Raum passiert war.