Kapitel 10

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In den nächsten Wochen waren wir damit beschäftigt unser Leben auf die Reihe zu bekommen und Sophias Schwangerschaft vor der Welt zu verheimlichen. Mittlerweile war sie in der dreizehnten Schwangerschaftswoche und nun ganz offiziell im zweiten Trimester. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt war nun geringer als noch zuvor, worüber ich mehr als erleichtert war, denn ich wollte dieses Kind mehr als alles andere auf der Welt. Sophia war für ein letztes Shooting nach New York geflogen, denn ihre Frauenärztin hatte uns erklärt, dass man meiner Verlobten die Schwangerschaft bald ansehen könnte, was ich kaum erwarten konnte.

Ihr Geburtstag war nun schon einen Monat her und wir planten bereits das gemeinsame Leben mit Baby. Doch eine Hochzeit hatte sie noch nicht angesprochen, was vielleicht daran liegen könnte, dass ich immer das Thema gewechselt hatte, wenn sie über unsere Beziehung sprechen wollte. So kam es, dass sich praktisch all unsere Gespräche um unser ungeborenes Kind drehten. Oder über unsere Arbeit. Morgen früh würde sie heimkehren und ich freute mich bereits riesig darauf, zu sehen, ob ihr Bauch schon gewachsen war. Das Ultraschallbild vom letzten Frauenarzttermin hatte ich in meinem Geldbeutel immer dabei und ein weiterer Abzug lag bei mir im Nachtschränkchen. Ich konnte darauf zwar kaum etwas erkennen, obwohl die Ärztin uns das Bild erklärt hatte, doch ein Blick darauf reichte schon, um mich glücklich zu stimmen.

Mit dem Bimmeln der Türglocke betrat ich den Blumenladen, in welchem Julian gerade an der Theke stand und einen Mann ungefähr in unserem Alter bediente. Gebannt lauschte ich Julians schöner Stimme und betrachtete sein Gesicht, doch mehr als ein höfliches Lächeln schenkte er seinem Kunden nicht. Trotzdem verspürte ich ein Gefühl der Erleichterung, als dieser Mann endlich den Laden verließ und ich Julian gegenübertreten konnte.

„Hallo Julian", begrüßte ich ihn mit einem schüchternen Lächeln, denn ich wusste nicht, ob er noch sauer auf mich war. Tatsächlich runzelte er nur kurz nachdenklich seine Stirn, bevor er ein zurückhaltendes Lächeln aufsetzte und mich ebenfalls begrüßte. „Möchtest du wieder irgendwelche rosaroten Blumen oder dürfen es heute einmal Lilien sein?" - „Wie kommst du auf Lilien?", fragte ich verwundert. Julian atmete hörbar ein und schüttelte seinen Kopf. „Das sind die Lieblingsblumen deiner Verlobten." Überrascht zuckte ich mit den Schultern. „Dann einen Strauß Lilien, bitte."

Julian nickte mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck, dann huschte er aber sogleich zu der Wand mit den Schnittblumen hinüber. „Julian?", fragte ich leise, woraufhin er sich wieder zu mir umdrehte. „Kannst du mir auch noch einen Strauß Sonnenblumen binden?" Ich bemerkte, wie der Florist überrascht seine Augenbrauen in die Höhe zog. „Für Sophia?", fragte er verwundert. Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein, für mich."-„Ich hätte dich nicht für einen Menschen gehalten, der etwas für Blumen übrig hat", erklärte er mit nachdenklicher Stimme. Ich zuckte mit den Schultern. „Seitdem du mir erzählt hast, dass Sonnenblumen deine Lieblingsblumen sind, finde ich sie auch schön."

Der Florist schnappte sich ein Bündel Blumen, die er auf dem Verkaufstisch ablegte, bevor er mich skeptisch musterte. „Du kannst dir meine Lieblingsblumen merken, aber die deiner Verlobten nicht?" Ich kräuselte meine Stirn, denn er sagte das in einem Tonfall, der mich glauben ließ, dass ich deshalb Schuldgefühle haben sollte. Doch das hatte ich nicht, denn Sophias Lieblingsblumen hatten mich ehrlich gesagt noch nie interessiert. Es waren doch einfach nur Blumen.

Ich sah dabei zu, wie Julian seine Hände auf dem Tisch abstütze und sich gefährlich zu mir herüberlehnte. „Seid ihr zwei wirklich verlobt? Denn das erscheint mir doch eher wie eine Wohngemeinschaft bei euch. Oder wie beste Freunde, die zusammenleben, weil sie sich nicht getraut haben, sich ihren Müttern gegenüber zu outen."

Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und dachte über seine Worte nach. Wirklich viel Liebe konnte man in den letzten Wochen zwischen uns tatsächlich nicht mehr spüren. Dafür war die Liebe zu unserem Kind umso größer. Sie wuchs mit jedem Tag. „Wir sind wirklich verlobt", antwortete ich ihm wahrheitsgetreu und sah dabei zu, wie sich kurz ein enttäuschter Blick auf sein Gesicht schlich. „Schade", gab er zu und lehnte sich weiter zu mir herüber, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war. Ich sah in seine strahlend grünen Augen und konnte seinen warmen Atem an meinen Lippen spüren, was mich gebannt innehalten ließ. „Irgendwie hatte ich gehofft, du wärst nicht in festen Händen", flüsterte Julian und zwinkerte mir zu. „Dann hätte ich den Kuss sicherlich erwidert."

Ich schluckte und leckte mir mit der Zunge über die Lippen, während ich darüber nachdachte, wie sich das wohl anfühlen würde. Schnell verbannte ich diesen Gedanken aber wieder aus meinem Kopf und versuchte einen Weg zu finden, Julian trotzdem nahe sein zu können. „Lass uns einfach nur Freunde sein", schlug ich ihm vor, während Julian noch immer ein Schmunzeln auf den Lippen hatte. „Ja, lass uns Freunde sein, ich mag dich nämlich", führte ich meinen Gedanken weiter aus. Julian zuckte mit den Schultern und begann die Blumen vor ihm auf dem Tisch schön zusammenzufassen „Gut, lass uns einfach nur Freunde sein. Aber du musst versprechen, mich nicht wieder zu küssen." Schnell nickte ich. „Werde ich nicht, versprochen. Aber du musst mir auch versprechen, dass du niemandem von unserer Freundschaft erzählen wirst." Julian kräuselte seine Stirn und sah mich verwirrt an. „Und warum? Was wäre das denn für eine Freundschaft, wenn ich niemandem davon erzählen darf?" Ich knabberte nervös an meiner Unterlippe, während ich über eine Antwort nachdachte. „Wenn die Presse Wind von dir bekommt, dann dichten die mir sicher auch noch eine Beziehung zu dir an. Das kann ich mir gerade wirklich nicht leisten." „Und warum nicht?" Seufzend schob ich meine Hände in meine Hosentaschen. „Weil mein Verein mich sicher rauswirft, wenn ich vor der Welt nicht hetero bin. Und mein Traum mit der Nationalmannschaft wäre dann auch vorbei." - „Du bist Fußballer?", fragte Julian mit einem erstaunten Unterton in der Stimme. „Ja, wusstest du das denn nicht?" Mein Gegenüber schüttelte stumm den Kopf und sah mich ehrlich überrascht an. „Ist es dann nicht ziemlich dumm, mit mir befreundet sein zu wollen? Schließlich bin ich offen schwul, was alle Menschen in meiner Umgebung bestätigen würden."

Ich zuckte meine Schultern und dachte darüber nach. Es war tatsächlich nicht sonderlich klug, doch ich wollte diesen Mann häufiger sehen. Er hatte etwas an sich, was ich nicht missen wollte in meinem Leben.

➤ Sie gehen also eine Freundschaft ein... mhmmmm

Sunflower | Bravertz ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt