Schwarz-Weiß

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Mai

Selbst wenn Hermine nie wieder in ihrem Leben einen Fuß in die Gerichtssäle des Ministeriums setzen würde, wäre es noch zu früh.

Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft in ihrer Brust zusammen, ihre Kehle wurde trocken. Die hohe Decke des Atriums wirkte immer noch erdrückend und einengend, und das Zaubergamot saß der Mitte zugewandt da, ein Meer aus verschlossenen und düsteren Gesichtern, deren purpurne Roben und eckige Hüte sie an die letzte Verhandlung, bei der sie dabei gewesen ist, erinnerten, und ihr Herz noch schneller schlagen ließen. Wie aufs Stichwort wanderte Hermines Blick an ihnen vorbei zu dem Stuhl in der Mitte des Raumes.

Narcissa Malfoy sah noch schlimmer aus als bei ihrem Besuch im St. Mungos, ihre Haare waren stumpf und blassgelb, ihre gebrechlichen Hände ruhten auf den Armlehnen, aber sie saß aufrecht im Stuhl, und ihre langen, schlanken Finger waren immer noch mit Ringen geschmückt, und obwohl Hermine ihr Gesicht von ihrem Platz aus nicht sehen konnte, entdeckte sie die Heiler an der Seite des Raumes und dankte jedem Gott, der ihr zuhörte, für Harry. Er hatte ihr nur einen Tag nach seiner ersten Antwort eine zweite Eule geschickt, in der er ihr mitgeteilt hatte, dass Narcissa Malfoys Urteil angesichts ihres Gesundheitszustands und neuer Beweise noch einmal überprüft werden sollte.

Hermine hatte Draco noch nie so hoffnungsvoll gesehen, ein Glitzern in seinen grauen Augen, aber er hatte nur genickt, schwer geschluckt und zitternd die Lippen zusammengepresst. „Immer der Heilige Potter.", hatte er gesagt. Er war nicht bei der Verhandlung. Er durfte Hogwarts nicht verlassen. Hermine hatte ihn im Raum der Wünsche zurückgelassen, wo er so getan hatte, als würde er lesen, wobei er ab und zu die Seite umblätterte, obwohl sie sehen konnte, dass seine Augen auf einen einzigen Punkt fixiert blieben. Sie hatte seine Hand halten und ihm sagen wollen, dass alles gut werden würde, dass er Harry vertrauen könne, aber jedes Wort war ihr im Hals stecken geblieben und so hatte sie geschwiegen, ihn dort zurückgelassen und sich gezwungen, nach vorne zu schauen, obwohl sie eigentlich nur zurückschauen wollte. Dracos Augen waren ihr gefolgt, bis sie verschwunden war. Sie hatte sie gespürt.

Hermine rutschte in ihrem Sitz hin und her und kaute auf ihrem Fingernagel. Heute war sie allein. Ron konnte sich nicht freinehmen, aber sie wünschte sich verzweifelt, er wäre da, um ihr schlecht getimte Witze ins Ohr zu flüstern, damit sich nicht alles so furchtbar pessimistisch anfühlte.

Es hatte mehr Anschuldigungen gegen Draco gegeben, aber Draco war ein Kind. Er hatte nicht schon sechs Monate in Askaban verbracht.

Schließlich stand die Oberste Hexenmeisterin auf. Hermines Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin.

„Narcissa Malfoy.", hallte ihre verstärkte Stimme durch den Raum. „Ihr Urteil wird aufgrund neuer Beweise, die dem Zaubergamot zur Kenntnis gebracht wurden, überprüft. Sie haben die in Ihrem ersten Prozess verhängte Strafe in Askaban vollstreckt, wurden aber vor kurzem wegen eines gesundheitlichen Problems nach St. Mungos verlegt, um dort behandelt zu werden. Ist diese Information korrekt?"

Der Kopf der Malfoy-Matriarchin neigte sich zu einem leichten Nicken. Ihre Stimme war kehlig, tief und leise. Sie zitterte nicht, und wirkte auch nicht unsicher. Sie schwankte mit dem sanften Tonfall einer Aristokratin. „Ja, das ist richtig."

„Es gibt nur einen Zeugen für die heutige Verhandlung.", fuhr die Oberste Hexenmeisterin fort, während sie ihre Papiere überprüfte. „Ich glaube nicht, dass das viel Zeit in Anspruch nehmen wird, aber besagter Zeuge hat die Tendenz, uns zu beschäftigen, also sollten wir so schnell wie möglich beginnen."

Hermine schwor, dass sie den Mundwinkel von Ottaline Warbeck zucken sah, bevor die Frau sich räusperte, den Kopf hob und sagte: „Bringt den Zeugen herein."

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