KAPITEL IX | Versteckt im Schilf

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Femkes Trupp folgte in sicherer Entfernung der Gruppe von Piraten, die mit ihrem Trice und dem Karren, den er hinter sich herzog, über das Flachland streiften.

Die Piraten steuerten direkt auf die Mangroven zu, welche gegenüber dem Vulkan auf der anderen Seite der flachen Landschaft lagen.

Normalerweise wimmelte es in dem Geäst und dem Wasser der Mangroven nur so von Tieren. Vögel, Frösche, Echsen und alle nur erdenklichen Drachen, die sowohl das Landleben als auch jenes im Wasser gemeistert hatten, machten sich in dem Wald ein zu Hause. Doch als Femke an diesem Tag die Mangroven erreichte, herrschte Stille.

Da war kein Plätschern zu hören, kein Quaken von Fröschen und kein Zwitschern der Vögel. Eine einsame Libelle schwirrte durch die Luft, doch das Gewässer selbst war still. Eigentlich hätte Femke auf einen großen Räuber geschlossen, der die Beute temporär verjagt hatte, doch die Piraten vor ihnen gingen unbeirrt weiter. Sie ignorierten die Stille vollkommen.

Und dann entdeckte Femke, woher die Stille wirklich rührte.

Die Schneise. Sie schnitt durch den Wald, der einst den Aufständlern gehört hatte und führte direkt an den Mangroven vorbei, um an dem Meeresarm zu enden, der sich gleich hinter den Mangroven befand. Die Bauarbeiten und der Lärm der Piraten musste sämtliche Jäger aus den Mangroven verscheucht haben. Womöglich hatte Phorkys auch auf einige Jagd gemacht, so wie sie es zuvor bei dem Familienbund der Tyrannen hatten beobachten können.

Femke duckte sich in das hohe Schilfgras, welches am Rand des Mangroven-Gewässers wuchs. Die langen Blätter kratzten auf ihrer Haut, doch boten gute Deckung vor einer weiteren Kutsche, die gerade die Schneise entlang gefahren kam – gezogen wurde sie von einem Pachycephalo, so wie es in Zodiac üblich gewesen war.

Mittlerweile ging die Sonne bereits wieder unter und der Abend nahte. Der Wald und das Schilf warfen lange, tiefe Schatten, in denen Femke mit ihren Kameraden gut untertauchen konnte, um sich zu besprechen.

Anton ließ sich ebenfalls aus der Luft in das Dickicht sinken und verwandelte sich dort zurück in seine menschliche Form. Seine Stirn sah ganz zerknittert aus, so sehr zog er seine Augenbrauen zusammen, als er wütend auf die Zerstörung blickte, die die Piraten verursacht hatten.

„Was sollen wir tun? Es sind so viele Piraten, da können wir nicht einfach hineinspazieren", murrte er unzufrieden.

Femke hatte ihn selten so erzürnt erlebt, aber sie konnte seinen Ärger nachvollziehen. Die Piraten benahmen sich, als ob alles, was in ihr Blickfeld kam, ihnen gehörte und ihnen unterlegen war.

„Der Plan bleibt bestehen. Ich wette am Ende der Schneise befindet sich der Schiffshafen der Piraten. Dort werden wir nach Verbündeten suchen, durch die wir Kontakt mit Zodiac halten können", entgegnete Femke im Flüsterton.

Der Wald war so schrecklich still und es wehte kaum ein Lüftchen, welches dafür hätte sorgen können, dass das Blätterdach raschelte. Femke hatte Angst, dass man sie hören würde, wenn sie ihre Stimme zu sehr hob.

„Und wie sollen wir unbemerkt zum Hafen gelangen? Phorkys lässt sicherlich nicht jeden beliebigen Zodiac-Bewohner an die Oberwelt. Die Leute, die hier herumlaufen, sind ausgewählt. Wir können uns nicht einfach unter sie mischen", konterte Anton.

„Da hast du wohl recht", murmelte Femke nachdenklich.

Der Abend brach bereits an, sodass Anton sich in Kürze nicht mehr verwandeln könnte. Doch ihre Hoffnungen waren noch nicht zerschlagen, denn Femke erinnerte sich noch sehr wohl an Ningyos Worte.

„Wir werden uns als Händler ausgeben", sprach sie lächelnd.

Anton zog verwundert seine Augenbrauen in die Höhe. „Händler?"

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt