Tag für Tag vergeht und keiner findet ohne einen aussagekräftigen Streit statt. Sebastian und ich streiten immer verbitterter, bis ich am Donnerstag einen Anruf von der Firma Gercher erhalte. Sie laden mich zu einem zweiten Gespräch ein und mein Freund geht regelrecht an die Decke. „Du gehst da nicht hin!", weist er mich an und ich ziehe die Stirn kraus. „Bitte was? Du hast mir nichts zu verbieten, Sebastian. Erst recht nicht, wenn es meine Zukunft betrifft", erwidere ich nüchtern, obwohl mir mein Herz bis zum Hals schlägt, „Wieso kannst du dich nicht für mich freuen? Warum lassen wir den Abend nicht in Ruhe ausklingen und stoßen auf den kleinen Erfolg an? Mir würde es so viel bedeuten, bitte." Das Flehen entweicht mir, ohne es zu wollen. Ich habe keine Ahnung, warum mir so viel daran liegt, den Tag im Guten ausklingen zu lassen, wieso ich unbedingt will, dass er sich für mich freut. Es ist nicht zu viel verlangt, denn ich sehe an den Reaktionen meiner Freunde, wie solch eine Freude aussehen kann. „Bitte, Sebastian. Ich weiß nicht, wo wir falsch abgebogen sind, lass uns versuchen den Reset-Knopf zu drücken und einen schönen Abend verbringen!", die Worte purzeln aus meinem Mund und ich hasse den flehenden Unterton, die Gier nach Harmonie. Ich ahne, woran es liegt und dafür hasse ich mich noch mehr. Vor einer guten halben Stunde scrollte ich durch Instagram, ein neuer Post von Vivien schien mir entgegen, Oliver und sie, verliebt dreinschauend im Garten ihrer Mutter. Ich habe es nicht einmal übers Herz gebracht ihnen einen Like zu geben, die Eifersucht kontrollierte mich vollkommen und das machte mich wiederrum rasend vor Wut. Es gab keinen Grund eifersüchtig zu sein, Vivien konnte posten, was sie wollte. „Reset-Knopf. Wer hat dir denn diese Flausen in den Kopf gesetzt. Du weißt, woran es liegt, geh mit mir zur Bank, wir nehmen einen Kredit auf und kaufen ein Haus. Und alles ist wieder gut", seine Worte ziehen mich augenblicklich herunter und auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich verstehe nicht, wie er mich hintergehen kann und trotzdem davon redet, eine Zukunft mit mir zu wollen. „Ich wollte nie ein Haus, Sebastian. Ich wollte nie die klassische Beziehung – verliebt, verlobt, verheiratet. Wohnung, Haus und Kinder. Das wusstest du aber auch als wir uns kennengelernt haben. Wo kommt das auf einmal alles her? Es liegt doch nicht nur daran, dass unsere Freunde diesen Weg einschlagen, oder?", hake ich nach und versuche ruhig zu bleiben. „Du hast nie gesagt, dass du das nicht möchtest", kontert er und ich schüttle den Kopf. „Oh doch", setze ich an, „Von Anfang an und wie waren deine Worte: Ich finde es toll, dass du nicht wie die anderen bist. Ich brauche dieses verbissene Konstrukt nicht. Oder hast du das nur gesagt, um bei mir zu landen?" Ich sehe ihm an, dass ich ins Schwarze getroffen habe und kann nicht fassen, jahrelang mit einer Lüge gelebt zu haben. „Ich fasse es nicht", nuschle ich und wandere zum Fenster rüber, wo ich eine Weile das Treiben auf der Straße beobachte. Mir geht das Bild von ihm und der blonden Frau nicht mehr aus dem Kopf und ich frage mich, wie ich ihn damit konfrontieren soll. Doch er macht es mir leicht, indem er sagt: „Du fasst es nicht? Du spielst mir doch ständig was vor. Erst schwärmst du von Kindern, bist wundervoll mit dem Kind von Nikolai umgegangen und meintest, all das willst du auch. Ein Haus im Grünen, eine Familie. Im nächsten Moment ist alles scheiße und du hältst mich zum Narren, machst alles schlecht, was in diese Richtung geht. Du nimmst mich und meine Wünsche nicht ernst!" „So wie du meine Wünsche auch nicht ernst nimmst?", ein Unwohlsein breitet sich in mir aus und als ich seinen wütenden Blick sehe, schiebe ich hinterher, „Das hat alles gerade keinen Sinn. Wir werfen mit Anschuldigungen um uns, anstatt uns gegenseitig zu unterstützen." „Ich ertrage dich und deine Vorträge nicht mehr. Ich werde für ein paar Tage bei Leto unterkommen, wenn sich alles etwas beruhigt hat, können wir wieder reden. Vielleicht hat sich das alles etwas zu sehr hochgeschaukelt", er dreht sich von mir weg und vor meinem inneren Auge blitzen all die schönen Moment auf. Unsere Konzertabende, die Spaziergänge durch die Wälder, Abende mit Freunden am See, in der Heimat. Sein Umgang mit mir, wenn ich um meine Eltern trauere. Ihr Todestag ist noch gar nicht so lange her und ich sehne mich nach unserer Intimität, unserem respektvollen Umgang miteinander. Wir haben manchmal so lange gelacht, bis uns die Bäuche weh taten, sind spontan losgefahren, ohne Ziel und Sinn. Haben Abenteuer erlebt, Erlebnisse geteilt und so viel Liebe unter dem Sternenhimmel gemacht, bis uns der Atem fehlte. Und jetzt ist alles anders. Es ist das Ende und ich spüre es nur allzu deutlich.
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Vom Flieder so bunt (gxg)
RomanceLouisa, die von allen nur Lou genannt wird, könnte nicht glücklicher sein. Mit ihrem Freund Sebastian baut sie sich ein gemeinsames Leben auf, entdeckt die Arbeitswelt nach einem partyreichen Studium und plant eine Zukunft, die ihr von der Gesellsch...