KAPITEL VI | Im Wald

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Taros Truppe schlug sich auch noch durch den Wald, der immer dichter und erdrückender zu werden schien, als es bereits dunkel wurde.

Olga hatte sich zurückverwandeln müssen, nicht nur, weil die Nacht anbrach, sondern auch, weil ihr Flugdrache zu groß war, um in einem solch dichten Wald starten und landen zu können.

Langsam wurde Taro unruhig. Er wollte einen sicheren Schlafplatz für seine Kameraden finden, aber der Wald war zu unübersichtlich, als dass man ein sicheres Lager hätte aufschlagen können und einen geeigneten Baum zum Nächtigen hatten sie auch noch nicht finden können.

Taro hielt seinen Blick stets nach oben gerichtet, in der Hoffnung, dort einen Schlafplatz für sie zu erspähen. Er war so fokussiert auf das Geäst oberhalb, dass er den restlichen Wald beinahe vollständig ausblendete.

Zumindest, bis ihn plötzlich eine Hand hart an der Schulter zurückhielt.

Taro hielt erschrocken inne und blickte ungläubig auf die schlanken Finger herab, die ihn zurückhielten. Blasse Haut, so kalt, als wären sie bereits abgestorben und Nägel schwarz wie die sich ankündigende Nacht.

Die Hand gehörte zu Lir. Der Pirat ließ ihn augenblicklich los, nachdem er Taros wütenden Blick abgefangen hatte, dann nickte der schlaksige Mann herüber zu etwas, was vor Taro lag.

Als dieser sich nach vorne drehte, erkannte er, dass sich genau vor seinen Füßen eine Kuhle im Waldboden befand, die bewachsen mit Dornengewächsen war. Der Grünhaarige wäre direkt hineingetrampelt, wenn Lir ihn nicht zurückgehalten hätte.

Taro konnte Lir nicht ausstehen. Auch wenn er den Aufständlern oft genug geholfen hatte, hatte er dennoch Ginas Arm abgehackt und bis zum heutigen Tag keinen Funken von Reue dem bezüglich gezeigt. Soweit er wusste, hatte Lir sich noch nicht einmal bei Gina entschuldigt – wobei das eigentlich egal war, denn eine Entschuldigung würde Ginas Verlust nicht wieder gut machen.

Lir war damals der Erste Offizier der Piraten gewesen und Taro konnte und wollte dem anderen nun nicht sein Leben anvertrauen.

Und dennoch hatte der andere ihm soeben geholfen.

Taro zischte wütend auf, machte einen Bogen um die Grube im Boden und marschierte strammen Schrittes weiter.

„Wir müssen uns beeilen, einen Schlafplatz zu finden", sagte Taro, um der Stille zu entfliehen.

„Da is' ein hohler Baum", ertönte plötzlich Lirs Stimme – schwach und leise, sogar in der Stille des Waldes.

„Und?", entgegnete Taro.

„Er kann uns Schutz bieten. Es is' besser als nichts", erklärte Lir sich.

Nun entdeckte auch Taro den genannten Baum, nicht weit von ihnen entfernt.

Ein Mammutbaum, der in der Mitte umgeknickt war. Die Baumkrone, die weiter entfernt auf dem Boden auflag, war bereits kahl – die Blätter restlos abgestorben. Der untere Teil des Baumes, war vollkommen hohl und bildete einen schützenden Raum. Vermutlich wimmelte es dort von Insekten, aber zumindest konnte Taro keine Drachen erspähen.

So sehr es ihm auch missfiel, aber Lir hatte recht. Dieser Baum war ihre bisher beste Chance, die Nacht zu überstehen.

„Gut", stimmte Taro dem Vorschlag zu. „Wir werden die Nacht hier bleiben. Ich übernehme die erste Wache und Hannah die zweite, wenn das für dich in Ordnung ist."

Olga war sicherlich müde von ihrem langen Flug an diesem Tag und Lir und Isalie würde er so schnell keine Wache anvertrauen, also war Hannah seine letzte Ausweichmöglichkeit. Er kannte auch sie nicht sehr gut, aber sie kam aus Zodiac und schien Skalli gekannt zu haben, denn er hatte die beiden ab und zu miteinander reden sehen, also würde sie ihre Aufgabe sicherlich gut machen.

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt