KAPITEL XXII | Dampf ablassen

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Taro hatte vorgehabt sich zu entschuldigen, wenn er Niek das nächste Mal sah, um ihn davon zu überzeugen, zu ihnen zurückzukommen, aber als er den anderen nun so selbstverständlich im Lager herumstehen hatte sehen, hatte er die Reihenfolge seiner Liste kurzerhand geändert.

Er würde Niek erst eine Abreibung verpassen und dann schauen, wie es weiterging.

Zu seiner Überraschung schien Niek tatsächlich erzürnt – bei jeder anderen Person, hätte die Reaktion Taro nicht verwundert, aber Niek war normalerweise schwer zu verärgern.

In diesem Moment jedoch loderten seine braunen Augen wie heiße Glut, seine roten Augenringe verstärkten diesen Effekt – es sah so aus, als hätte Niek vor nicht allzu langer Zeit geweint, so fiel es Taro plötzlich auf. Nun bleckte sein Gegenüber jedoch die spitzen Zähne, als er Taro anfuhr: „Was sollte der Scheiß?" Um seinen Ärger zu unterstreichen, stieß er Taro vor die Brust, sodass dieser einen Schritt nach hinten stolperte.

„Erst vermeidest du uns, erzählst uns nicht einmal mehr, wie es dir geht und jetzt tauchst du hier einfach so auf?", fauchte Taro.

„Ich bin nicht einfach so hier", knurrte Niek zurück. „Femke hatte mich gebeten. Es geht um Malou."

„Hey", wollte Jorik sich einmischen, doch als dieser Niek an der Schulter packte, schlug dieser nur seine Hand beiseite und fuhr damit fort, den Heiler zu ignorieren.

Taro zischte derweil zurück: „Ach, das ist dir auf einmal wichtig genug? Aber die Bitten von allen anderen, die haben dir nicht gereicht."

„Mir sind alle meine Kameraden wichtig", entgegnete Niek genervt.

„Wieso kommst du dann jetzt erst zurück?"

„Ich werde nicht bleiben, Taro", machte Niek seinem Gegenüber klar. „Ich war nur hier, um mit Femke zu reden."

„Also wirst du uns wieder im Stich lassen?"

Niek biss bei seiner Wortwahl sichtlich die Zähne aufeinander.

Taro wusste, dass seine Worte hart waren, aber er wollte Niek deutlich machen, wie er sich fühlte.

„Hör auf mit diesem Schwachsinn! Wieso bist du so?", fuhr Taro ihn also weiter an. „Du warst mal... gewieft und..."

Niek unterbrach ihn augenblicklich und rief: „Du meintest, ein Dieb, nicht wahr? Du kannst es ruhig sagen. Oh ja, und wie gewieft ich war. Und dann haben wir der Nase nach alles verloren."

„Und du denkst, wenn du gar nichts mehr hast, kannst du nichts mehr verlieren?", schrie Taro zurück und trat einen Schritt näher an Niek heran.

„Ergibt Sinn, oder?", warf dieser provokant zurück.

„Nein. Weißt du warum?", zischte Taro nun nah an seinem Gesicht. Er pikste dem anderen mit seiner scharfen Kralle gegen das Brustbein und knurrte: „Weil du immer noch dich verlieren kannst!"

Für einen Herzschlag schwieg Niek. Taro sah sein Gehirn arbeiten, seine Kiefer waren angespannt, dann spuckte Niek abfällig aus: „Und wenn schon."

Die Worte brachten Taro zur Weißglut. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, doch ehe er sich entscheiden konnte, wo er den nächsten Schlag setzen würde, schob Jorik sich vor Niek und brüllte lauter als Taro den Heiler jemals hatte reden hören: „Ihr hört jetzt beide sofort auf mit dieser Scheiße!"

Sowohl Niek als auch Taro verfielen augenblicklich vor Schreck in Schweigen. Sogar zwei Jugendliche, die gerade in Hörweite an den drei Aufständlern vorbeigegangen waren, warfen ihnen überraschte und leicht besorgte Blicke zu, ehe sie ihren Weg eilig fortführten.

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt