Kapitel 24

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„Ich hoffe er genehmigt mir den Antrag", klage ich und blicke an meinem Bildschirm vorbei zu Natalie, die gerade eine Farbe im Pantonefächer raussucht. „Das will ich ihm raten! Was sollte schon dagegensprechen?", sie zieht die Stirn kraus und blättert immer weiter, ohne richtig hinzusehen. Ich beobachte sie eine Weile und schiebe meinen Urlaubsantrag gedanklich beiseite: „Was ist los, Nat? Irgendwas bedrückt dich." Sie sieht endlich auf, klappt den Fächer zu und lehnt sich quietschend zurück: „Robin stand gestern vor meiner Tür, nach vier Monaten will er mir die Welt zu Füßen legen und mich zurück. Kannst du es fassen?" Ich unterdrücke ein Schnauben und denke unweigerlich an Sebastians klägliche Versuche mich umzustimmen, immerhin sind seine mit der Zeit weniger geworden. „Echt jetzt? Was hat er gesagt? Ich dachte er wäre längst über eure Trennung hinweg?", hake ich nach. „Natürlich, ich glaube es lag am Besuch seiner Schwester. Sarah und ich verstehen uns ja immer noch ganz gut, weshalb sie auch gefragt hat, ob wir uns treffen wollen. Sie geht offen mit ihrer Meinung zu unserer Trennung um, vermutlich hat ihn dies dazu veranlasst, nochmal bei mir aufzutauchen. Auch wenn es mir egal ist, beschäftigt es mich trotzdem und das nervt", erklärt sie. „Absolut verständlich, es zieht einen einfach immer wieder zurück in die Vergangenheit und damit hat man eigentlich abgeschlossen. Hast du ihm das nochmal deutlich gesagt?", Ich tippe kurz eine Antwort an eine Kollegin und mustere dann wieder Natalie, die Löcher in die Luft starrt. „Habe ich, ich glaube er hat es auch verstanden. Dennoch ist es einfach nicht fair ständig aus dem neuen Mindset rausgerissen zu werden, nur weil er sich wieder unsicher ist. Warum sind Menschen so?", entnervt beißt sie von ihrem Schokoriegel ab und fährt mit vollem Mund fort, „Apropos Menschen und ihre Eigenarten. Hat Sebastian es seit dem letzten Mal nochmal versucht?" Ich schüttle den Kopf, dankbar über diese Tatsache und erkläre: „Zum Glück nicht, das letzte Mal war unangenehm genug." Ungern denke ich an den Vorfall von vor einem Monat zurück, es war kurz nach Viviens Geburtstag, mitten in der Nacht. Er fing mich nach einem gemeinsamen Abend mit unseren Freunden ab, zu dem er nicht eingeladen war. Nicht nur, dass er mich zu Tode erschreckt hat, auch seine Glaubwürdigkeit hat sehr unter diesem Auftritt gelitten. Was soll ich noch glauben und was nicht? Wie ernst hat er all die Jahre mit mir gemeint und nun mit Rebecca? Wenn ich unsere letzten Aufeinandertreffen beurteilen sollte, weiß er selbst nicht genau was er will. Sebastian hat sich eine Frau gesucht, die er formen kann, die ihm Ablenkung bietet und auch noch all die Dinge will, die er in mir gesucht hat und trotzdem steht er vor meiner Tür und bettelt um Vergebung. Es scheint ihm nicht viel an Rebecca zu liegen, wenn ich Bens Erzählungen Glauben schenken soll. Allerdings ermahne ich mich dazu, nicht zu viel darüber nachzudenken, es ist immerhin nicht mehr mein Kampf.

„Ich hoffe er hat es langsam verstanden, ich habe dafür einfach keine Kraft", gebe ich zu und öffne ein neues Dokument in InDesign. Es muss wieder einmal auf die Schnelle eine Anzeige erstellt werden, Michael hat diese Aufgabe mir zugetragen, was vermutlich seine Art von Bestrafung für meine Kündigung ist. Ich weiß schon jetzt, dass ich heute niemals pünktlich nach Hause komme. Michael möchte die Anzeige unbedingt sehen bevor diese rausgeschickt wird und da er mit keiner meiner Arbeiten zufrieden ist, wird sich das heute noch etwas ziehen. „Die Neue könnte einem fast leidtun, wenn sie nicht so ein Arschloch wäre", achselzuckend widmet Natalie sich wieder ihren Fächern, während ich mir Inspirationen suche, um die Anzeige ansprechend zu gestalten.

Es ist für einige Zeit gespenstisch still in unserem Büro, jede von uns scheint in seinen eigenen Gedanken gefangen zu sein. Man könnte meinen es regelrecht rattern zu hören, aber die Stille ist fast lauter als jedes annehmbare Geräusch. Seufzend schiebe ich die Tastatur von mir, reibe mir die Augen und frage: „Willst du auch einen Kaffee? Ich brauche noch einen." „Ich an deiner Stelle würde die Anzeige heute nicht fertigstellen", erwidert Natalie, so als hätte ich keine Frage gestellt. Meine Braue schnellt nach oben und ich verkneife mir ein amüsiertes Grinsen: „Meinst du, jetzt kann ich mir alles erlauben?" „Du hast gekündigt, was wollen sie dir schon tun? Du bist nicht dazu verpflichtet, für sie Überstunden zu buckeln", nuschelt sie zur Erklärung, steht auf, schnappt sich ihren Kaffeebecher und bedeutet mir mit einem Kopfnicken loszugehen, „Es ist unverschämt dies von dir zu verlangen, ehrlich. Außerdem...bist du heute nicht noch verabredet?" Sie verzieht ihren Mund zu einem schelmischen Grinsen und ich spüre die Röte in meine Wangen schießen. Eilig gehe ich etwas vor, aber Natalie ist schon wieder neben mir und schiebt mich leicht zur Seite, um mir einen erwartungsvollen Blick zuwerfen zu können. „Ja bin ich", raune ich ihr zu und Schmetterlinge durchzucken meinen Körper beim Gedanken an Vivien, „Ich habe ihr schon geschrieben, dass es später werden könnte. Sie war nicht begeistert." „Ich sage ja, du solltest pünktlich gehen. Die Anzeige geht eh erst morgen Abend in den Druck, ich habe schon öfters mit diesem Verlag gearbeitet. Wir können auch nochmal nachfragen, oder ich übernehme?", schlägt Natalie vor. „Michael wird nicht begeistert sein, wenn ich die Aufgabe einfach weitergebe, du kennst ihn doch", antworte ich geknickt und setze fort, „Eigentlich wollten wir einen ruhigen Abend miteinander verbringen, bevor Oliver wiederkommt..." Ich denke an die letzten Wochen zurück, die intensive Zeit, die wir gemeinsam miteinander verbracht haben, um uns noch besser kennenzulernen. Nie hätte ich geglaubt, mich noch mehr in Vivien verlieben zu können und doch stehe ich nun hier und verehre jeden Zentimeter dieser Frau. „Das unausweichliche Gespräch, hm?", fragt Natalie vorsichtig und startet die Kaffeemaschine. Nickend stelle ich meine Tasse ab und meide den Blick meiner guten Freundin, denn sie ist mittlerweile viel zu gut im Lesen meiner Mimik. „Du hast Angst, oder?", erkundigt sie sich, „Angst davor, dass sie sich umentscheiden könnte? Das glaubst du doch selbst nicht, oder?" „Nein, das tue ich nicht", entgegne ich schnell, „Allerdings kann Oliver auch mit den besten Argumenten kommen, oder Erinnerungen hervorrufen, die sie zweifeln lassen. Ach keine Ahnung... Es bereitet mir einfach Bauchschmerzen darüber nachzudenken, was er alles sagen könnte, um sie umzustimmen." „Glaubst du wirklich, er würde sie umstimmen wollen? Hat Vivien nicht davon erzählt, dass er jemanden in Stuttgart kennengelernt hat?", sie zieht ihre volle Tasse fort und ich stelle meine ab, um mir einen Cappuccino zu ziehen. Im Gegensatz zu mir und Sebastian pflegen Vivien und Oliver ein gutes Verhältnis miteinander, sie schreiben manchmal oder telefonieren – selten, aber es kommt vor. Manchmal müssen Dinge besprochen werden, die vor allem den Reiterhof betreffen, denn Oliver hat viel beim Papierkram unterstützt. Ich denke an das, was Vivien zuletzt erzählt hat und der Eindruck ist auch jetzt noch derselbe – sie sind eigentlich getrennt, haben die Pause aber nie wirklich beendet oder den Status verändert, was vermutlich daran liegt, dass sie sich seitdem nicht mehr gesehen haben. Oliver ist viel von der Arbeit unterwegs, kaum noch hier vor Ort, so als ob ihm die Pause ganz gelegen kam. „Ja, er hat sie vor zwei Wochen auf einem Fest eines Arbeitskollegen kennengelernt... und das hat er Vivien auch direkt erzählt", erläutere ich und bewundere insgeheim wie Erwachsen die beiden miteinander umgehen, auch wenn ich noch nicht weiß, wie er auf Vivien und mich reagieren wird... Wenn es dann ein Uns geben wird.

Vom Flieder so bunt (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt