KAPITEL XVIII | Geiselnahme

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„Wie wäre es, wenn du Gen als Wächter nimmst", schlug Taro hektisch vor. „Er hat mich immerhin gefangen und sollte dementsprechend noch viel talentierter sein als ich."

„Nein, dieser Perverse ist nicht so wie du", entgegnete Basil gereizt. „Du hast die Fähigkeiten eines Monsters."

Monster, dachte Taro sich erzürnt. Die Worte erinnerten ihn an Hendrik Van Loon. Auch er hatte die Aufständler als Monster bezeichnet.

Auch der König selbst schüttelte auf Taros Vorschlag hin wild mit dem Kopf. „Lykken sollte nicht einmal das Recht haben unser Anwesen zu betreten. Auf keinen Fall wird er ein Wächter." „Ich werde auch nicht euer Wächter werden", protestierte Taro. „Was gibt euch das Recht anzunehmen, dass ich nach eurer Nase tanze?"

„Du bist ein Eindringling in meiner Stadt. Du kannst froh sein, dass ich dich nicht gleich
umbringen lasse", drohte der König und kam einen Schritt näher. So nah, dass Taro die verschiedenen Brauntöne in den Augen des Mannes erkennen konnte. Seine Wächter machten sich automatisch bereit, ihren König zu verteidigen, in dem Falle, dass Taro sich entscheiden würde, ihn nun auf diese kurze Distanz doch noch anzugreifen.

Wenn Taro genauer darüber nachdachte, hatte der König Recht. Er konnte wirklich froh sein, dass man ihn nicht gleich erschossen hatte. Und dennoch, Taro würde sich von diesen Städtlern nicht unterdrücken lassen – aber das musste sie nicht unbedingt wissen.

Taro kam eine Idee und er schlug sogleich vor: „Ich mache euch ein Angebot: Ich würde in Betracht ziehen, euer Wächter zu werden, wenn ihr dafür meine Kameraden befreit."

„Auf gar keinen Fall. Ihr Wilden seid Eindringlinge. Wir werden euch nicht einfach so befreien!"

Auch der Kronprinz musste bei dieser Annahme herzlich auflachen, während Isabelle nur verzweifelt versuchte Blickkontakt mit Gen aufzubauen, um zu verstehen, was vor sich ging.

Es war offensichtlich, dass die Königsfamilie nicht verhandeln würde. Sie wusste, dass sie in diesem Moment überlegen war.

Doch mit einem Mal ging alles ganz schnell. Gen löste ohne Vorwarnung den Griff um Taros Arm und erreichte den König innerhalb eines Herzschlags – so schnell konnte nicht einmal der überrumpelte Wächter reagieren. Gen hatte den König mit einem gezielten Schlag gegen den Kopf ausgeknockt und der Mann stürzte wie ein nasser Sack zu Boden.

Taro hatte keine Zeit darüber nachzudenken, ob das, was sie taten, der richtige Weg war. Dafür war es nun zu spät. Er löste seine Hände blitzschnell aus den ‚Fesseln' und schlug sowohl Basil als auch den Wächter mit gekonnten Tritten nieder.

Isabelle, welche geschockt beobachtete, wie ihre Familie bewusstlos zu Boden fiel, fing panisch zu Kreischen an. „Gen!", rief sie zuerst aus. Dann wandte sie sich jedoch um und schrie, in der Hoffnung, eine Wache würde ihre Rufe vernehmen: „Hilfe, Hilf-!"

Gen war an ihre Seite gesprintet, hatte sie von hinten gepackt und ihr den Mund zugehalten.

Ihre Schreie verstummten, doch die Kronprinzessin zappelte noch immer wie wild im Arm des Mannes. Ihre Augen hatte sie weit aufgerissen – der Anblick tat Taro leid. Er wusste, dass Isabelle Gen vertraut hatte und Gen hatte all dieses Vertrauen soeben aus dem Fenster geschmissen.

„Isabelle", versuchte Gen die Kronprinzessin zu beruhigen, doch die Frau dachte nicht einmal daran, ihre Gegenwehr einzustellen. Sie zappelte und trat nach Gen, doch dieser war viel stärker als die zarte Prinzessin.

„Isabelle, bitte", setzte Gen erneut an. Seine Stimme war ruhig, doch er atmete schwer von der Anstrengung die Frau ruhig zu halten. „Ich tu dir nichts. Ich würde dir niemals etwas antun." Isabelle blickte mit großen Augen über ihre Schulter hinauf zu Gen. Ihr ganzer Körper stand auf Spannung, doch sie beruhigte sich ein wenig und zappelte nicht mehr so viel, sodass Gen ihr versuchte zu erklären: „Taro und seine Kameraden sind nicht böse, okay?"

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt