Kapitel 8

706 61 10
                                    

„Er hat ihr den Antrag gemacht, schau mal die Bilder", rufe ich zu Sebastian rüber, der im Wohnzimmer sitzt und zockt. Ich scrolle durch die Bilder, die Elaine in unsere Gruppe geschickt hat. Es sieht romantisch aus, das muss ich Ben lassen. Den Antrag hat er am Strand gemacht, mit Fackeln und einem Dinner, welches zum Sonnenuntergang eingenommen wurde. Elaine strahlt über das ganze Gesicht und zusammen sehen sie fantastisch aus. Sebastian hat mir bereits ein paar Dinge erzählt, die Ben geplant hat, da Ben meinen Freund mehrfach um seine Meinung gebeten hat. Anscheinend haben die beiden einen guten Job gemacht, es sieht aus wie bei dem perfekten Antrag einer Fernsehshow. „Ich habe dir doch gesagt, dass er es am heutigen Abend machen wird", ist alles, was mein Freund antwortet und ich runzle die Stirn. Ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Kaffee und erwidere: „Naja schon, aber du wusstest ja wohl kaum, wie es genau aussehen wird und schau, was die beiden anhaben." Ich bekomme keine Antwort und schlendere ins Wohnzimmer hinüber, um zu sehen was los ist. Sebastian hält in der einen Hand sein Handy, in der anderen seinen Controller, sein Blick ist undefinierbar. „Was ist los, Babe?", frage ich und setze mich frech auf seinen Schoß. Er legt seinen Arm um mich, haucht einen Kuss gegen meinen Kiefer und erklärt: „Es ist einfach nur verrückt, dass die beiden sich jetzt wirklich verlobt haben. Chrissi und Mark sind verlobt, Anastasia und Philipp ebenfalls. André und Jonas sind sogar verheiratet. Ich habe das Gefühl, dass sie alle an uns vorbeiziehen." Innerlich seufze ich auf, das Thema ist nicht zum ersten Mal unser Stimmungskiller, meistens bringt Sebastian es auf den Tisch und er ist es, der jedes Mal sauer wird. „Jeder in seinem Tempo, oder?", sage ich gelassen, da ich mir nicht vorschreiben lassen möchte, dass ich mit anderen mitzuhalten habe. „Ja schon", beginnt er, aber ich spüre, wie sich seine Hand an meinem Rücken leicht verkrampft, „Aber ich habe das Gefühl, dich interessiert es eigentlich auch nicht." „Was genau interessiert mich nicht? Ich liebe dich, Sebastian. Ist es nicht das, was am meisten zählt?", kontere ich, da ich die Problematik noch nie ganz verstanden habe. Er betonte immer wieder, der Mann müsse den Antrag machen, bisher ist von seiner Seite aber nichts passiert. Sebastian redet von einem Haus, schafft es aber nicht einmal, mit mir ins Möbelhaus zu gehen und sich für eine Couch zu entscheiden. Erst vor kurzem wollten wir uns endlich einen vernünftigen Kleiderschrank kaufen, er fand keinen gut genug, alle waren zu klein, zu hässlich, zu unpassend. Zum späteren Zeitpunkt hätte ich jeden Schrank genommen, aber er wollte keinen einzigen und er konnte mir auch nicht erklären, nach was er eigentlich Ausschau hielt. Deshalb haben wir aktuell keinen neuen Kleiderschrank. „Ich liebe dich auch", nuschelt er und küsst mich sanft auf den Mund, „Aber wie wäre es, wenn wir uns Mal endlich nach einem Haus umschauen? Das habe ich schon so oft vorgeschlagen, aber du scheinst nicht wirklich Lust darauf zu haben." Ich presse meine Lippen aufeinander zähle innerlich bis 10 und erwidere: „Das hat nichts mit Lust zu tun, Sebastian. Wir wissen nicht einmal, wie wir das neue Auto finanzieren wollen. Haben keine neuen Möbel in dieser Wohnung, in der wir noch gar nicht so lange leben. Wir haben kaum, bis keine Rücklagen und nun sag mir, wie wir uns ein Haus leisten sollen? Wir sind vermutlich nicht einmal kreditwürdig." Sebastian schiebt mich sanft von sich, steht auf und wandert durch unser karges Wohnzimmer. Er schaut sich um, schnaubt und sagt: „Wieso sollten wir eine Wohnung einrichten, in der wir nicht für immer Leben wollen? Ich nehme noch einen Job an, wir legen Geld zurück und meine Eltern würden uns bestimmt auch unterstützen." „Ich möchte aber nicht auf das Geld anderer angewiesen sein, Sebastian. Und ich mag die Wohnung, ich will mich dort wohlfühlen, wo ich wohne. Du etwa nicht?", hake ich nach und versuche einen beschwichtigenden Ton anzuschlagen, „Lass uns doch erstmal nach einer neuen Couch schauen, einem Kleiderschrank... und ein Esszimmertisch wäre klasse, damit wir mit unseren Freunden zum Essen nicht hier um den Couchtisch sitzen müssen." Meine Worte machen meinen beschwichtigenden Ton sinnlos und Sebastian rauft sich die Haare: „Ich fasse es nicht. Ich habe das Gefühl, wir wollen grundlegend verschiedene Dinge." Mein Herz schmerzt bei seinen Worten und ich verstehe nicht, woher diese Worte kommen. Es mag sein, dass ich nicht nach einer gesellschaftlichen Vorstellung leben will, aber ich liebe meinen Freund und will all das mit ihm erleben, was uns glücklich macht. Jedoch verstehe ich nicht, wieso dieses Thema immer wieder zu einem Streitpunkt wird. Kein Geld zu haben, ist doch Argument genug, oder irre ich mich. „Das tat weh", presse ich hervor, schlinge meine Arme um meinen Oberkörper und beobachte, wie sein Körper sich anspannt, „Ich will dich und ich will eine Zukunft mit dir. Ich bin lediglich realistisch und bringe die Fakten auf den Tisch. Was auch immer du mir hier unterstellst, ist nicht fair." Seine Schultern sacken bei meinen Worten nach unten, sein Blick wird weich und er ergreift meine Hände. Ich erwidere den Druck nicht, den er auf meine Finger ausübt, aber ich schaue ihm in die Augen als er entschuldigend nickt und murmelt: „Du hast Recht, das war nicht fair von mir. Du hast jedes Recht verletzt zu sein, es tut mir leid. Es ärgert mich einfach so, dass nichts so läuft, wie ich es mir immer erträumt habe. Du weißt, wie meine Traumvorstellung aussah, aber nicht einen Meilenstein habe ich erreicht." Sebastian hält inne und ich ergreife die Chance, ihm etwas Wind aus den Segeln zu nehmen: „Natürlich. Du hast deinen Abschluss gemacht, Bachelor und Master, hast einen guten Job, Freunde, deine Familie steht hinter dir. Wir haben uns und alles andere kann noch kommen. Es muss doch nicht alles in dem Zeitplan passieren, wie andere ihn abarbeiten, oder?" Wieder drückt er kurz meine Hand, haucht einen Kuss auf meine Fingerkuppen und stimmt mir zu: „Ich lasse mich wohl zu sehr von den anderen beeinflussen, was? Tut mir leid... Es ist einfach das Bild, was meine Eltern mir immer vermittelt haben. Sie waren mit 25 immerhin schon seit zwei Jahren verheiratet, mit 27 haben sie mich bekommen, mit 29 meinen Bruder Lukas. Ich habe das Gefühl sie zu enttäuschen, vor allem wenn meine Freunde dieses Schema fast schon einhalten. Doch du hast Recht und es war nicht fair, ich hoffe, du kannst meine Entschuldigung annehmen... Was hältst du davon, wenn wir morgen den Kleiderschrank kaufen gehen, den du so schön fandest?" Auch wenn mir seine Worte Erleichterung bringen sollten, fühle ich mich ausgelaugt und noch immer verletzt. Ich brauche Zeit für mich, das ist mir schlagartig klar. „Gerne", murmle ich und befreie mich bestimmt, aber langsam aus der Umarmung, „Aber jetzt muss ich erst einmal hier raus. Ich hoffe, du verstehst das. Ist das in Ordnung?" Sebastian schließt für einen Moment die Augen, nickt dann aber und wünscht mir viel Spaß.

Vom Flieder so bunt (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt