KAPITEL XXVIII | Verstoßen

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Anton hatte sich schnell mit seiner neuen Aufgabe abgefunden, alle paar Tage herüber zu den Mangroven auf der anderen Seite der Gebirgskette zu fliegen und dort entweder eine Nachricht abzulegen oder die Antwort von Lawrence einzusammeln.

Die Aufgabe erinnerte ihn an den Briefkontakt, den er damals heimlich mit Alea Galot gehalten hatte, nur war es dieses Mal eine offizielle Angelegenheit, sodass er sich nicht so schlecht dabei fühlen musste.

Damals hatte er sich stets wie ein Krimineller gefühlt – wie er heimlich ein- und ausgeschlichen war. Doch darum musste er sich nun nicht mehr sorgen. Seine Kameraden wussten Bescheid. Er konnte ruhigen Gewissens seine Aufgabe erledigen.

Auch dieses Mal fand er einen Brief von Lawrence vor. Er sammelte ihn ein und flog eilig wieder davon. Die letzten Male, hatte er sich die Zeit dafür genommen, den Zettel zu lesen, ehe er ihn eingesammelt hatte, doch er hatte sich nach einigen Unterhaltungen, die er im Lager mit seinen Kameraden und Mitbewohnern geführt hatte, dazu entschieden, dass es klüger war, möglichst schnell wieder davonzufliegen. Anton wollte vermeiden, dass man ihm einen Hinterhalt stellte und im angrenzenden Unterholz auflauerte.

Doch auch dieses Mal konnte er sich erfolgreich mit dem Brief auf den Rückweg machen. Es erwartete ihn kein Hinterhalt und keine Falle – keine Piraten, die auf ihn schossen und auch keine gefährlichen Drachen, die nach ihm schnappten.

Vor wenigen Tagen hatten Anton für die Aufständler ihren Antwortbrief bei Lawrence abgegeben. Sie hatten auf Selkies Ausschluss von den Piraten geantwortet und hatten Lawrence gebeten, weitere Details über die Personen herauszufinden, die er momentan als zukünftige Verbündete ins Auge genommen hatte. Nun war Anton umso gespannter darauf, was Lawrence ihnen in seinem neuen Brief zu berichten hatte.

Als Anton bereits wieder über die Bergkämme flog, um zurück nach Ekliptik zu kehren, fiel ihm ein auffällig roter Punkt inmitten der steinernen Fläche der Berge ins Auge. Die Regenmonate standen kurzbevor und in den Hochlagen des Gebirges fing die Landschaft bereits an, zunehmend trist und öde auszusehen. Unter diesen Umständen war es nicht schwer, den roten Fleck zu erspähen. Anton nahm interessiert etwas an Höhe ab, um aus der Luft besser sehen zu können, um was es sich bei diesem farbintensiven Fleck handelte. Schnell stellte sich heraus, dass es ein in rotgekleideter Mensch war.

Zuerst dachte Anton, dass es sich sicherlich um eine Person vom Stamm handeln musste, doch es war seltsam, dass diese Person allein unterwegs war. Die Stammesleute gingen nur in Gruppen auf Patrouille. Außerdem war es für den Stamm nicht üblich, rot zu tragen. Sie kleideten sich in Fellen und Tierhäuten, nicht in rotem Samt.

Die Entdeckung machte Anton stutzig und er ließ sich immer weiter in Richtung Boden sinken, um die Situation besser einschätzen zu können, doch egal wie niedrig er sank, er konnte keine weiteren Personen entdecken. Bei dem Wanderer handelte es sich um eine Frau, so wie Anton nun feststellen konnte und sie schien bis auf ein Schwert unbewaffnet zu sein.

Er entschied sich, die Fremde zu konfrontieren. Es war gefährlich allein durch das Gebirge zu streifen und Anton wollte ausschließen, dass es sich um einen verirrten Stammesbewohner handelte – auch wenn dies zunehmend unwahrscheinlich erschien.

Der Flugdrache setzte zur Landung in einiger Entfernung zu der Frau an. Weit genug entfernt, um einen sicheren Abstand zu haben, aber nahe genug für die Frau, um seine Verwandlung zu beobachten.

Wenn es sich bei der Fremden tatsächlich um eine Stammesfrau handelte, sollte Anton sich bereits Pluspunkte ergattert haben – der Stamm vergötterte Drachen und Leute wie die Aufständler, die eine Drachenform besaßen.

„Hast du dich verlaufen?", fragte Anton in die Richtung der Frau, welche einige Meter vor ihm zum Stehen gekommen war und ihn nun misstrauisch musterte. „Gehörst du zum Stamm?", fragte Anton zweifelnd weiter, als die Fremde ihm nicht antwortete.

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt