Kapitel 31

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Die gemeinsamen Monate mit Vivien fliegen nur so an mir vorbei, das Glück, welches ich verspüre, ist kaum mit Worten zu beschreiben. Jetzt neben ihr zu sitzen und meiner besten Freundin dabei zuzusehen, wie sie den Bund der Ehe schließt, fühlt sich wie ein Traum an. Ich umfasse die Hand meiner Freundin ein wenig fester, sehe wie sich ein noch breiteres Grinsen auf ihr Gesicht schleicht und schaue zufrieden wieder nach vorne. Elaine trägt ein zauberhaftes, weißes und bodenlanges Kleid. Wir haben viele Stunden in vielen verschiedenen Läden verbracht, aber für dieses Kleid hat sich dieser Aufwand gelohnt. Sie sieht aus wie eine Prinzessin, obwohl ich das Kleid als nicht allzu kitschig beschreiben würde. An diesem ist kein Schnickschnack, keine Rüschen oder ähnliches, trotzdem macht es sie zu einer Prinzessin. Elaine stehen Tränen in den Augen und ich hoffe inständig, dass sie noch etwas durchhält, ansonsten ist das ganze Makeup wieder ruiniert. Wir mussten bereits vor der Zeremonie zweimal nachbessern, da sie sehr nah am Wasser gebaut ist und jedes Mal ihr Mascara verlaufen ist. Die Reihen in der Kirche sind gut gefüllt, bisher konnte ich zwar keinen ausgiebigen Blick wagen, da sich dies aus der vordersten Reihe nicht so einfach gestaltet, aber bei ein oder zwei flüchtigen Blicken nach hinten, habe ich kaum einen freien Platz gesehen. Dafür nehme ich nun Ben genauer in Augenschein, dessen Anzug sitzt wie angegossen und das Einstecktuch passt farblich zu Elaines Haarschmuck. Ich vermute hier hatte seine Schwester Rieke die Hände im Spiel, sie ist bei allen Ankleideterminen und auch bei der Zusammenstellung der Accessoires dabei gewesen. Seine Haare trägt er im Sleeklook, Elaines Angst, er könnte eine Dauerwelle tragen oder seine Haare kurzschneiden, sind unbegründet gewesen. Gegebenenfalls habe ich diese Hinweise bei seiner Schwester platziert, die ebenfalls unserer Meinung gewesen ist und Ben dahingehend beeinflusst hat. Dankbar nehme ich seine Frisur zur Kenntnis und entdecke die Halskette, die ihm Elaine vor vielen Jahren zu einen ihrer Jahrestage geschenkt hat. Nun kommen mir fast die Tränen, da alles so durchdacht ist und ich mich unheimlich für meine beste Freundin freue, die auch schon wieder mit sich ringt. Ich versuche mich wieder auf die Rede des Pastors zu konzentrieren, der gerade die Kennenlerngeschichte des zukünftigen Ehepaares zum Besten gibt, um ein Unglück zu verhindern. Ein leichter Druck auf meine Finger erdet mich und die Worte des Pastors erreichen mich wieder in seinem vollen Umfang. Schluckend nehme ich zur Kenntnis, das nun auch über mich geredet wird. Die Geschichte wie sie sich kennengelernt haben, ist und bleibt und Dauerbrenner. Die Blicke meiner Freunde wandern kurz zu mir, ein Lachen geht durch die Kirche und ich nicke ihnen zu, mit einem dicken Kloß im Hals.

Nach einer guten halben Stunde schreitet das frischvermählte Ehepaar den Gang der Kirche hinunter und als ich aufstehe, damit wir ihnen folgen können, kämpfe ich gegen meine wackligen Beine an. Ich umgreife den Arm meiner Freundin, die mir einen liebvollen Blick zuwirft: „Na, auch weiche Beine bekommen?" „Bin etwa nicht nur ich so emotional?", frage ich grinsend und lehne mich sanft gegen sie, „Erst musste ich gegen meine Tränen ankämpfen und jetzt kann ich kaum stehen." „Geht mir genauso", erwidert sie und atmet tief aus, „Ich glaube, diese Hochzeit ist eine der emotionalsten, an denen ich bisher anwesend gewesen bin." „Wirklich?", hake ich nach und wir gehen auf den Ausgang zu, vor dem sich schon die meisten Leute versammelt haben, um das Ehepaar in Empfang zu nehmen. „Es ist die vierte Hochzeit und der Pastor hat das wirklich schön gemacht", erklärt sie mir und ich nicke, „Er hat schöne Anekdoten mit reingebracht, das Ehepaar involviert, das habe ich schon anders erlebt." „Dann haben die beiden großes Glück gehabt", sinniere ich und wir reihen uns hinter Elaines Familie ein, „Ich freue mich so sehr für die beiden." Ich richte meinen Blick auf Elaine, die sich mit ihrer Tante unterhält und nun doch ein, zwei Tränen verdrückt. Ben steht dicht neben ihr, seine Hand auf ihrem unteren Rücken gelegt, sein Daumen streicht stetig auf und ab. Sie sehen so glücklich und erwachsen aus – dabei dachte ich, wir würden für immer 21 bleiben. „Hallo ihr beiden, gut seht ihr aus!", neben Vivien erscheint Olivers Antlitz, der uns lächelnd betrachtet und zunickt. Ich glaube einen Hauch von Trauer in seinen Augen zu erkennen, als er Vivien betrachtet, aber diese Emotion ist genauso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Als wir ihn gerade begrüßen wollen, tritt er einen Schritt zur Seite und gibt die Sicht auf eine hübsche Brünette frei, die uns nervös entgegentritt. Sie lächelt und ihre braunen Augen glänzen im Sonnenlicht, sie sieht Vivien überhaupt nicht ähnlich, entspricht aber doch ihrem Typen, das erkenne ich sofort. „Darf ich euch vorstellen? Das ist Emma, meine Freundin", schiebt er hinterher und ich werfe einen Seitenblick auf Vivien, auf deren Gesicht nichts als wohlwollende Freude zu sehen ist, „Emma? Das ist Vivien und ihre Freundin Louisa." Emma tritt noch einen Schritt vor und erhebt unsicher ihre Hand, welche Vivien eilig ergreift und eifrig schüttelt: „Freut mich dich kennenzulernen, schön, dass ihr es beide geschafft habt zu kommen." Aufgrund einer Arbeitsveranstaltung stand es erst in den Sternen, ob die beiden es überhaupt zu der Hochzeit schaffen würden, allerdings konnte Oliver seinen Chef überzeugen, den Termin zu verschieben und auf das nächste Wochenende zu verlegen. Nun schüttle auch ich die zierliche Hand von Emma, deren Hand kühl in meiner liegt und sage: „Freut mich ebenfalls. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Anreise." „Freut mich ebenfalls und wir standen zum Glück nur einmal im Stau", erwidert sie und fährt sich nervös durch ihr Haar. Ich merke, wie Vivien ein Stück näher an mich heranrückt, unsicher, wie ich mich nun verhalten soll, belasse ich es dabei, ihr eine Stütze zu sein. Niemand hat gesagt, dass es einfach wird, niemals wieder Schmerzen wird, oder diese neue Situation einfach hinzunehmen ist, dennoch bewundere ich Viviens Stärke. Vor allem bewundere ich aber auch Oliver, der sich uns gegenüber verhält, als würde er uns nur das Beste wünschen. Und ich glaube, das tut er wirklich.

Vom Flieder so bunt (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt