„Was ist zwischen dir und Julian?", stocherte Sophia weiter. Ich war froh, dass die nächsten Gäste des Cafés weit entfernt saßen und somit nicht unserem Gespräch lauschen konnten. Als ich Sophia's stechenden Blick bemerkte, zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Sophia", erwiderte ich trotzig. „Wie lange geht das schon mit ihm?", hakte sie nach.
So langsam wurde mir dieses Gespräch mehr als unangenehm, denn es klang so, als wären Julian und ich schlechte Menschen. Auf mich mochte das zutreffen, doch Julian war der wohl gutherzigste Mensch, den ich jemals kennengelernt hatte.
„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hast du unseren ersten Kuss live miterlebt. Wobei das ja nicht einmal ein richtiger Kuss war." Nachdem ich das gesagt hatte, dachte ich an jenen Abend bei uns im Wohnzimmer, als Julian den Kuss sofort unterbrochen hatte, weil er Sophia nicht hintergehen wollte. Dann dachte ich an die vielen Male, in denen ich ihm trotzdem nahe gekommen war. Ich spürte, wie sich beim Gedanken daran ein sanftes Lächeln auf mein Gesicht schlich.
Als ich aus meinem kleinen Tagtraum erwachte, sah ich, wie Sophia schmerzhaft ihr Gesicht verzog. „Ich kann nicht wieder mit dir zusammen sein, Kai. Nicht, wenn du jemand anderen liebst."
Schneller als ich denken konnte, klappte mir mein Mund auf, um ihr zu widersprechen. Doch es kam kein Wort über meine Lippen. Ich machte meinen Mund wieder zu und biss meine Zähne zusammen. Es war viel zu früh, um von Liebe zu reden, dennoch wurde mir gerade bewusst, dass ich Gefühle für diesen Mann hatte, die über Zuneigung hinaus gingen.
„Siehst du, du kannst es nicht einmal leugnen", schluchzte Sophia. Ich hatte es nicht kommen sehen, doch meiner Verlobten quollen plötzlich Tränen aus den Augen. Kurz schloss ich meine Augen, um tief durchzuatmen und innerlich eine Entscheidung zu treffen, dann griff ich über den Tisch nach ihren Händen. „Bitte Sophia. Meine Gefühle sind doch unwichtig. Alles was zählt ist, dass wir gemeinsam ein Kind bekommen. Ihm soll es gut gehen. Ich wünsche mir, dass er in einer richtigen Familie aufwachsen kann." Sophia drehte ihren Kopf zur Seite und blinzelte einige Male. Ein paar stumme Tränen kullerten ihr über die Wangen. „Und wie stellst du dir das vor? Ich ziehe wieder zu dir und alles wird wieder wie zuvor? Denkst du eigentlich, ich hätte gar keine Würde mehr?", schnaubte Sophia. Ich schüttelte schnell meinen Kopf. „Nein, natürlich hast du das. Aber wir sind doch eine Familie, Sophia. Du, Aiden und ich."
Sophia sah mich einen Moment ausdruckslos an, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich kann dir sagen, wie das für mich wäre. Bei jedem Lächeln würde ich mich fragen, ob du dabei nicht an ihn denkst. Ich würde mich fragen, wieso er dich glücklich machen kann und ich nicht. Bei jedem Blumenstrauß würde ich mich fragen, ob du ihn bei ihm geholt hast. Und wie du für ihn bezahlt hast. Mal abgesehen von der Tatsache, dass wir dann wieder miteinander schlafen würden. Da weiß ich nämlich schon jetzt, dass du dabei an ihn denkst."
Ich seufzte und schloss kurz meine Augen. „Ich werde mich von ihm fernhalten. Bitte, Sophia. Es ist mir wirklich ernst mit dir", versuchte ich es erneut. Es war nicht gelogen, mir war es wirklich ernst mit Sophia. Momentan fühlte ich mich so, als wäre ich mein Leben lang auf stiller See dem Paradies entgegen gesegelt. Dann hatte Julian unterwegs mein Boot geentert und alles ins Wanken gebracht. Die See war nun nicht mehr still. Sie war stürmisch und wild und drohte mich und mein Boot in die Tiefe zu reißen, wo ich bitterlich ertrinken würde. Und das, obwohl Julian wie ein Sonnenschein in mein Leben getreten war.
„Du hast mir schon einmal versprochen, dich von ihm fernzuhalten", erwiderte Sophia trocken. Ich nickte und schluckte die Schuldgefühle hinunter, die gerade erneut in mir aufkeimten. Es tat mir nicht leid, dass ich mit Julian geschlafen hatte. Es tat mir aber umso mehr leid, dass ich mein Versprechen gebrochen und Sophia hintergangen hatte.
„Dieses Mal werde ich es aber wirklich durchziehen", versicherte ihr. „Bitte, Kai. Hör auf. Siehst du denn nicht, dass diese Situation für mich schon schwer genug ist?", flehte Sophia mit einem bitteren Lächeln im Gesicht. Langsam entzog sie mir ihre Hände und legte sie auf ihren Bauch, als würde sie Aiden vor dem ganzen Drama beschützen wollen. Sie würde eine gute Mutter werden, da war ich mir sicher.
Eine Weile herrschte zwischen uns nur unangenehmes Schweigen zwischen uns. Stumm tranken wir unsere Getränke, die mittlerweile kalt waren, und sahen uns dabei immer wieder nachdenklich an.
„Eine letzte Chance, bitte Sophia. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Eine Chance und wenn du merkst, dass das mit uns nicht funktioniert, dann werde ich dich in Ruhe lassen. Bitte Sophia. Tu's für Aiden", flüsterte ich und sah ihr dabei eindringlich in die Augen.
Sophia spannte mich auf die Folter, denn sie blieb eine lange Zeit stumm. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, während ich versuchte, ihrem forschenden Blick standzuhalten. „Ich werde darüber nachdenken, Kai."
Ich stieß die ganze Luft aus, die ich die letzten Sekunden aufgeregt angehalten hatte. „Bis dahin tue ich dir den Gefallen und werde niemandem von unserer Trennung erzählen. Und Paul hat versprochen, auch nichts zu erzählen. Auch deine Sexualität bliebt unter uns, das geht niemanden etwas an."
Ich spürte, wie mir ein Stein vom Herzen fiel. Auch wenn ich gar nicht mehr bedacht hatte, dass Paul in diesem Thema ein Mitwisser war, war ich umso mehr erleichtert, dass er Sophia dieses Versprechen gegeben hatte. Schließlich war er ihr gegenüber schon immer aufrichtig und loyal. Ich hatte keine Zweifel, dass er um ihretwillen seine Klappe halten würde.
„Danke, Soph", sagte ich, als ein paar aneinandergereihte Töne meines Telefons eine Textnachricht ankündigten. Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach meinem Handy, das mit dem Display nach unten vor mir auf dem Tisch lag, und entsperrte es. Die Glücksgefühle, die alleine schon der Name des Absenders in mir auslösten, wurden augenblicklich von Schmerz abgelöst. Ich würde ihn nicht mehr sehen können. Alleine schon der Gedanke daran riss mein Herz in zwei Hälften. Und doch war ich davon überzeugt, das Richtige zu tun.
„Lass mich raten, es ist Julian", seufzte Sophia und griff nach ihrer Tasche, bereit zu gehen. Schnell legte ich mein Handy wieder auf den Tisch und zog verzweifelt meine Augenbrauen zusammen. „Nein, Sophia, bitte geh nicht", rief ich schnell und schnappte mit einer Hand nach ihrem Handgelenk. Ich sah, wie Sophia mit geschlossenen Augen schluckte, bevor sie ihre Tasche zurück auf den Tisch legte.
„Wenn du das wirklich ernst mit mir, mit uns meinst, dann möchte ich, dass du jetzt gleich seine Nummer löschst."
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Sunflower | Bravertz ff
FanfictionKai ist Profifußballer in der Premiere League, dessen Leben zur Zeit nicht besser laufen könnte. Wäre da nicht diese eine Begegnung, die nicht loslassen wollte. ➤ A/N: mal wieder keine klischeehafte Bravertz FanFiction, da ist davon meiner Meinung...