Die Tonleiter zur Liebe ᵖᵃʳᵗ ˡᵛ - Jeonglix

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POV. Felix

„Du bist spät dran", kommt es von dem Kartenverkäufer, als ich gerade noch in das Opernhaus sause. Heute musste ich länger in der Schule bleiben und dann zu Hause auch noch für eine Klausur üben, die morgen ansteht. Unter all dem hatte ich die Zeit etwas aus den Augen verloren und war daher nun sehr knapp dran. „Ich weiß. Heute war so viel los", meine ich außer Atem und fahre mir etwas gestresst durch die Haare. Diese wollte ich eigentlich noch waschen bevor ich herkomme, doch hat die Zeit gefehlt, weshalb Trockenshampoo herhalten musste. Der Verkäufer lächelt mich noch immer nett an. „Kein Problem. Du hast es ja gerade noch geschafft. Wenn du jetzt nicht noch aufs Klo musst, musst du nicht einmal die Treppen nach oben rennen", sagt er und ich bin ihm dankbar, dass er so nett ist. Da ich jeden Mittwoch herkomme, kannte mich das Personal bereits und mit einigen, wie dem Kartenverkäufer habe ich mir ein gutes Verhältnis aufgebaut.

Inzwischen winkt er mich durch und wendet sich dann an einen Kunden, der hinter mir noch aufgetaucht ist. Dabei dachte ich, dass ich der Letzte wäre. Doch schenke ich ihm nicht viel Aufmerksamkeit und gehe stattdessen die Treppen nach oben, zu meinem Balkon. Den Weg kenne ich schon genauso gut, wie den von meinem Zimmer zum Kühlschrank. Ich setze mich gerade hin, als das Licht ausgeschaltet wird. Alle werden leise und der Vorhang wird aufgezogen. Ich schließe meine Augen und lasse den ganzen Stress von dem heutigen Tag von meinem Schultern gleiten. Als dann der erste Ton am Klavier gespielt wird, will ich lächeln, doch stocke ich. Irgendetwas stimmt nicht. Ich richte mich wieder auf und schaue von meinem Balkon auf die Bühne. Dort sitzt ein etwas älterer Mann an dem Klavier. Einige graue Strähnen haben sich in seine schwarzen Haare geschlichen, doch da sie nach hinten gegelt sind, wirkt er unglaublich streng. Das ist nicht Yang Jeongin. Das ist nicht der schöne junge Mann, weshalb ich so regelmäßig komme. Ich greife nach dem Programmheft und schlage es auf. Park Linho. Das ist er tatsächlich nicht. Ungläubig schaue ich auf die Bühne. Wo ist Jeongin? Spielt er nun an einem anderen Tag? Oder hat er womöglich gekündigt? Vielleicht wurde ihm ja auch die Hand von einem Hai abgebissen?

Ich male mir die unterschiedlichsten Szenarien aus, warum nun ein anderer Pianist auf der Bühne sitzt und spielt, als es leise an der Tür klopft. Etwas verwirrt schaue ich sie an. Meine Eltern waren nicht in der Stadt. Wer ist es also? Ich lege das Programmheft weg und stehe auf. Statt einfach nur die Tür zu öffnen, oder ‚Herein' zu sagen, schlüpfe ich durch einen kleinen Spalt nach draußen. Ich will niemanden stören, weshalb ich lieber mit dem Fremden vor der Tür rede. Doch ganz so fremd ist mir die Person nicht. Vor mir steht Yang Jeongin mit seinen unglaublich weich aussehenden schwarzen Haaren und dem schönen Anzug, den er sonst auf der Bühne trägt. „Lerry, vom Kartenverkauf, hat mich zu ihnen geschickt, da er meinte, sie wären jede Woche hier und ich könnte mich sicherlich zu ihnen setzten." Ich blinzle ein, zweimal und schaue ihn aus großen Augen an. Das ist doch sicherlich ein Traum? Anders kann ich mir das ganze nicht erklären. „Oh entschuldigen sie", kommt es nun von Jeongin, welcher sich verbeugt. „Wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Ich bin Yang Jeongin. Ich bin sonst immer der Pianist, der am Klavier spielt, doch durch eine Handverletzung kann ich nicht spielen." Jetzt verstehe ich, warum er nicht auf der Bühne ist. Er kann nicht spielen. Es ist wie, wenn sich ein Tänzer am Fuß verletzt und einige Wochen nicht Tanzen kann. „Ich wollte mir das heutige Stück anschauen, doch gibt es keine Plätze mehr für das Personal. Lerry hat aber gemeint, dass ich bei ihnen mein Glück versuchen kann, da sie immer sehr nett sind." Er lächelt mich an und ich glaube, dass meine Beine sich in Wackelpudding verwandeln. Es zeigen sich Grübchen auf seinen Wangen, was ihn unglaublich süß aussehen lässt. „J-Ja klar!", bringe ich schließlich stotternd hervor, was nur dafür sorgt, dass das Lächeln noch breiter wird. „Vielen Dank. Das ist unglaublich nett von ihnen."

„Felix", sage ich plötzlich. Jeongin schaut mich etwas verwirrt an. Ich könnte mir dafür selber auf die Stirn schlagen. Warum sage ich auch noch so etwas ohne Zusammenhang? „Du kannst mich Felix nennen. Du musst mich nicht siezen", vervollständige ich schließlich meinen Satz. Nun lächelt mein Gegenüber wieder. „Es freut mich Felix", er hält mir seine Hand hin. Ich versuche in einer unauffälligen Bewegung eine Hand noch an meiner Hose abzuwischen, ehe ich sie ihm reiche. Immerhin will ich ihm keine schwitzige Hand geben.

Seine Finger in meinen sind unglaublich weich. Als ich auf unseren Händen schaue, kann ich sehen, dass seine Finger wesentlich größer und zarter sind als meine. Daneben sehen meine aus, als hätte ich dicke Kinderhände. Gerne würde ich seine Hand noch länger halten und sie mir genau anschauen, doch würde das mehr als komisch kommen. Daher lasse ich die Hand schließlich los und drehe mich wieder zu der Tür um. Ich gehe wieder in die Konzerthalle und Jeongin folgt mir. Das Orchester ist bereits dabei, zu dem Höhepunkt in dem Lied zu kommen. Wir setzten uns still hin und hören weiter zu. Ich kann es nicht lassen, dass mein Blick immer wieder zu Jeongin schweift. Dieser schaut mit gespanntem Blick nach unten auf die Bühne. Bei genauerem Hinschauen fällt mir auf, dass seine linke Hand in eine Schiene gepackt ist. Die Finger der rechten Hand hingegen zucken immer wieder, wenn der Pianist zu einem Höhepunkt kommt. Es ist sicherlich schwer für ihn nur zuzuschauen und nicht selber zu spielen. Als die Klänge langsam verstummen und die Notenblätter getauscht werden, schaut mich Jeongin mit einem Lächeln an. „Nun kommt mein liebstes Stück", flüstert er. Ich erwidere sein Lächeln. Sagen tue ich allerdings nichts, da der Dirigent auch schon das Stück anspielt. Ich kann sehen, wie Jeongin seine gesunde Hand auf seinem Knie abgelegt hat und diese dort bewegt, wie als würde er dort unten am Klavier sitzen. Ihn zu beobachten, weckt in mir den Wunsch aufzustehen und mich von der Musik leiten lassen und zu tanzen. Doch lasse ich es.

Nachdem dann das letzte Lied geendet hat, beginnen alle zu klatschen. Auch wir klatschen und dann wird auch schon der Vorhang geschlossen und die Lichter gehen wieder an. Schließlich sagt Jeongin, „Danke, dass du mich hier bei dir sitzen lassen hast, Felix." Ich werde etwas rot um die Nase. Nie hätte ich gedacht, dass der junge Pianist je meinen Namen sagen würde. „Wenn du willst, darfst du mir nächste Woche gerne wieder Gesellschaft leisten."

Stray Kids OneShots ᵇᵒʸˣᵇᵒʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt