Dragontale - Neuzeit I

KAPITEL XIX | Alte Verbündete

Der Brief, den sie verfassten beinhaltete in der Tat keine einzige Information. Sie fragten dort lediglich, reduziert auf wenige Zeilen, ob Lawrence in Ordnung sei und bereit wäre, weitere Nachrichten zu erhalten.

Anton flog gleich am nächsten Morgen los, um den Zettel über das Gebirge hinweg zu dem alten Baum in den Mangroven zu tragen. Mittlerweile sollte er geübt in dem Weg sein, schließlich war es auch Anton gewesen, der damals mit den Galots Kontakt aufgenommen hatte.

Femke machte sich dementsprechend wenig Sorgen um den Wächter und nutzte ihren freien Tag nach der langen Reise dafür, um ihre Zeit mit Karin und Gina zu verbringen.

Ihre Schwester saß mit ihrem Kind vor der Hütte, die für die Mütter Ekliptiks errichtet worden war. Gina saß neben ihr. An ihrem Armstumpf war mittlerweile eine stabile Prothese befestigt worden, die Kadira gebaut hatte. Sie bestand, so wie die von Kappa, aus Drachenknochen, was Gina zu Anfang gar nicht gefallen hatte. Knochen waren jedoch stabiler als Holz, das musste auch Gina bald feststellen, sodass sie der Prothese eine Chance gab. Die Hand entsprach momentan einer Harke. Gina konnte damit zumindest kleinere Gegenstände halten oder das Zauntor zum Viehgehege öffnen und schließen. Kadira arbeitete daran, weitere Aufsätze für die Handprothese zu basteln.

„Es ist eine schöne Abwechslung, dass eine so wichtige Mission ohne Verletzte abgeschlossen wurde", murmelte Karin soeben mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen, während sie Malou dabei beobachtete, wie sie über den Boden krabbelte und nach Stöcken und Steinchen griff, die sich dort im Sand versteckt hatten.

„Das stimmt", entgegnete Femke. „Hat sich Malou, während wir fort waren, noch einmal verwandelt?"

Karin seufzte. „Gestern Morgen. Dieses Mal war es zum Glück ein Pachycephalo. In dieser Form konnte sie zumindest nicht wegfliegen."

„Bislang entwickelt sie sich, wie X es erzählt hatte", bemerkte Femke.

Skalli hatte damals erwähnt, dass X davon erzählt hatte, ein Halbdrache zu sein, der dementsprechend zwei Drachenformen besaß. Bei Malou war es ebenso. Sie konnte sich in die Drachenformen ihrer beiden Eltern verwandeln – Den Pachycephalo hatte sie von Karin geerbt und den Nemicolo von Piet. Außerdem verwandelte das kleine Kind sich unabhängig von den Tageszeiten. Vor der Hütte, in der Karin und Malou schliefen, hing deshalb bereits ein Netz, um zu verhindern, dass Malou eines nachts in ihrer Flugdrachenform davonfliegen würde.

„X hätte uns so viel über Malou beibringen können. Es ist eine Schande, dass sie so plötzlich verstorben ist. Sie schien nett gewesen zu sein", seufzte Gina wehmütig.

„Das stimmt. Ich frage mich, ob sie etwas über Halbdrachen in ihrem Buch niedergeschrieben hat", sagte Karin.

Femke blickte ihre Zwillingsschwester einen Moment nachdenklich an. In den letzten Monaten war Femke so beschäftigt damit gewesen, zusammen mit Freyning wieder Ekliptik zum Laufen zu bringen und nach Skallis Tod wieder einen Alltag herzustellen, dass sie sich nicht wirklich über X und ihr Wissen den Kopf zerbrochen hatte. Doch Karin hatte recht – X war sehr weise gewesen und hatte all ihr Wissen in ihrem Buch festgehalten, welches die ehemaligen Zodiac-Bewohner jedoch nicht lesen konnten.

„Niek könnte es uns sagen", fiel es Femke da wie Schuppen von den Augen.

„Niek?"

„Er hat das Buch und lernt die alte Schrift", begründete die Erste Offizierin.

Gina murmelte: „Ich glaube, Niek möchte in Ruhe gelassen werden."

„Aber es würde sich lohnen zu fragen, oder etwa nicht?", entgegnete Femke optimistisch.

Sie hatte Niek als eine Person kennengelernt, die anderen helfen wollte und es gehasst hatte, nutzlos herumzusitzen. Er mochte noch trauern, aber Femke glaubte noch immer, dass Niek die Bewohner Ekliptiks als seine Kameraden betrachtete, welche er nicht so einfach im Stich lassen würde.