Laute Stimmen rissen mich aus meinem Schlaf. Ich brummte etwas, dann drehte ich mich herum auf der Suche nach dem Mann, neben dem ich letzte Nacht eingeschlafen war. Doch weder seine Wärme noch sein Duft waren präsent. Dafür hörte ich aber den wohligen Klang seiner Stimme. „Bitte lass ihn schlafen. Er war gestern Abend vollkommen erschöpft", sagte er leise, doch laut genug, dass ich ihn verstehen konnte. Er schien im Flur zu sein und mit jemandem zu diskutieren.
Verwirrt richtete ich mich auf und rieb einmal über meine müden Augen. Keine Minute später wurde die Wohnzimmertür aufgerissen und Sophia kam hereinmarschiert. Augenblicklich verflogen die Glücksgefühle, die Julians Anwesenheit in mir ausgelöst hatte, und mein schlechtes Gewissen meldete sich. „Sophia", flüsterte ich und schluckte den Kloß hinunter, den ich im Hals hatte. Die Frau stand dort, vor dem Sofa, eine Hand lag auf ihrem Mund und eine auf ihrem Bauch. Ich beobachtete, wie sie ihr leichenblasses Gesicht schmerzvoll verzerrte, während Tränen über ihre Wangen schlichen.
Ich schloss einen Moment meine Augen, dann ging ich langsam und bedacht auf sie zu. „Wieso, Kai? Wieso?", schluchzte sie, während ich in sicherer Entfernung stehen blieb und sie schuldbewusst musterte. „Es tut mir leid, Sophia", antwortete ich ihr mit den Worten, die ich in letzter Zeit bereits viel zu oft gesagt hatte. Leise Schritte hallten durch die aufkommende Stille und lenkten meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass Julian unschlüssig im Raum stehen geblieben war. Als sein Blick mit meinem verhakte, lächelte er mich schüchtern an, was ich nur erwidern konnte. Ich hatte gar keine Wahl, meine Mundwinkel zuckten bei seinem Anblick einfach in die Höhe. „Wie wäre es, wenn du endlich aufhörst, mich zu verarschen, Kai. Und dich auch", schluchzte Sophia, woraufhin ich meinen Blick wieder verwirrt ihr zuwandte. „Was meinst du?" Sophia antwortete mir nicht gleich, doch ich sah, wie ihre Knie schlotterten, bevor sie sich in dem Sessel niederließ und mich aus tränenverhangenen Augen heraus ansah. „Du bettelst mich an, dir noch eine Chance zu geben..." Ein Schluchzen erschütterte die gebrochene Frau vor mir. Meine Schuldgefühle drohten mich zu zerreißen, daher atmete ich einmal tief durch und ging die wenigen Schritte auf sie zu, wo ich mich dann auf den Boden kniete.
Eine Hand hatte sie noch immer auf ihren Mund gepresst, als müsste sie sich gleich übergeben. Langsam griff ich nach ihrer anderen Hand, doch sie schlug meine gleich zur Seite. „Fass mich nicht an", zischte sie. Zerknirscht kräuselte ich meine Stirn. „Bitte, Sophia, ich konnte nichts dafür, er ist einfach hier aufgetaucht", versuchte ich ihr meine missliche Lage zu erklären. „Ich will dich nicht verlieren, Sophia." Meine Worte zerrissen mir das Herz und doch versuchte ich mir einzureden, dass ich dabei war, das Richtige zu tun. Als ich aber die tiefen Atemzüge von dem Mann hinter mir hörte, dessen Schritte sich leise entfernten, wuchs der Schmerz in meiner Brust in einen unerträglichen Bereich.
„Scheiße", fluchte ich und ließ mich zurückfallen. Auch mir standen mittlerweile Tränen in den Augen, weshalb ich blinzelnd zur Decke sah, bevor ich mich schließlich erhob und Sophia den Rücken zukehrte. Ich sprintete zur Tür und rannte so schnell ich konnte nach draußen. Julian stieg gerade in seinen Transporter und zog die Tür zu, während ich mit verschwommenem Blick auf die Straße rannte und mich vor sein Fahrzeug stellte. Dann zog ich die Tür wieder auf und krallte mich mit beiden Händen panisch an seinem Arm fest. „Lass mich los, Kai. Du solltest zurück zu der Frau, die du nicht verlieren möchtest."
Mein Körper schien bewegungsunfähig, während ich mich einfach nur an Julian festhielt. Schmerzerfüllt presste ich meine Zähne aufeinander und kniff meine Augen zusammen. Erst Julian's sanfte Berührungen an meinen Händen schreckten mich aus meiner Starre. „Geh nicht", presste ich hervor und spürte, wie mir Tränen aus den Augenwinkeln quollen. Ich sah, wie Julian seine Lippen zu einem traurigen Lächeln verzog. „Ich würde so gerne bleiben, Julian. Du glaubst gar nicht, wie gerne ich das tun würde. Nach gestern dachte ich eigentlich, dass du vielleicht doch bereit wärst, dich auf eine Beziehung mit mir einzulassen. Aber..." Er stockte, doch ich wusste genau, was er sagen wollte.
Dennoch brachten seine Worte mich völlig aus dem Konzept. Julian hatte darüber nachgedacht, eine Beziehung mit mir einzugehen? Ich spürte, wie mein erkaltetes Herz plötzlich eine Wärme ausstrahlte, die durch meinen ganzen Körper ging. Mein Kopf schien wie leergefegt. Alles, woran ich denken konnte, war Julian. Julian und wie es wohl wäre, mit ihm zusammen zu sein. „Ja, ich bin bereit", rief ich aus. Intuitiv, ohne groß über die Konsequenzen nachzudenken. Denn alles, was ich wollte, war Julian.
Dieser schüttelte nur traurig seinen Kopf. „Werde dir bitte erst klar darüber, was du wirklich willst. Ich kann nicht mit ansehen, wie du Sophia hinterherrennst, Kai." Mit diesen Worten erinnerte er mich wieder an die Dinge, die mir schlaflose Nächte bereiteten. Sophia. Mein Sohn. Meine Karriere.
Julian löste meine Finger von seinem Arm, woraufhin ich völlig durcheinander ein paar Schritte zurück taumelte. Er nutzte den Abstand aus, schlug die Tür zu und brauste davon. Mit Tränen in den Augen sah ich ihm noch hinterher, bis sein Transporter komplett aus meinem Blickfeld verschwunden war. Ich ließ einen letzten Blick durch die leeren Straßen wandern, dann atmete ich tief durch und rang um Fassung. Meine Beine fühlten sich an wie Pudding, als ich einen Schritt vor den anderen tat und langsam zurück ins Haus lief. Sophia saß noch immer im Sessel, ihr Blick war nun viel gefasster als noch zuvor. Auch ihre Tränen waren mittlerweile versiegt. Sie musterte mich nachdenklich, woraufhin ich mich fast schon ängstlich ihr gegenüber auf dem Sofa niederließ und auf eine Reaktion ihrerseits wartete. „Ich mache es dir einfach, Kai", begann sie mit überraschend rauer Stimme, was wohl von den ganzen Tränen herrührte, die sie dank mir vergossen hatte. Ich erwiderte nichts, sondern ließ einfach nur meine Schultern hängen. „Wir ziehen endlich den Schlussstrich, den wir schon nach deinem Geständnis hätten ziehen sollen. Ich kann das nicht mehr, Kai. Ich liebe dich nämlich wirklich und es tut mir weh, zu wissen, dass du einen anderen liebst."
Sie sah mich einen Moment lang abwartend an, dann drehte sie nachdenklich ihren Verlobungsring zwischen Daumen und Zeigefinger, bevor sie sich ihn kurzerhand vom Finger zog und auf dem Couchtisch ablegte. „Bitte tu mir nicht wieder weh", flüsterte sie und stand auf. In diesem Moment wurde mir klar, dass das letzte Wort gefallen war. Unsere Beziehung war nun endgültig zu Ende.
„Wir sehen uns beim nächsten Ultraschalltermin."
DU LIEST GERADE
Sunflower | Bravertz ff
FanfictionKai ist Profifußballer in der Premiere League, dessen Leben zur Zeit nicht besser laufen könnte. Wäre da nicht diese eine Begegnung, die nicht loslassen wollte. ➤ A/N: mal wieder keine klischeehafte Bravertz FanFiction, da ist davon meiner Meinung...