KAPITEL XIII | Theater

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„Nimm unsere Ausrüstung und bring uns zu den Zodiac-Bewohnern, die sich hier oben befinden", machte Marja ihr die Bedingungen ihres Handels ein letztes Mal deutlich, sodass Selkie auf keinen Fall auf krumme Ideen kommen würde.

Von Vertrauen konnte man in dieser Situation definitiv nicht sprechen, eher von Verzweiflung.

„Wie ihr wünscht", entgegnete die Piratin leichthin und schulterte sich ihren erworbenen Rucksack. „Folgt mir, aber lasst euren Drachen hier."

„Dafür gibt es keinen Grund. Sarina, du kannst dich wieder verwandeln", richtete Femke sich an den Drachen und beobachtete ruhig, wie die Frau sich zurück in ihre typische Menschenform mit ihren Haaren wie aus Flammen und den Augen tiefblau, wie der Ozean verwandelte.

Selkie beobachtete die Verwandlung seelenruhig, dann warf sie Femke ein kurzes, nicht zu deutendes Lächeln zu und machte kehrt.

Femke wusste nicht, ob Selkie sie soeben verspottet hatte oder beeindruckt gewesen war, aber sie folgte der Frau dennoch eilig und deutete ihren Kameraden an, es ihr gleich zu tun. Sie konnten es sich nicht leisten, die Piratin auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu verlieren.

Selkie führte sie noch näher an den Rand des Piratendorfs, zu einer Hütte, die gleich neben dem Ozean erbaut worden war, welcher kleine Schaumkronen mit sich trug und rhythmisch an das Kiesufer schwappte. Der Mond stand hoch über der unendlichen Wasserfläche. Das schwache Licht wurde mit den Wellen gebrochen und reflektiert.

Femke hatte den Ozean noch nie zuvor von so nah beobachten können und schon gar nicht in der Nacht.

Selkie schien ihren faszinierten Blick zu bemerken, denn sie grinste erneut und kommentierte: „Muss ein tristes Leben sein, welches ihr als Landratten führt."

Femke erwiderte ihren Blick, doch sie lächelte nicht. „Der Wald ist auf seine eigene Art faszinierend."

„Natürlich", schnaubte die Piratin. Es war offensichtlich, dass sie ihr nicht glaubte, doch sie beendete das Gespräch an dieser Stelle und so erwiderte auf Femke kein weiteres Wort.

Nicht viel später kam die Gruppe an der Hütte, die nahe am Ufer erbaut worden war, an. Das Gebäude bestand voll und ganz aus Holz. Die Hütte war nicht groß oder pompös. Sie besaß kein Vordach oder sonstige Verzierungen, die der ausladenden Kastenform der Hütte entgegengewirkt hätten.

„Hier schlafen ehemalige Zodiac-Bewohner, die uns beim Aufbau unseres Hafens helfen, um aus dem Loch da unten herauszukommen", verkündete Selkie leise, sodass die Stille der Nacht ihre Stimme nicht zu weit davontragen konnte.

„Wieso werden sie nachts nicht zurück nach Zodiac gebracht, wenn Phorkys ihnen so misstraut?", wollte Marja wissen.

„Verlust von Arbeitszeit", verdeutlichte Selkie leichthin: „Durch die Schneise wurde die Zeit, die es benötigt, um zum Ozean zu gelangen, zwar minimiert, jedoch ist es immer noch eine recht lange Strecke."

„Also sperrt ihr sie hier weg", murrte Femke unzufrieden. Sie glaubte nicht, dass die Zodiac-Bewohner, die sich hier am Hafen aufhielten, es deutlich besser hatten als die anderen in der Untergrundstadt. Auch hier oben waren sie noch immer Gefangene.

Selkie nickte und fügte hinzu: „Hier werden sie von hochangesehen Piraten bewacht."

Femke hätte wissen müssen, dass es einen Haken an der Sache gab. „Wie sollen wir dann mit den Bewohnern reden?", fragte sie düster.

„Ihr habt nie davon geredet, mit ihnen reden zu wollen. Ich sollte euch nur zu ihnen führen", entgegnete Selkie mit einem Grinsen.

Femkes Miene verzog sich und sie starrte die Piratin zornig in Grund und Boden. Diese lachte herzlich auf, hob beschwichtigend eine Hand und meinte leichthin: „Keine Sorge, Blondie. Ich mache nur Witze." Dann machte sie ohne ein weiteres Wort kehrt, wobei sie ihren langen, geflochtenen Zopf über ihre Schultern warf, und marschierte auf die Eingangstür der Hütte zu.

Dragontale - Neuzeit IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt