"Wieso hat das denn so lange gedauert?", schnaubte Michael verärgert und riss mir förmlich den Kaffeebecher aus der Hand, sodass der Inhalt beinahe überschwappte.
"Da war eine Schlange im Cafe und-", versuchte ich mein spätes Erscheinen zu rechtfertigen, doch wurde schnell von meinem Chef unterbrochen.
"Ja egal.", murmelte er und zog seinen Autoschlüssel aus der Tasche seiner roten Lederjacke hervor, den er mir halbherzig zuwarf. Reflexartig schnappte ich ihn auf und glotzte meinen Chef verwirrt an. "Meine Karre muss in die Waschanlage.", meinte er nur knapp und setzte sich daraufhin seine Kopfhörer wieder auf. Dann begann er auf dem Keyboard herumzuklimpern.
Ich hasse ihn. Gott, wie ich ihn hasse!
Obwohl ich am liebsten mit dem Schlüssel einen langen, tiefen Kratzer in den Lack seines schneeweißen Benz gemacht hätte, fuhr ich artig in die Waschanlage und ließ ihn reinigen. Doch als ich wieder zurück im Studio angekommen war, wartete schon gleich die nächste Aufgabe auf mich.
"Und was hat jetzt wieder so lange gedauert?", schnauzte Michael gelangweilt und zog an seiner Zigarette, dessen Rauch er mir unbekümmert entgegen blies.
"Gar nichts.", sagte ich. "Ich war doch eigentlich recht schnell.".
"Aber nicht schnell genug.", entgegnete er und warf seinem Kollegen, den ich nur unter dem Namen "Bushido" kannte, einen schelmischen Blick zu, während er frech grinste.
Arschloch.
Ich seufzte.
Ruhig Ronja... ganz ruhig.
"Tut mir leid.", nuschelte ich mürrisch.
"Wie war das?", fragte Michael provozierend und drückte sein Ohr etwas nach vorne, als hätte er so besser hören können.
"Es tut mir leid.", wiederholte ich. "Das nächste Mal versuche ich mich zu beeilen.".
"Nein, nächstes Mal WIRST du dich beeilen.", verbesserte er. "Ansonsten war's das mit diesem Job, verstanden?".
Ich biss meine Zähne zusammen und nickte ergiebig. Michael grinste daraufhin zufrieden und zog wieder an seiner Zigarette.
Hoffentlich erstickst du irgendwann an dem Rauch.
"Ach.", machte Michael. "Ich weiß, du hast in einer halben Stunde Feierabend, aber-.", er stoppte und kramte etwas aus seinem Rucksack heraus. Es war ein kleines Buch, dessen Einband aus dunklem Leder bestand. "Hier ist ein neuer Kalender.", erklärte er und überreichte mir das Buch. "Ich will, dass du alle Termine fein säuberlich da einträgst. Auch die, die schon stattgefunden haben. Möglichst heute noch.".
"Aber das schaffe ich nicht mehr in der halben Stunde.", meinte ich.
"Dann machst du das halt zu Hause.", erwiderte Michael und zuckte mit den Schultern.
Ich öffnete den Mund um zu protestieren, aber dann schloss ich ihn wieder. Es würde eh nichts bringen.
"Okay.", zischte ich wütend.
"Ah, ah, ah.", machte Michael und hob drohend den Zeigefinger. "Nicht in diesem Ton, Madam, ja?".
"Ja... 'tschuldigung.".