KAPITEL V | In den Bergen

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Femke begab sich mit ihrer Truppe vorsichtig auf den Steg.

Über ihnen breiteten sich die sattgrünen Blätter der Bäume aus, die ihre Wurzeln tief in den aufgeweichten Boden des Sumpfes geschlagen hatten. Die Tiefe des Wassers war unmöglich einzuschätzen, da ein Teppich aus Algen und Seerosen jegliche Sicht verdeckte.

Das alte Holz knarrte bei jedem Schritt, den die Patrouille tat, doch Femke versuchte das unbehagliche Knarren und Knirschen zu ignorieren und stattdessen all ihre Sinne auf den Rest ihrer Umgebung zu richten. Sie hörte Frösche quaken und das Surren von gigantischen Libellen, die mit glänzenden Flügeln über den Sumpf schwirrten. Im Geäst hörte sie es zwitschern, ansonsten war es still und friedlich. Da war keine Regung im Wasser und dennoch fühlte Femke sich unwohl.

Die Gefahr aus dem Wasser kam zumeist unerwartet. Man konnte die Feinde im Voraus nicht riechen und sie zu entdecken war ebenso schwer. Da nützte auch Anton herzlich wenig, der in seiner wendigen Drachenform vorausflog und Ausschau nach Feinden hielt.

Femke mochte diesen Ort nicht, mit den gruseligen Steinfiguren, die lange vor ihrer Zeit hier hinterlassen wurden. Sie verhießen nichts Gutes.

Lieber wäre sie nun mit ihrer Schwester in Ekliptik. Dort könnte sie ein Auge auf Malou haben und mal wieder mit Gina ein Schwätzchen halten – dazu kam sie ohnehin viel zu selten. Entweder, Gina hatte kein Interesse an einer Unterhaltung oder Femke war zu beschäftigt. Selten trafen sie sich in Ruhe und wenn, dann meistens nur an Piets Grab.

Sie wünschte sich, die Unbeschwertheit von früher zurück, aber mit all den Pflichten, die die Aufständler mittlerweile auf sich genommen hatten, war das kaum zu erwarten.

Egal wie sehr sie sich anstrengte, sie hatte nicht das Gefühl, Skallis vorherigen Bemühungen gerecht zu werden. Sie würde niemals Ekliptik leiten können, wie der General es damals getan hatte, weshalb sie froh war, dass sie Freyning und die Van Loons an ihrer Seite hatte.

„Welchen Weg möchtest du einschlagen, Femke?", fragte Marja sie, wodurch sie die quälende Stille durchbrach.

Freynings Frau lief leichtfüßig neben ihr auf dem schmalen Steg. Aufrecht und furchtlos wie eine echte Soldatin – fast so wie Skalli. Das schenkte ihr Sicherheit.

Femke lächelte ihr entgegen und antwortete: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Gebirge einmal zu übersteigen. Danach können wir quer über das Flachland und am Mondscheinsee vorbei bis zur Küste."

„Mats hat mir erzählt, dass auf dem Flachland große, herbivore Herden grasen, die Karnivoren anlocken. Ist es nicht gefährlich, dort herzugehen?", fragte Marja sie eher aus purer Neugierde als vor Furcht.

„Ja", entgegnete Femke mit ernster Miene: „Es ist gefährlich. Normalerweise haben wir das Flachland immer nur mit jemanden durchquert, der auch die Form eines großen Karnivoren annehmen konnte, um uns zu schützen, aber dieses Mal haben wir nicht das Glück."

„Könnten wir nicht bei der Schlucht vorbeischauen und Nino abholen?", fragte Sarina da von hinten. Ihre Haare waren so orange, dass sie aussahen, als hätten sie Feuer gefangen – wie eine lodernde Flamme, die niemand stoppen konnte. Sarinas Gesichtsausdruck sagte jedoch etwas anderes. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen und würde am liebsten auf der Stelle umkehren.

„Nino kann uns nicht alle tragen", erinnerte Femke sie. Andernfalls hätte sie Sarina liebend gerne zugestimmt. Diese Reise wäre deutlich leichter, wenn sie fliegen könnten.

Hoffentlich hätten sie schon bald wieder neue Flugdrachen unter ihren Verbündeten, sodass solche Reisen in Zukunft wieder leichter zu bewältigen wären. Bis dahin würde es ihnen jedoch nichts nützen zu jammern. Sie mussten sich mit ihrer jetzigen Situation abfinden.

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt