Etwa um halb zwölf kam ich dann in unserer Wohnung an. Müde und innerlich völlig am Ende ließ ich einfach meine Handtasche fallen und zog meine Jacke aus, die ich halbherzig an die Garderobe hing. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass das Licht im Wohnzimmer brannte.
Stefan muss noch wach sein. Aber wieso, es ist doch schon mitten in der Nacht! Indem hörte ich Stefans Stimme aus dem Wohnzimmer: "Ronja?". "Ja?", antwortete ich. Dann war es kurz still. Ehe ich mich versah kam mein Mitbewohner aus dem Zimmer und lehnte sich an den Türrahmen, während er seine Arme vor der Brust verschränkte. Verwundert blinzelte ich, als ich seinen ernsten Blick bemerkte. "Was ist?", fragte ich verwirrt. "Kannst du nicht anrufen, wenn du länger weg bleibst?", warf er mir vor. "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Roni.". Ich seufzte. "Sorry. Ich hatte mein Handy aus.". "Wo warst du eigentlich?", fragte Stefan. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch dann seufzte ich nur. "Ich habe Scheiße gebaut, Stefan.", murmelte ich und fasste mir an die Stirn. Mein Mitbewohner sah mir nur tief in die Augen, dann stieß er sich leicht vom Türrahmen ab und ging Richtung Küche. "Trost-Bierchen?", fragte er und öffnete den Kühlschrank. Ich schmunzelte und stimmte zu. Keine fünf Minuten später saßen Stefan und ich auf unserem Sofa. Schulter an Schulter. Kopf an Kopf. Als ich nun den Mut gefasst hatte, Stefan das mit meinem Chef zu erzählen, nahm ich noch einen Schluck meines Biers und seufzte dann leise. "Ich habe mit Michael geschlafen.". Stille. Die Ruhe vor dem Sturm? "Bitte?", fragte Stefan, als hätte er nicht verstanden was ich gesagt hätte. "Ich habe mit meinem Chef geschlafen.", wiederholte ich kleinlaut. "Was?", keuchte Stefan. "Wie du hast mit ihm geschlafen?!". "Na, wir hatten Sex.", fügte ich hinzu. "Wieso?!", rief Stefan entsetzt aus und knallte seine Bierflasche auf den Wohnzimmertisch. "Es... es ist einfach so passiert.". "Einfach so passiert?!". "Ja.", nuschelte ich. "Wie kann das einfach so passieren? Dieser Mann ist ein absolutes Arschloch, hast du das vergessen?!", fauchte Stefan erbost. "Ich weiß, aber momentan ist er anders.", verteidigte ich Michael. "Anders?". "Ja, anders... Er... er ist freundlicher. Und höflicher. Ich weiß nicht wieso, aber er ist nicht mehr so wie früher.", erklärte ich. Stefan verschränkte die Arme vor der Brust. "Pah.", machte er. "Das war er wahrscheinlich nur, weil er dich ins Bett kriegen wollte. Wahrscheinlich feuert er dich jetzt, damit er die Nächste knallen kann.", schnaubte er verachtend. Ich seufzte abermals. "Das ist es ja.", setzte ich an. "Er will nicht, dass ich gehe. Ich habe ihn darauf angesprochen, was jetzt passieren wird und er meinte, dass man privates und berufliches durchaus trennen kann.". "Und das bedeutet?", fragte Stefan. "Will der mit dir eine Beziehung eingehen?". "Keine Ahnung.", sagte ich. "Ich weiß auch nicht ob ich kündigen soll.". "Tu' es.", forderte Stefan mich auf. "Du hast wirklich einen besseren Arbeitsgeber verdient.". Ich weiß, aber ich glaube, ich liebe ihn.