Kapitel 21

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Ich umklammere das Geschenk in meinen Händen, als würde mein Leben davon abhängen und stiere bereits seit mehreren Minuten auf den Hof vor mir. Alles ist hell erleuchtet, Lichterketten schmücken den Kiesweg bis zum Bauernhaus. Laternen umrahmen den Garten und hüllen die Szenerie vor mir in ein schummriges Licht. Es ist der 26.Mai, Viviens 36.Geburtstag. Ich habe lange genug ignoriert, dass dieser bald vor der Tür steht und bin noch viel aufgeregter als gedacht. Ich höre die Musik von der Feier zu mir herüberwehen, zudem nehme ich aus den Ställen Geräusche wahr, die mich Lächeln lassen. Was die Pferde wohl denken? Fiori und ich haben uns seit langer Zeit nicht gesehen, ein Monat ohne Reiten liegt hinter mir und ich bereue es jeden Tag. Zuerst lag es an der Trennung von Sebastian und meiner Taktik Vivien aus dem Weg zu gehen, nach unserem Zusammentreffen im Restaurant, mied ich den Hof nur noch wegen Vivien. Selbst jetzt, zwei Wochen später, prickeln noch immer alle Körperglieder, wenn ich an sie denke. Ich bin bis über beide Ohren in diese Frau verliebt und sich das einzugestehen, es auszusprechen, hat mich viel Überwindung gekostet. Natalie und auch Elaine sind fast wahnsinnig mit mir geworden, weil ich so lange versucht habe es zu umschreiben. Ich ringe mit mir und meinen Gefühlen, meinen nächsten Schritten. Ich sollte Vivien meiden, ihrem Verlobten und ihr den Raum lassen, den sie verdienen. Ich möchte nicht wie Sebastian sein, ich will keine Beziehungen zerstören oder sabotieren. Ich schlucke schwer und blicke auf das Geschenk hinab. Meine Hände halten es noch immer fester als nötig, denn sonst würden sie wie Espenlaub zittern. Das Geschenk habe ich bereits seit zwei Monaten im Schrank liegen, nach einem gemeinsamen Ausflug mit ihr wusste ich sofort, was ich ihr schenken will. Jetzt gerade hinterfrage ich meine Wahl, doch nun ist es zu spät. Seufzend gehe ich zwei Schritte vor und bleibe erneut stehen, ich will umdrehen, nach Hause gehen, ihren Geburtstag ignorieren, doch das kann ich nicht bringen. Damit ich meinen Mut nicht verliere, marschiere ich schnellen Schrittes Richtung Haus, vor der Tür verharre ich erneut und taxiere das Klingelschild. Irgendwann steht hier Olivers Nachname und keine zwei verschiedenen mehr. Tränen verschleiern meine Sicht und ich verfluche meine Emotionalität. Was ist nur mit mir passiert?

Die Türglocke ringt in meinen Ohren und voller Nervosität warte ich auf den Buzzer, der mich hineinlässt. Keine drei Sekunden später ist es so weit und mit wackligen Beinen gehe ich die Treppe hinauf, nur um auf der breiten Zwischenstufe in der Mitte stehen zu bleiben, da ich Vivien in der Tür erblicke. Gerade in diesem Moment schaut sie noch nach drinnen, lacht über etwas, aber als sie sich zu mir dreht, bleibt mir regelrecht mein Herz stehen. Ihre lockigen, braunen Haare fallen tanzend um ihr Gesicht herum, an ihren Lippen bleiben ein paar Strähnen hängen und verdecken zum Teil den dunkelroten Lippenstift. Ihre Wangen sind tiefrot, ihre Augen dunkel geschminkt und ihr schwarzes Kleid, mit ellenlangem Schlitz, komplementiert jede ihrer Kurven. Ich merke selbst wie mir der Mund leicht offensteht, ermahne mich, mein Starren nicht allzu deutlich zu zeigen und presse die Lippen aufeinander. „Lou", begrüßt mich Vivien mit strahlenden Augen, „Schön, dass du hier bist. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob du überhaupt noch kommst." Ein Schatten legt sich auf ihr Gesicht, verschwindet aber genauso schnell wie er gekommen ist und sie zieht die Tür ein wenig ran. Ich traue kaum meinen Beinen, befehlige mich aber weiterzugehen und bleibe gut einen Meter von ihr entfernt stehen. „Alles Gute zum Geburtstag, Viv", ich tue mich schwer wie ein normaler Mensch zu handeln und erst als Vivien einen Schritt auf mich zumacht, schließe ich sie in meine Arme, „Ich habe doch ein Geschenk für dich und für kein Geld der Welt, würde ich deinen Geburtstag verpassen. Das weißt du doch." Viviens Lächeln an meinem Gesicht ist breit und während ich sie in meinen Armen halte, nimmt mich ihr Duft vollends ein. Ihr blumiges Parfüm setzt mich unter Strom und kombiniert mit ihrem duftenden Shampoo, pulsiert alles in mir. Verträumt beiße ich mir auf die Lippe und lächle als Vivien erwidert: „Danke dir, Lou. Du hättest auch ohne Geschenk kommen dürfen, dein Besuch ist mehr als genug." Meine Fingerspitzen umfassen ihre Hüfte unbewusst ein wenig fester, was zur Folge hat, dass sich unsere Hüften berühren und ich jeden Millimeter von ihr an mir spüre. „Du siehst gut aus", rutscht es mir raus und Viviens Hand wandert ein Stück weiter nach rechts. „Danke dir...", murmelt sie in mein Haar und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, „Das kann ich nur zurückgeben. Das Kleid steht dir ausgezeichnet." Ich lächle in mich hinein und danke Elaine innerlich dafür, mich beim Kauf beraten zu haben. Nicht, dass ich dieses Kleid erst seit einigen Tagen mein Eigen nennen darf. „Danke", erwidere ich und als sich von drinnen Schritte nähern, lösen wir uns voneinander, „Dann will ich mal deine langweilige Party crashen, was?" Lachend treten wir ein und werden von einer Schar von Menschen verschluckt.

Vom Flieder so bunt (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt