KAPITEL XV | Im Monsterschlund

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Schweigend führte Selkie die Aufständler und Lawrence zurück zu der kleinen Hütte, an der Selkie die Eindringlinge zuvor entdeckt hatte. Die nächtlichen Wege lagen noch immer wie ausgestorben vor ihnen. Aus der Ferne konnte man aus dem Inneren einer Hütte Gelächter hören, doch es klang durch die Entfernung bereits dumpf und somit weniger gefährlich für sie. Bis auf Selkie gab es keine weiteren Piraten in der Nähe und solange sie sich unauffällig verhalten würden, würden sie so leicht nicht entdeckt werden, nun wo sie sich erneut in den tiefen Schatten der Holzhütte versteckt hatten.

„Ihr seid wirklich hier", hauchte Lawrence zu den Aufständlern, als sie endlich zum Stehen kamen. Er schaute völlig fassungslos – mit großen Augen und offener Kinnlade, so als würde er seinen Märchen-Helden gegenüberstehen (Skalli wurde oft mit dem Icarus-Märchen verglichen, also kam diese Annahme vielleicht nicht von allzu weit her).

„Das sind wir", erwiderte Femke mit einem Lächeln. „Wir haben eine große Bitte an dich."

„Egal worum es geht, ich bin dabei", versuchte Lawrence ihr sogleich die Sorgen zu nehmen, doch es half nichts.

Femke wusste, dass ihre Bitte das Leben ihres Gegenübers zerstören könnte. Wenn die Piraten Lawrence dabei erwischten, wie er mit den Aufständlern zusammenarbeitete – was nicht unwahrscheinlich war, angesichts der Tatsache, dass Selkie gleich neben ihnen stand –, dann würden die Piraten zu drastischen Maßnahmen greifen.

„Es könnte gefährlich für dich und somit deine Familie werden", warnte Femke ihn sogleich.

„Es ist nur noch mein Vater da. Meine Arbeit hier verschafft ihm Privilegien und darum ist er froh, aber die Oberwelt wäre keine Option für ihn. Er ist bereits alt und krank, sein Arbeitsleben hat ihn ausgelaugt", murmelte Lawrence. „Aber da unten gibt es sicherlich Menschen, die nichts lieber wollen, als die Oberwelt zu erblicken und sie sollten eine Chance erhalten."

Selkie, die neben Lawrence mit verschränkten Armen stand, schnaubte hörbar auf und rümpfte ihre Nase, so als würde sie sich über die Selbstlosigkeit des Unterweltlers lustig machen.

Femke fragte hingegen: „Aus welchem Bezirk kommst du?"

„Capricorn."

Wie Bente, schoss es ihr durch den Kopf. Die Arbeit als Minenarbeiter hatte auch ihn dahingerafft.

„Du kannst über das Angebot noch einmal nachdenken", setzte Femke nun vorsichtig an: „Wir würden dir sehr dankbar sein, wenn du für uns Kontakt mit Personen aus Zodiac hältst, damit wir nach und nach Rettungsaktionen starten können."

„Das kann ich machen", stimmte Lawrence gleich der Bitte zu.

Femke schwieg für einen Augenblick und musterte ihr Gegenüber, doch da lag kein Funken von Unsicherheit in seinem Blick.

„Gut, dann...", setzte sie an und brach ihren Satz letztlich ab, als ihr Blick auf Selkie fiel.

Die Piratin stand nicht auf ihrer Seite, doch sie lauschte schweigend jedem Wort. Es wäre ein Leichtes für sie, im Nachhinein alle Informationen an Phorkys weiterzugeben und die Aufständler und Lawrence damit zu überführen.

„Könntest du uns kurz allein reden lassen?", wandte Femke sich daraufhin an die Piratin.

„Nein", antwortete diese knapp und mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen.

Femke schwieg – sprachlos von der Dreistigkeit ihres Gegenübers. Sie hätte es sich denken können.

„Wir hatten einen Deal", holte Selkie schließlich doch noch mit einer Erklärung aus: „Von mir habt ihr nichts zu befürchten, keine Sorge. Mich interessiert Phorkys nicht und ihr interessiert mich auch nicht. Macht, was ihr wollt, ich werde euch nicht verpfeifen."

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt