Schachfiguren

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Treffe mich draußen.

Dreist von dir, anzunehmen, dass ich nicht anderweitig beschäftigt bin.

Sei nicht so ein Klugscheißer, Malfoy. Bist du wirklich so vertieft in Haml

Seine Antwort unterbrach sie, bevor sie überhaupt zu Ende schreiben konnte:

Ich werde da sein.

Er sah nicht besonders erfreut aus, sie zu sehen, blonde Haare so kalt und weiß wie die Wintersonne, schwarzer Mantel bis zum Kinn zugeknöpft, grüner Schal fest um den Hals gewickelt. Er zog eine Grimasse, als er in ihre Nähe kam. „Was willst du?"

Hermine kniff die Lippen zusammen und blickte ihn an. „Bist du heute nicht gut drauf?"

„Shakespeares Tragödien heitern mich nicht gerade auf.", antwortete Draco. Er hielt inne. „Ich glaube sogar, dass mit mir etwas nicht stimmen müsste, wenn sie das täten."

Trotz ihrer leichten Verärgerung lachte Hermine. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Blick weich wurde, als sie ihn ansah, und sie wusste, dass er es bemerkte, weil sich eine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildete.

Er räusperte sich. „Was wolltest du eigentlich?"

Hermine blinzelte. „Oh.", sagte sie. „Ja. Das. Ich möchte, dass du den Umhang wieder trägst."

Draco hob eine Augenbraue.

„Oh? Und wo genau willst du mich hinbringen?"

„An einen Ort, der dir gut tun wird.", antwortete sie und fügte fast beiläufig hinzu: „Ob es dir gefällt oder nicht."

Dracos Stirnrunzeln vertiefte sich, aber er folgte ihr ins Innere des Schlosses zu einer kleinen Nische, wo sie den Umhang aus ihrer Tasche holen und ihm reichen konnte. Hermine prägte sich sein Gesicht ein, bevor er verschwand; es gefiel ihr nicht, wenn sie ihn nicht sehen konnte.

Er räusperte sich, als er vollständig verborgen war.

„Dann lass uns gehen.", sagte sie.

Sie gingen schweigend nebeneinander her, was Hermine jedoch nicht sonderlich störte. Draco nach ihrem Treffen mit Harry und Ron zu sehen, war seltsam gewesen. Ihr fielen Dinge auf, die sie vorher nicht bemerkt hatte: die Farbe seiner Augen, die mehr an Eis als an Rons Himmelblau erinnerten, wie kantig seine Wangenknochen und sein Kinn war, die Helligkeit seiner Augenbrauen, die Feinheit seiner Haare im Vergleich zu Harrys dicken Locken. Er war ungefähr so groß wie Ron, aber er war schlank, wo Ron schlaksig war, gelassen, wo Ron vielleicht ungeschickt war. Hermine fiel auch die Art auf, wie er sie ansah, nicht sanft wie Harry, nicht mit den Falten an den Augen wie Ron, sondern stetig, als wäre sie ein Puzzle, das er gerne zusammensetzen würde.

„Du entführst mich doch nicht, oder, Granger?", fragte Draco. Hermine zuckte zusammen und drehte sich zu ihm um, bevor sie merkte, dass sie ihn nicht sehen konnte.

Sie schnaubte und schob sich die Haare aus dem Gesicht. Der Wind war genauso heftig wie am Morgen, was ein Glück für sie war; ihre Worte wurden vom Wind verschluckt. „Irgendwie glaube ich nicht, dass das einem von uns beiden bei deinem Prozess helfen würde."

Daraufhin wurde er wieder still und Hermine streckte blind die Hand nach ihm aus. Draco nahm sie in seine und sie drückte sie.

Sie machten sich schnell auf den Weg nach Hogsmeade und trotz der Kälte spürte Hermine, wie ihre Wangen und ihr Hals rot wurden, als sie sich an das letzte Mal erinnerte, als sie hier gewesen waren. Sie wünschte, sie hätten für immer in diesem Moment bleiben können. Ihr Gespräch mit Harry und Ron vor einer Stunde gab ihr mehr denn je das Gefühl, dass die Zeit bis zu Dracos Tag der Abrechnung ablief. Sie konnte nur eine Reihe von Gebeten in ihrem Kopf aufsagen, dass er bereit sein würde, sich von Harry und Ron helfen zu lassen. Sie konnte nicht zulassen, dass er das bisschen Lebenswillen verlor, das er noch in sich hatte.

Wanderer deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt