Kapitel 9

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„Du bist was?", rief ich aus, während mit die Kinnlade runterklappte. Sophia sah mich unsicher an und legte vorsichtig eine Hand auf ihren Bauch. „Ich... Ich bin schwanger." Sie warf mir kurz einen erwartungsvollen Blick zu, auf den ich aber nicht reagieren konnte, denn ich war wie gelähmt.

„Aber du hast doch dieses Ding da in dir drin?", brabbelte ich vor mich hin, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Sophia nickte und streichelte sanft über ihren Bauch. „Ich... Ich habe mir vor drei Monaten eine neue Spirale einsetzen lassen", schluchzte sie, bevor sie sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht wischte.

„Es kann sein, dass sie verrutscht ist", erklärte sie mir leise. Ich hörte, wie meine Verlobte schluckte, bevor sie langsam weiterredete. „Mir... Mir war in den letzten Wochen immer übel. Ich musste nur Kaffee riechen, da habe ich mir schon die Seele aus dem Leib gekotzt", gestand sie mit zitternder Stimme. „Ich dachte immer, mir wäre deshalb so übel, weil ich trotz meiner Lactoseintolleranz jeden Morgen einen Joghurt mit Früchten gegessen habe. Du weißt, ich kann nicht ohne." Das wusste ich wirklich. Und ich wusste auch, dass ich das alles gar nicht mitbekommen hatte, da ich morgens immer früh zur Arbeit gegangen war. Früher als sonst, da ich mehr trainierte als sonst. Es war im Gespräch, mich als Stammspieler in den Kader der Nationalmannschaft aufzunehmen, da musste ich mein Bestes geben. Und härter trainieren als jemals zuvor. Ich wollte für Deutschland jedes Spiel mind. 90 min auf dem Platz stehen.

Unaufhaltsam liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich streckte vorsichtig meinen Arm aus und legte sanft meine Hand auf ihre Wange, um ihr mit dem Daumen die Tränen wegzustreichen. Sophia blinzelte und rang sich ein trauriges Lächeln ab. „Mein Arzt hat gesagt, ich solle einen Test machen, da sie keinen Termin mehr frei hatten. Also bin ich vorhin zur Apotheke. Und alle fünf Tests waren positiv."

Sie holte tief Luft, während ich meinen Blick von ihrem Gesicht zu ihrem Bauch wandern ließ. Ich konnte nicht begreifen, was sie mir gerade offenbart hatte. Langsam hob ich meine Hand von ihrer Wange und legte sie vorsichtig auf ihren flachen Bauch. „Es tut mir so leid,Kai. So leid." Verwirrt zog ich schnell meine Hand wieder weg. „Was tut dir leid?" Ich schluckte, denn dieses Schuldbewusstsein konnte ja nur eines bedeuten. Das Kind war nicht von mir.

„Ich weiß, dass du noch keine Kinder wolltest. Ich bin doch selbst noch nicht bereit dafür. Es tut mir so leid." Mit dieser Entschuldigung hätte ich nicht gerechnet, doch nun war ich noch viel verwirrter als zuvor. „Also... Also werde ich Vater?", fragte ich, denn mein Gehirn schien all die Informationen noch immer nicht verarbeiten zu können. Alles, was ich wusste war, dass da Leben in ihr heranwuchs.

„Ja, du wirst Vater, Kai. Wir werden Eltern", bestätigte Sophia, während ihr noch immer Tränen in Sturzbächen über die Wangen flossen. Auch ich spürte, wie langsam ein paar Tränen meine Wangen benetzten. Ich rutschte von dem Sofa herunter, kniete mich vor meiner Freundin auf den Boden und legte langsam beide Hände auf ihren Bauch. „Mein Kind", hauchte ich, bevor ich meinen Blick abwandte und meiner Verlobten wieder in die Augen sah. Diese nickte ein paar Mal, während sie mich mit einem hoffnungsvollen Blick bedachte.

Erst da wurde mir bewusst, was das wirklich alles zu bedeuten hatte. Sophia war schwanger. Wir würden zusammen ein Kind bekommen. Wir waren dabei, eine Familie zu gründen. Richtig, ernsthaft, wirklich. Ein Kind würde unser beider Leben komplett verändern. Überfordert zog ich meine Hände von ihrem Bauch weg und ließ mich zurückfallen, sodass ich auf dem Boden saß. Sophia und ich würden eine Familie werden. Eine richtige Familie, mit einem Kind.

Ich spürte, wie mir das Atmen schwerfiel. Wir würden zusammen Eltern werden. Ich war doch gar nicht bereit dazu, mit ihr eine Familie zu gründen. Wie sollte das denn bitte funktionieren? Ein Gefühl der Panik machte sich in mir breit und lähmte all meine Glieder. Ich war doch erst dreiundzwanzig. Ich war noch nicht bereit dazu, eine Familie zu gründen.

Mein Blick verharrte starr an Sophias Bauch, in welchem wohl gerade mein Kind heranwuchs. „Ich... Ich rufe morgen meine Frauenärztin an", sagte meine Verlobte unter Tränen. Ich schluckte und sah ihr ins Gesicht. Mein Atem ging stoßweise, während ich versuchte, Worte zu Sätzen zusammenzufassen. Doch es fühlte sich an, als wäre mein Hirn völlig vernebelt. Nicht mehr in der Lage zu denken.

Ich sah meiner Verlobten ins Gesicht, die sich noch immer erfolglos ihre Tränen mit ihrer Hand abzuwischen versuchte. Es fühlte sich an, als hätte jemand den sibirischen Winter in unser Wohnzimmer geholt, denn ich fror so sehr, dass ich glaubte, jeden Moment zu einem Eisklotz zu erstarren. Meine Verlobte war schwanger, vielleicht würde sie dann noch vor der Geburt heiraten wollen. Ich atmete einmal tief ein und versuchte mich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Als ich ihr damals den Antrag gemacht hatte, wollte ich nichts lieber, als sie zu heiraten. Doch wenn ich jetzt daran dachte, mit ihr vor den Altar zu treten, fühlte es sich an, als würde eine Schlinge um meinem Hals liegen, die sich immer weiter zuzog.

„Kai? Ist alles okay bei dir?", fragte Sophia schluchzend. Ich nickte mechanisch, nicht wissend, was ich antworten sollte. „Und... wir ziehen das Kind gemeinsam auf?", fragte sie so schüchtern, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Sophia war eine selbstbewusste Frau, die sich durch nichts unterkriegen ließ. Doch nun war sie ein unsicheres Häufchen Elend, das nicht wusste, was es tun sollte.

Ich nickte erneut und sah dabei zu, wie Sophia unter Tränen lächelte. Ein ehrliches Lächeln. Schnell schluckte ich all meine Bedenken hinunter und zog sie in meine Arme. Ich hielt sie fest, während wir beide unseren Tränen freien Lauf ließen. Ich würde Vater werden. Auch wenn ich das nicht gewollt hatte, nicht so früh, konnte ich mir in diesem Moment nichts Schöneres vorstellen.

Als Sophia sich von mir löste, ließ ich mich auf meine Knie fallen und zog ihr Oberteil etwas nach oben. Ich sah meiner Verlobten kurz in die Augen, bevor ich meine Hände an ihre Hüfte legte und vorsichtig einen Kuss auf ihren Bauch drückte. „Hallo Baby", flüsterte ich. Vorfreude durchflutete meinen Körper, dass sogar eine mögliche Hochzeit völlig nebensächlich erschien. Alles, was ich in diesem Augenblick wollte, war ein guter Vater für mein Kind zu sein. „Ich weiß, du kannst mich noch nicht hören, aber ich bin dein Daddy und ich liebe dich schon jetzt, mehr als alles andere auf der Welt."

➤ Kai freut sich also auf dieses Kind aber was passiert jetzt mit seinen Gedanken an den blonden Mann

Sunflower | Bravertz ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt