Taro trat verzweifelt um sich, doch der Schlamm hatte sich um seine Beine geschlungen, wie tonnenschwere Fesseln, die ihn immer weiter nach unten zogen. Kalt und unerbittlich.
Olgas Schreie konnte er mittlerweile nicht mehr vernehmen und er hoffte inständig, dass die Frau nur bewusstlos und nicht tot war. Hartnäckig trat Taro weiter um sich. Er musste zurück zu seinen Kameraden.
„Salve, brauchst du Hilfe, kleiner Drache?", tönte plötzlich eine klare Stimme zu ihm herüber. Nicht viel später trat ein in schwarz gekleideter Mann aus dem angrenzenden Dickicht. Auf seiner Schulter hatte sich der kleine Vogel niedergelassen, den Taro zuvor noch im Gestrüpp gesehen hatte.
Salve, schoss es Taro durch den Kopf, während er den anderen wütend anfunkelte. Das war eindeutig die Begrüßung, die auch Yves immer verwendete, demnach war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Person aus der Stadt Bronstacken stammte – so wie Yves ihnen erzählt hatte.
„Du solltest stillhalten", sprach der Mann weiter. Eine helle Narbe zog sich sichtlich über seine braune Haut. Sie verlief quer über seine Stirn, verfehlte sein linkes Auge nur um Haaresbreite und zog sich von dort aus quer über seine Wange bis zum Ohr – so als hätte jemand versucht, sein Gesicht zu zerteilen.
Taro biss seine Zähne aufeinander. „Verzieh dich, mit deinen dämlichen Ratschlägen", fauchte er den Mann an. Womöglich gehörte er zu der Gruppe, die seine Kameraden verschleppt hatte.
„Ich meine es ernst. Halt still", fuhr der Fremde dennoch fort. Eine Sorgenfalte bildete sich auf seiner Stirn, als er Taros bis zu den Knien verschlungene Beine musterte. „Desto mehr du dich bewegst, desto schneller versinkst du im Treibsand."
„Deine Leute haben meine Freunde", hisste Taro statt dem Ratschlag des anderen zu folgen. Er versuchte den Schlamm mit seinen Armen von sich wegzuschieben und wurde als Antwort noch ein Stückchen mehr von dem schleimigen Boden verschluckt.
Der Schlamm um ihn herum gluckerte, so als würde er ihn auslachen.
„Ich bin allein unterwegs, versprochen", sprach der Fremde da lediglich und hievte einen dicken, schweren Ast vom Waldboden. Den Ast warf er neben Taro auf den Schlamm und stellte sich selbst als Gegengewicht auf das andere Ende, welches noch immer festen Grund unter sich hatte. Seine Stimme war klar und geduldig, als er sagte: „Zieh dich langsam an dem Ast heraus."
Taro warf dem Holzstück einen missbilligenden Blick zu. Der Ast war kaum in seiner Reichweite. „Kannst du nicht zielen oder so?", zischte der Aufständler gereizt.
Sein Gegenüber lächelte unbekümmert. „Mach dich lang. So verteilst du dein Gewicht auf eine möglichst große Fläche. Das ist die einzige Chance, dich aus dem Treibsand zu ziehen."
Noch einen Augenblick dachte Taro über seine Möglichkeiten nach. Es war verlockend, seinem Gegenüber noch weitere Beschimpfungen an den Kopf zu schleudern, andererseits würde er seine Kameraden dadurch nicht retten können – und sich selbst schon gar nicht.
Er wusste nicht, ob man sie alle gefangen hatte. Vielleicht hatte es nur Olga unglücklich erwischt, aber im schlimmsten Fall, waren alle seine Kameraden geschnappt worden. Wer würde sie retten, wenn Taro nun hier versauern würde?
Taro entschied sich, die Hilfe des Fremden vorerst anzunehmen. Falls dieser ihn daraufhin in einen Hinterhalt locken würde, könnte Taro sich immer noch besser zur Wehr setzen, als wenn er in diesem Schlamm feststeckte und in einen Hinterhalt geriet.
Der Grünhaarige folgte also den Anweisungen des Fremden und machte sich so lang wie möglich, ehe er sich mit dem Bauch voran auf den Schlamm fallen ließ. Mit seiner Hand erreichte er den Ast gerade eben so – einen Zentimeter weiter entfernt und Taro hätte ein wirklich großes Problem gehabt.
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Dragontale - Neuzeit I
FantasyNach dem Verlust ihrer Kameraden sind einige Monate vergangen und das Leben in Ekliptik geht weiter. Während die Aufständler noch trauern und damit beschäftigt sind, wie sie weiter gegen die Piraten vorgehen sollen, kommt der Stamm auf sie zu und bi...