Wann ist alles schiefgegangen?

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April

Der Raum war still, als sie eintrat; das Feuer war aus, Schatten fielen über die Sofas. Hermine ließ ihre Tasche auf den Boden fallen und suchte mit den Augen nach einem Zeichen, dass er hier sein könnte. Er war ihr aus irgendeinem Grund aus dem Weg gegangen. Sie war sich allerdings nicht sicher, ob es an ihr lag oder an der Alltäglichkeit des Lebens, die ihn daran erinnerte, wie zerbrechlich und vergänglich seine Mutter im Vergleich dazu war.

„Draco?"

Aus dem hinteren Teil des Zimmers ertönte ein Geräusch, und als Hermine sich auf den Weg dorthin machte, sah sie, wie das Licht an der Decke tanzte und sich unter den Bücherregalen sammelte. Sie bog um die Ecke und fand ihn auf dem Boden sitzend, den Zauberstab neben sich in der Hand. Er hatte seine Robe abgestreift und die Ärmel hochgekrempelt; die Knöpfe seines Hemdes waren unordentlich geknöpft. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und seine Haut war glasig und blass. Er sah nicht aus, als hätte er geschlafen. Um ihn herum stapelten sich Bücher, einige aufgeschlagen, andere hingelegt, offen mit dem Buchrücken nach oben, um bestimmte Seiten zu markieren. Hermine verzog das Gesciht, sagte aber nichts. Sie versuchte, einen Blick auf die Titel zu werfen, ohne dass es auffiel, und ließ sich ihm gegenüber nieder.

„Hast du heute schon etwas gegessen?"

Draco leckte sich über die Lippen, sein Blick huschte zu ihr und wieder zurück zu dem Buch in seinem Schoß. Hermine seufzte.

„Du musst essen.", sagte sie. „Du bist zu nichts nütze, wenn du ausgehungert und erschöpft bist."

Hermine –" Seine Stimme war angespannt und der Klang ihres Namens auf seinen Lippen war so selten, dass sie innehielt. Draco sah sie an. Seine Augen waren blutunterlaufen. Hermine öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er schüttelte den Kopf.

„Es ist dieser Ort.", murmelte er. „Es ist dieser Ort, der sie tötet. Wenn ich... wenn ich sie da rausholen kann. Wenn ich beweisen kann –"

„Wenn du was beweisen kannst?", fragte Hermine und beugte sich vor. Sein ganzer Körper verkrampfte sich. „Du bist der Einzige, der weiß, was passiert ist, was sie getan oder nicht getan hat. Draco, du musst es mir sagen. Nur so kann ich dir helfen."

Er schüttelte erneut den Kopf und presste die Fäuste auf seine Augen. Seine Brust hob sich.

Hermine kaute auf ihrer Lippe und wandte den Blick ab. Sie nahm eines der Bücher von dem ungeöffneten Stapel und legte es auf ihre Knie, wobei sie seinen warmen Blick ignorierte, als er sie ansah. In dem Buch ging es um Zauberrecht, und sie fuhr mit dem Finger über den Inhalt, um herauszufinden, mit welchem Kapitel sie beginnen sollte, und hielt inne, als sie bei Krieg ankam.

„Draco.", begann sie. Sie zwang sich, ihn anzuschauen. „Was hat deine Mutter im Krieg gemacht?"

Wieder schüttelte er den Kopf, dieses Mal heftiger. „Sie ist wegen Beihilfe eingesperrt. Sie hat nie jemanden umgebracht, aber – aber sie war bei einem großen Teil davon dabei. Es war ihr Haus. Sie konnte nicht entkommen. Ich durfte bei der Verhandlung nicht dabei sein, also weiß ich nicht, welche anderen juristischen Details sie ihr vorgeworfen haben, aber das Zaubergamot war bis zum Schluss unentschlossen."

„Warum?"

Er schenkte ihr ein bitteres Lächeln. „Sie hat kein Mal. Sie hatte nie eines. Es ist schwer, jemanden als Todesser zu überführen, wenn derjenige das Mitgliedschaftszeichen nicht vorweisen kann."

Hermine presste ihre Lippen zusammen. „Wann hast du deins bekommen?"

Draco bewegte sich, seine Kehle spannte sich sichtlich an und Hermine wollte die Frage zurücknehmen. Sie sagte schnell: „Im Sommer vor unserem sechsten Schuljahr sind wir dir in die Nokturngasse gefolgt. Harry hat gedacht, du hättest etwas vor –"

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