KAPITEL XI | Verhandeln

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Femke fühlte sich nicht wohl, als sie mit Sarina in ihrer Drachenform und Marja die Schneise der Piraten betrat.

Der Paralophus ging auf allen Vieren beinahe lautlos neben ihnen. Die Haut des Tieres war gestreift, sodass sie nahezu mit der angrenzenden Baumreihe am Schneisenrand verschwamm. Das schnabelähnliche Maul hielt Sarina hoch erhoben und sie blickte mit wachen Augen umher – beinahe schon zu wach und unruhig, sie könnte auffallen.

Neben ihnen benutzte niemand die Schneise. Womöglich war es doch von Vorteil, dass sie nun in der Nacht ihre Mission starteten. Zu dieser Zeit befanden sich womöglich weniger Piraten an der Oberwelt, sodass ihre Chance entdeckt zu werden, geringer war.

Doch Femkes Hoffnungen schwanden schnell. Desto weiter sie der Schneise an den Mangroven vorbei folgten, desto belebter wurde sie. Die ersten Hütten kamen in Sicht, die am Rande der Schneise errichtet worden waren und nicht viel später schob sich auch der weite Ozean in ihr Blickfeld. Am Ufer hatten die Piraten einen breiten Steg erbaut und daneben schaukelte bei sachten Wellengang ein Schiff mit dreckigen Segeln.

„Haltet Ausschau nach Personen ohne Drachenmerkale", richtete Femke sich im Flüsterton an ihre beiden Kameraden. „Sie sind am ehesten Zodiac-Bewohner."

Sie passierten die ersten Piraten, die ihnen zwar aufmerksame Blicke zuwarfen, ihnen jedoch keine weitere Beachtung schenkten. Femke und Marja spazierten mit aufrechter, selbstbewusster Haltung an ihnen vorbei, so als hätten sie nichts zu verbergen.

Dort wo die Schneise auf den Meeresarm traf, wurde sie breiter. Auf der abgeholzten Fläche war eine Reihe von Hütten erbaut worden. Der Hafen der Piraten sah aus wie eine kleine Siedlung. Unter dem Vordach einer der Hütten saß ein Pirat mit Drachenmerkmalen, der stumpf gewordene Waffen schleifte. Nicht weit entfernt konnte Femke warmes Licht um eine Hausecke flackern sehen – vermutlich ein Lagerfeuer, welches dort außer Sichtweite errichtet wurde. In der Nähe des Stegs hatten die Piraten Fässer und Kisten gelagert, die vermutlich mit ihren erbeuteten Schätzen gefüllt waren oder in Zukunft mit eben diesen gefüllt werden sollten.

„Hey!", rief es plötzlich hinter ihnen.

Femke blieb stehen. Ihr Herz raste wie wild, doch sie drehte sich ruhig zu der Stimme um. Sie versuchte neutral ihren Gegenüber zu mustern – sie wollte nicht lächeln, aber auch nicht zu grimmig dabei wirken.

Der Mann, der vor sie und Marja trat, fragte schroff: „Wer seid ihr und woher kommt ihr?"

„Wir sind Wanderhändler auf der Durchreise. Wir haben gehört, dass es hier wertvolle Ware zu handeln gibt", antwortete Femke trotz ihrer inneren Unruhe mit fester Stimme.

„Wo habt ihr das gehört?", zischte der Mann schroff. Er hatte dreckige, blonde Haare und Kleidung, die aus unterschiedlichsten Stoffen zusammengeflickt worden war.

Femke spürte, wie ihre Nervosität noch ein Stückchen weiter stieg, dann dachte sie sich schnell eine Lüge aus: „Ein Stamm in den Bergen erzählte davon. Man erzählt sich, dass ihr gute Waffen besitzt."

Bei diesen Worten lachte der Pirat begeistert auf. Seine schwarzen Augen spiegelten den nächtlichen Himmel, so weit riss er sie auf. „Wir sind bestens ausgerüstet. Wenn ihr auf falsche Ideen kommt, dann werdet ihr unsere tollen Waffen auch spüren", lachte er.

Femke lächelte kalt. „Kein Grund zur Sorge, wir suchen nur jemanden, mit dem wir handeln können."

„Viel Erfolg dabei", spuckte der Pirat förmlich aus und machte dann auf dem Absatz kehrt. Noch beim Weggehen konnte Femke ihn hämisch lachen hören.

Femke warf Marja einen Blick zu. Diese erwiderte ihn, ehe sie ebenso planlos mit den Schultern zuckte.

Vermutlich war es besser so, dass dieser Pirat sie nun allein ließ. Sie sollten sich glücklich schätzen, dass sie nicht als Gefahr eingeschätzt wurden und man sich stattdessen nur über sie lustig machte.

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