Als Femke am nächsten Morgen zum Frühstück an der Feuerstelle saß, erstickte sie beinahe an den Resten der gestrigen Suppe, die sie gerade verspeiste, als sie Niek die Treppenstufen herab ins Lager stiefeln sah.
Femke hustete und prustete, dann stand sie röchelnd auf und rannte eilig herüber zu dem seltenen Besucher.
„Niek", grüßte sie den Mann mit noch heiserer Stimme von ihrem morgigen Kampf mit dem Frühstück.
„Ich habe mir das Buch angeguckt", begründete Niek seine Anwesenheit sogleich und hielt eine ledernde Tasche in die Luft, in der er offensichtlich X's Buch transportiert hatte. „Habe ein paar Sachen herausfinden können, ich weiß aber nicht, wie hilfreich sie euch sein werden."
„Das ist fantastisch!", rief Femke dennoch enthusiastisch. „Uns kann alles helfen. Wenn es okay ist, kann ich Karin holen und dann können wir uns hinsetzen und ein bisschen reden."
„Ja, lass uns dafür reingehen", schlug Niek sogleich vor.Femke blickte hinauf zum Himmel, doch dieser war klar und deutete nicht auf Regen hin. „Warum?", fragte sie den anderen dementsprechend, während sie Niek herüber zum Bau von Karin und Mona führte.
Niek sah so aus, als ob er nicht gerne auf die Frage antwortete, tat es jedoch trotzdem brummend: „Da ist es ruhiger."
Femke war sich sicher, dass er damit wirklich meinte, dass er verhindern wollte, dass er die ganze Zeit über von seinen Kameraden angesprochen werden würde. Wenn Kadira ihn sehen würde, wäre der Aufruhr besonders groß – die Erfinderin würde sicherlich drei Tage lang, ohne Pause anfangen zu plappern und Niek erst gehen lassen, wenn dieser vor Erschöpfung umkippte.
Femke respektierte seine Bitte, auch wenn es sie traurig machte. Sie weihte Karin kurz in ihre Pläne ein und lud schließlich Niek in das kleine Holz-Tipi ein.
Karin befand sich mit Malou und dem Kind von Mona allein im Zelt – die Mutter befand sich gerade sicherlich bei ihrem älteren Jungen Luka.
Als Karin Niek sah, strahlte diese über beide Wangen und sie begrüßte den anderen erfreut. Damals im Königsanwesen der Van Loon hatte Niek viel Zeit mit Malou und dementsprechend auch Karin verbracht und die junge Mutter wusste es sehr zu schätzen, wie viel Arbeit ihr Niek zu dieser Zeit abgenommen hatte – auch wenn dieser es damals vermutlich nur als Zeitvertreib angesehen hatte, um sich seine Langeweile zu vertreiben.
„Sie ist groß geworden", kommentierte Niek überrascht, als er das kleine Menschlein mit den stechend blauen Haaren erblickte.
„Das ist sie", stimmte Karin stolz zu.
Niek zögerte sein Anliegen nicht länger heraus. Er kramte X's Buch aus seiner Tasche, blätterte zu einer Seite in der Mitte des Wälzers und sagte: „Ich habe einige Abschnitte gefunden, in denen X von Halbdrachen berichtet hat, aber vieles davon wisst ihr bereits – denke ich."
„Erzähl uns trotzdem alles", meinte Karin gespannt. „Nur, um sicher zu gehen."
Niek nickte und hielt sich das Buch unter die Nase, um noch einmal nachzulesen. Er kniff die Augen zusammen, so als hätte er Probleme, die Schrift zu erkennen, doch Femke wusste, dass es nicht an Nieks Augen lag. Seine Reptilienaugen waren schärfer als die, einiger seiner Kameraden, aber Niek hatte schon damals Schwierigkeiten mit den Schriftzeichen aus Zodiac gehabt und mit der alten Schrift schien es ihm nicht großartig anders zu ergehen.
Nach einer Weile nickte er nachdenklich und sprach schließlich: „Ihr wisst, dass Halbdrachen sich zu beiden Tageszeiten verwandeln können und jeweils zwei Formen besitzen – vom Vater und der Mutter, richtig?"
„Korrekt", bestätigte Femke.
„Die Drachenmerkmale haben Kinder von Geburt an, das ist, denke ich, offensichtlich", murmelte Niek leise vor sich hin, dann sprach er wieder etwas lauter: „Halbdrachen werden es später leichter haben, wilde Drachen zu zähmen, da sie von diesen am ehesten als Artgenossen angesehen werden." Niek blätterte eine Seite weiter und fuhr fort: „Abhängig von der Drachenform, werden sie von kleineren Karnivoren eher respektiert und könnten somit ihr Territorium verteidigen."
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Dragontale - Neuzeit I
FantasyNach dem Verlust ihrer Kameraden sind einige Monate vergangen und das Leben in Ekliptik geht weiter. Während die Aufständler noch trauern und damit beschäftigt sind, wie sie weiter gegen die Piraten vorgehen sollen, kommt der Stamm auf sie zu und bi...