Kapitel 12

404 17 4
                                    

Noch während der ersten Halbzeit hatte ich die große Ehre, Teddy sein Fläschchen geben zu dürfen. Ich war von mir selbst überrascht, wie leicht Teddy mit seinen großen braunen Augen es schaffte, mich in seinen Bann zu ziehen. Vielleicht lag es ja auch an meinen eigenen väterlichen Gefühlen, die ich langsam für mein eigenes Kind zu entwickeln begann.

Während der Halbzeitpause allerdings, hielt Timo es für besser, Teddy nach Hause zu bringen. Paula hatte ihm bereits unzählige Nachrichten geschickt, in denen sie sich nach dem Wohlbefinden ihres Sohnes erkundigt hatte. Diesem schien der Männerabend allerdings wirklich zu gefallen. Zwar schlief er die meiste Zeit in meinen Armen, doch er schien ziemlich zufrieden zu sein.

Als schließlich nur noch Julian und ich auf dem Sofa saßen, schenkte ich schnell Wein nach. Die Übertragung hatte ich pausiert, während ich mich dem Mann neben mir zuwandte. „Darf ich dich etwas Persönliches fragen, Kai?", fragte Julian, nachdem er einen Schluck von dem Wein genommen hatte.

Einen Arm hatte er auf der Rückenlehne des Sofas abgestützt, während er in der anderen nachdenklich sein Weinglas drehte. Ich kräuselte meine Stirn, doch dann nickte ich. Er klang auf jeden Fall ernst und das machte mir gerade etwas Angst.

„Du bist mit einer Frau verlobt und doch hast du mich geküsst. Bist du dann bi?" Ich schluckte und atmete einmal tief durch. Dieses Gesprächsthema war mir immer mehr als verhasst, da es für mich schon immer mit Lügen verbunden war. Timo war bisher der Einzige, dem ich auf die Frage nach meiner Sexualität ehrlich geantwortet hatte.

„Du musst das nicht beantworten, wenn du nicht möchtest", versuchte Julian die drückende Stille zu durchbrechen. Schnell schüttelte den Kopf, denn ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht verurteilen oder es weitererzählen würde. Wobei leugnen ja sowieso zwecklos war.  „Ich hatte schon immer mehr für Männer übrig als für Frauen", gab ich leise zu und nahm einen großen Schluck von meinem Wein. „Vor zwei Jahren habe ich dann Sophia kennengelernt und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Ehrlich gesagt war ich erleichtert, dass ich eine Frau kennengelernt hatte, die mir auf diese Weise gefiel. Ich wusste ja von Anfang an, dass niemand erfahren durfte, dass ich nicht hetero war, sollte ich im Fußball wirklich Karriere machen wollen. Und irgendwie war Sophia mein persönlicher Jackpot. Mit ihr hatte ich eine Partnerin, die ich sogar der Öffentlichkeit vorstellen konnte und ich konnte weiter meinen Traum leben."

Julian zog nachdenklich seine Stirn in Falten. Dann leerte er das Weinglas und stellte es auf dem Tisch ab. „Ich verstehe das noch nicht so ganz. Warum darf ein Fußballspieler denn nicht mit einem Mann zusammen sein?" Ich zuckte mit den Schultern, dann leerte ich auch mein Weinglas. „Es gibt einfach nur homophobe Arschlöcher in diesem Sport. Jeder, der schwul ist, wird entweder aus der Mannschaft geworfen oder so lange von den Medien terrorisiert, bis er freiwillig geht."

„Das heißt, ein Outing würde tatsächlich deine Karriere ruinieren?" Vielleicht gäb es eine Chance, dass dies nicht passiert aber um ehrlich zu sein, würde ich das ungerne austesten. Auf seine Fragte nickte ich hingegen nur und verzog meine Lippen zu einem aufgesetzten Grinsen, dann sprang ich vom Sofa auf. „Der Wein ist leer, ich hole schnell Bier." Ich eilte aus dem Raum und holte aus dem Keller einen Sixpack Bier, den ich vor dem Sofa absetzte. Dann holte ich noch zwei Gläser und schenkte uns beiden davon ein. „Wollen wir ein Trinkspiel spielen?", fragte ich in dem Versuch, die Stimmung zu lockern, denn Gespräche über meine Sexualität waren mir nach wie vor mehr als unangenehm.

Der Florist setzte sein schiefes Grinsen auf und stimmte meinem Vorschlag zu. Vergessen war die Ernsthaftigkeit des vorangegangenen Gesprächs. „Was wollen wir spielen?" Ich zuckte mit den Schultern, dann zog ich schnell eine Münze aus meiner Geldbörse. „Wie wäre es mit Schnippen? Wenn ich es schaffe, die Münze in dein Glas zu schnippen, dann musst du es in einem Zug trinken und andersrum genauso."  lachte etwas, setzte sich aber sogleich aufrecht hin und griff nach der Münze. „Gut, ich beginne." Hochkonzentriert machte er eine Faust und legte die Münze auf seinen Daumennagel. Dann schnipste er los und schleuderte die Münze in die Höhe, bevor sie hinter dem Sofa klirrend auf dem Boden aufkam. „Nicht einmal die Richtung hat gestimmt", lachte ich ihn aus. Währenddessen stand ich auf und beugte mich über die Sofalehne, um die Münze zurückzuholen. „Lass mich dir helfen", sagte ich und setzte mich dicht neben den Floristen, um seine Hand mit meiner umschließen zu können.

Ich spürte Julian's intensiven Blick auf mir, was augenblicklich eine Hitze in mir aufsteigen ließ, die mir kurzzeitig die Luft zum Atmen raubte. Schnell wandte ich meinen Blick seinem Gesicht zu und sah ihm in die Augen. Die Luft im Raum schien plötzlich unfassbar heiß zu sein und es knisterte lauter als ein Kaminfeuer. Ich befeuchtete meine Lippen mit meiner Zunge, während ich meinen Blick zu seinen Lippen wandern ließ. Doch bevor ich mich ihm aber nähern konnte, hatte Julian seinen Kopf zur Seite gedreht und war vom Sofa aufgesprungen. „Wir sind nur Freunde, Kai", ermahnte er mich mit rauer Stimme. Schnell räusperte ich mich und erhob mich ebenfalls. „Wollen wir dann ein anderes Spiel spielen?" Julian nickte, während ich etwas Musik anstellte, um die Atmosphäre aufzulockern. Ich stellte das Bier an das eine Ende des Raumes und verteilte dann noch ein paar Gegenstände im Raum. „Machen wir einen Bierathlon?", forderte ich ihn zum Trinkspiel auf. Julian lachte etwas, folgte mir aber sogleich zu den Bierflaschen.

„Okay, also du trinkst das Bier leer, dann rennst du los. Einmal über das Sofa drüber, dann Slalom um die Stühle und wieder zurück. Wer zuerst wieder hier ist hat gewonnen", erklärte ich ihm das Spiel. Julian schien begeistert, denn seine Augen funkelten passend zu dem spitzbübischen Grinsen, welches er zu Tage trug, während er sogleich nach einer Bierflasche griff. Ich stellte mich grinsend neben ihn und öffnete mir ebenfalls eine Flasche Bier.

„Was kriegt der Gewinner?", fragte Julian und ließ seine Augenbrauen wackeln, was mich gleich zum Lachen brachte. Schließlich war es ja er, der den Kuss nicht erwidert hatte. „Wir spielen um die Ehre." Julian stimmte diesem Vorschlag zu, da gab er auch schon das Startsignal. Schnell trank ich mein ganzes Bier, rannte dann zum Sofa, passierte die Stühle und sprintete dieselbe Strecke wieder zurück. Julian hüpfte gerade über die Couch, während ich auf der anderen Seite einen Satz machte, um auf ebendiese zu gelangen, da kam es wie es kommen musste.

Volle Karacho krachte ich in Julian, sodass wir letzten Endes beide auf dem Sofa landeten. Julian unter mir. Etwas benommen richtete ich mich ein wenig auf und stützte meine Arme links und rechts von seinem Kopf ab, während ich ihm in die Augen sah. Ich hielt die Luft an und knabberte an meiner Unterlippe, als ich meinen Blick immer wieder von seinen Augen zu seinen Lippen wandern ließ.

Julian, der vorhin noch so aussah, als würde ihm der Teufel im Nacken sitzen, erwiderte meinen Blick nun mit flackernder Leidenschaft in den Augen. Vorsichtig näherte ich mich seinem Gesicht, sodass meine Lippen leicht seine streiften, bevor ich ihm wieder in die Augen sah. „Ein Kuss unter Freunden", flüsterte ich, dann legte ich meine Lippen verlangend auf seine.

➤ Oh, oh worin soll das nur enden??

Sunflower | Bravertz ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt