Kapitel 29

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„Und ihr könnt sicher beide an dem Samstag?", fragt Elaine uns zum wiederholten Male, während sie an ihrem Cocktail nippt. Vivien nickt eifrig, da ihr Mund gerade voll mit Essen ist, während ich erwidere: „Das haben wir dir doch schon vor zwei Wochen gesagt. Ist da etwa jemand nervös?" Stichelnd schiebe ich mich gegen sie und ernte einen erbosten Blick, den sie allerdings nicht lange halten kann. „Wer wäre da nicht nervös, hm?", springt Vivien ihr zur Seite und ich seufze laut. „Jetzt lass sie mich doch aufziehen, sie ärgert mich jedes Mal, wenn ich ein nervöses Wrack bin!", sage ich und nehme mir noch ein bisschen Salat vom Vorspeisenteller. „Ist ja gut, du hast ja Recht!", lacht Elaine, „Aber so ein Hochzeitskleid ist eben eine große Sache und ich will euch dabeihaben." Ich erinnere mich gut an den Moment zurück, als sie mich fragte, ob es in Ordnung ist, wenn Vivien auch bei der Kleiderprobe dabei ist. Allein diese Frage hat sie so nervös gemacht, dass ich nur ahnen kann, wie sie sich gerade fühlt. „Es ist uns eine Ehre dabei sein zu dürfen", erinnere ich sie und klopfe ihr kurz auf die Schulter, „Für den Samstag ist ein Laden vorgesehen, oder?" „Ja, genau, der Große hier in der Stadt. Eine Woche später ist der Termin im Nachbarsort, dort wo Jolene ihr Kleid gefunden hat", erläutert sie und ich mache mir eine mentale Notiz, die ich vermutlich nicht brauchen werde, da Vivien bereits eifrig etwas in ihr Handy tippt. „Ich bin sehr gespannt", schaltet sich Vivien wieder ein, „Vor allem auch, welcher Stil dir gefällt, oder hast du schon eine Präferenz?" „Jedenfalls keine Rüschen", falle ich mit der Tür ins Haus und wir Frauen am Tisch lachen laut auf. Wir ernten einen neugierigen Blick von Ben und zwei seiner Freunde, die heute ebenfalls ein Teil dieser Runde sind. Oliver konnte nicht mit dabei sein, da er bei einem Kunden in der Schweiz ist. Sebastian wurde irgendwann nicht mehr eingeladen, was ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge zur Kenntnis genommen habe. Ich weiß, dass die beiden noch immer befreundet sind und sich treffen, Ben aber darauf verzichtet, ihn zu solchen Abenden einzuladen, seitdem Sebastian damals einfach mit Rebecca aufgetaucht war. Eine Wiederholung dieser Aktion brauche ich nicht, obwohl sich seitdem viel verändert hat. Unweigerlich stelle ich mir die Frage, wie ich heutzutage reagiert hätte, wohlwissend, dass ich Vivien an meiner Seite habe. „Das ist nicht für eure Ohren bestimmt", trällert Vivien und kommt kurz darauf näher, „Immer eine schlechte Idee in der Anwesenheit des Zukünftigen über sowas zu reden." „Ach, ich glaube, eigentlich ist es ihm egal was ich trage. Hauptsache ich heirate ihn", witzelt meine beste Freundin und wieder lachen wir laut auf. Nun überwiegt die Neugier von Ben und er fragt: „Über was redet ihr denn Witziges? Lasst uns teilhaben!" „Sorry, Ben. Frauengespräche", rufe ich rüber und ernte ein Augenrollen, „Du wirst es irgendwann erfahren." Ich zwinkere ihm zu und er versteht, worum es geht, er fährt sich mit einer Hand durchs Haar und antwortet: „Etwa, wenn ich mit Elaine vorm Altar stehe?" Er wackelt mit den Augenbrauen und widmet sich wieder seinen Freunden, als wir ihm nur einen Daumen nach oben als Antwort schenken.

„Wie war eigentlich euer Trip? Die Bilder sahen traumhaft aus", wechselt Elaine das Thema und reicht uns das Brot rüber, was gerade wieder aufgefüllt wurde. „Bergen aan Zee ist eine tolle Stadt, ich bin froh, dass Lou mir diesen Ort gezeigt hat. Ich denke, wir waren nicht ein letztes Mal dort", kommt Vivien mir zuvor und es macht mich unendlich glücklich, das von ihr zu hören, „Und schau mal, was sie mir geschenkt hat!" Vivien holt das Medaillon hervor, öffnet die kleine Verriegelung und Elaine beugt sich zu ihr vor. Sie pfeift leise und bedenkt uns mit einem verträumten Blick: „Wie schön und das Bild liebe ich, dabei seid ihr da noch nicht einmal zusammen gewesen!" Ich zucke mit den Achseln: „Stimmt, aber ändert wohl nichts daran, wie es schon innen drin bei uns ausgesehen hat, auch wenn es so viele Monate zuvor gewesen ist. Warum sonst haben wir so um die Wette gestrahlt." „Das ist richtig", Elaine nickt und Vivien lässt das Medaillon unter ihrer Bluse verschwinden, „Seid ihr mit diesem Foto nun auch Instagram Official?" Die Diskussion, ob Vivien das Foto im Medaillon posten soll, ist mir noch mehr als präsent im Kopf und ich lasse Vivien den Vortritt. Es ist ihr Konto und ihr Post. „Kann man so sagen, was?", verlegen streicht sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr, „Ich habe so lange damit gewartet, weil ich es den Personen, die mir am Herzen liegen, erst persönlich erzählen wollte." „Hast du es endlich deiner besten Freundin Mia erzählen können?", aufgeregt klatscht sie leicht in die Hände und rückt etwas näher, um alles mitzubekommen. „Ja, sie war wieder in der Stadt und die Chance habe ich mir nicht entgehen lassen. Sie hat allerdings schon am Telefon versucht mich auszuquetschen, bereits seit meiner Geburtstagsfeier", erzählt Vivien und nun höre auch ich aufmerksam zu, „Sie meinte zu mir, wir beide hätten beim Anschauen so viele Funken versprüht, dass die Anziehung zwischen uns kaum zu leugnen war. Dennoch hatte sie Bedenken, sie kennt Oliver ja auch seit Ewigkeiten..." Aufmunternd drücke ich ihre Hand, sie soll wissen, dass es okay ist, wenn sie davon erzählt. „Sie hat uns eben auch vorm Altar gesehen, deswegen war ich so nervös vor ihrer Reaktion", setzt sie ihre Erzählung fort und ihr Daumen streichelt sanft meinen Zeigefinger, „Wir haben viel geredet, bis in die Nacht. Ich habe mich gefühlt wie in einem Kreuzverhör!", Vivien lacht, doch ich weiß, wie sehr ihr das Gespräch zugesetzt hat, „Jetzt ist alles gut, die beiden haben sich auch schon kennengelernt." Nickend füge ich hinzu: „Ich glaube, sie findet mich okay." „Mehr als okay", belehrt mich Vivien und küsst mich auf die Wange, „Sie braucht mit neuen Menschen nur immer etwas Zeit, um warm zu werden." „Ist schon okay", beruhige ich sie, „Auch ich habe ihr Rede und Antwort gestanden, als du in der Küche warst." Beunruhigt zieht Vivien die Augen nach oben, doch ich bedeutet ihr, das Thema für diesen Moment fallen zu lassen. „Sind die Männer wohl bereit, heute Abend zu verlieren?", frage ich stattdessen und der Tisch verfällt in ein angenehmes Geplänkel.

Vom Flieder so bunt (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt