Kapitel 23

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„Sag, was du zu sagen hast, dann verpiss dich endlich", forderte Paul ungehalten. Ich rieb mit einer Hand über meine Stirn, dann sah ich zu Sophias Bauch, an welchem man schon eine kleine Wölbung sehen konnte. Unser Pläumchen. Unser Sohn. Ihm sollte es gut gehen.

„Es war nie meine Absicht, dir wehzutun, Sophia. Du bist wirklich eine großartige Frau und es tut mir leid, dass ich dich nicht mit dem Respekt behandelt habe, den du verdient hast", erklärte ich ihr. Es fühlte sich an, als würde Julian neben mir sitzen und seine positive und liebevolle Aura auf mich übertragen, was mir dabei half, Sophia gegenüber die richtigen Worte zu finden. Doch auch wenn ich hiermit Julians Rat folgte, war es schlicht die Wahrheit. Sophia war eine großartige Frau und wir waren immer ein gutes Team.

Beschämt blickte ich in ihre großen Augen, deren wässriger Schimmer mir noch einmal deutlich machten, wie sehr ich sie verletzt hatte. „Es mag zwar bescheuert klingen, aber das mit Julian ist einfach so passiert. Timo hat ihn mit ins Stadion genommen, ich wusste gar nichts davon", begann ich langsam und ruhig ihr meine Situation zu erklären. „Und weil Julian im Stadion war, dachtest du, du könntest ja auch gleich noch mit ihm vögeln, oder wie?", warf Paul ein, während Sophia herzzerreißend schluchzte.

Schnell schüttelte ich meinen Kopf. „Nein, so war das nicht", antwortete ich so gefasst wie nur möglich. Doch als Paul auch noch seine andere Hand an Sophias Seite legte, hatte ich Mühe, ruhig zu bleiben. Mein Blick haftete fest an seinen Fingern, die langsam über ihren Bauchansatz streiften, was mich vergessen ließ, warum ich eigentlich hier war.

„Finger weg von meinem Sohn", rief ich und sprang mit wutverzerrtem Blick von meinem Hocker auf. Ich zog bedrohlich meine Augenbrauen zusammen, während ich Paul dabei beobachtete, wie er ein belustigtes Gesicht aufsetzte. „Dein Sohn? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass Soph dich nach dieser Aktion noch ihr Kind sehen lassen wird!", rief Paul zornig und sprang ebenfalls auf.

Wütend presste ich meine Lippen zusammen und wollte gerade ausholen, um mich für seinen Schlag zu revanchieren, da erhob Sophia sich ebenfalls. Sie zitterte am ganzen Körper, während sie sich zwischen uns stellte. „Was redest du da, Paul?", fragte sie ihn über ihre Schulter hinweg und legte eine Hand auf meinen Bauch, um Abstand zwischen ihren besten Freund und mich zu bringen.

Dann drehte sie sich komplett zu mir um und kräuselte ihre Stirn, was die Traurigkeit in ihrem Anblick noch verstärkte. Auch die Tränen, die noch immer ihre Wangen befeuchteten, zeigten mir noch einmal, wie ernst die Situation war. „Aiden ist und bleibt dein Sohn und ich werde ihn dir niemals verwehren, Kai...", begann sie, doch bevor sie weiterreden konnte, rief ich dazwischen. „Aiden?", entfuhr es mir laut, während ich ungläubig meinen Blick von ihrem Gesicht zu ihrem Bauch wandern ließ.

Als sie dann bestätigend nickte, konnte ich mich nicht mehr halten und fiel auf meine Knie. Glücksgefühle rauschten durch meinen Körper, als ich begriff, dass unser Sohn Aiden heißen würde, wie ich es mir gewünscht hatte. Ohne sie um Erlaubnis zu bitten, legte ich beide Hände an ihren Bauch. „Aiden", murmelte ich leise. Ich spürte, wie sich eine Träne aus meinem Augenwinkel verabschiedete und langsam über meine Wange kullerte. In meinem Kopf herrschte dichter Nebel, ich wusste nicht, was ich denken, sagen oder tun sollte. Schließlich ließ ich mich nach hinten fallen, sodass ich auf meinen Versen saß, und zu Sophia hinaufblickte. „Bitte verzeih mir, Sophia. Ich habe es nicht getan, um dich zu verletzen. Ich wollte dir niemals wehtun."

Ich sah dabei zu, wie Sophia ihre Augen zusammenkniff und immer mehr Tränen ihre Wangen fluteten, bevor sie etwas zurück taumelte und sich aufs Sofa fallen ließ. Sie schniefte laut, dann zog sie erneut ein Taschentuch aus der Box, welches sie zusammenknüllte und nacheinander gegen beide Augen drückte. Dann vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen.

„Du solltest jetzt endlich verschwinden", befahl Paul, der sich sogleich wieder neben Sophia setzte. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und ließ mich auf Sophias anderer Seite nieder. „Bitte, Sophia. Können wir reden? Nur du und ich?", fragte ich mit abfälligem Seitenblick zu Paul. „Damit du ihr noch mehr wehtun kannst?", rief dieser sogleich.

„Scheiße, ich will doch nur wissen, ob das am Telefon ernst gemeint war", kamen mir die Worte über die Lippen, die ich eigentlich hübscher verpacken wollte. Sophia reagierte schnell, indem sie ihren Kopf anhob, mir erst sprachlos ins Gesicht sah und mir sogleich eine Ohrfeige verpasste. „Du... du...", stotterte sie, während sie sich erhob und dann haareraufend durch den Raum tigerte. Nach einiger Zeit blieb sie schließlich stehen, legte beide Hände an ihre Wangen und sah zwischen Paul und mir hin und her. Dann drehte sie sich um und verschwand zur Tür hinaus.

„Sophia, warte", rief ich ihr hinterher und sprang auf, um sie aufzuhalten und zur Rede zu stellen. Doch bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, spürte ich Paul's Griff an meinem Handgelenk. „Untersteh dich!", zischte er mir eiskalt zu. „Du hast mir überhaupt nichts zu sagen", erwiderte ich mit derselben Kälte und schüttelte seine Hand ab.

Als Paul sich aber bedrohlich vor der Treppe zum oberen Stockwerk aufbaute, wusste ich, dass ich heute Nacht keine Chance mehr haben würde, um mit Sophia zu sprechen. Das würde bedeuten, ich müsste mich an den Gedanken gewöhnen, bald nicht mehr Fußball zu spielen. Ich spürte, wie mein Körper wieder zu zittern begann, während ich tief durchatmete und die Situation sacken ließ. Dann machte ich kehrt, zog meine Schuhe wieder an und verließ auf schlotternden Beinen langsam das Haus.

Gleich nachdem ich das Tor passiert hatte und Julians Van wieder in mein Blickfeld trat, bemerkte ich, wie dieser aus seinem Fahrzeug sprang und auf mich zu rannte. Erleichtert über seine Anwesenheit warf ich mich in seine Arme und ließ zu, dass er mich sanft an seine Brust zog.

Julian fragte nicht nach, wie es gelaufen war. Er legte einfach nur einen Arm um meinen Rücken und lotste mich langsam zurück zu seinem Fahrzeug. Stumm setzte ich mich auf den Beifahrersitz und stemmte meine Füße wieder gegen das Armaturenbrett. Er warf mir noch einen besorgten Blick zu, dann fuhr er los.

Die komplette Heimfahrt über war kein Wort gefallen. Julian konnte sich wohl seinen Teil dazu denken, denn er versuchte mich immer wieder mit stummen Gesten zu trösten. Auch als wir wenig später gemeinsam in seinem Bett lagen, forderte er von mir keine Erklärung. Er war einfach nur für mich da.

Sunflower | Bravertz ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt