„Wie gedenkst du, in die Stadt zu gelangen?", fragte Taro, während er versuchte mit den großen Schritten des anderen mitzuhalten.
Gen schlug sich unbekümmert mit einem seiner Messer einen Weg durch das dichte Buschwerk des tropischen Waldes, dessen Boden stetig sumpfiger wurde. Um sie herum ragten gigantische Bäume in die Höhe, sowie Riesenfarn – mit Blättern so groß wie ein ausgewachsener Mensch und einem Stamm, so dick, dass das Gewächs schon eher einem kleinen Baum glich.
Taro befürchtete jeden Augenblick erneut in Treibsand treten zu können, doch Gen schien sich offensichtlich mit dem unwegsamen Gelände auszukennen, denn er schlug sich zielsicher durch den Farn und all die Gingko-Blätter. Taro hielt sich dicht bei ihm, um bloß keinen falschen Schritt zu tätigen.
Gen warf ihm ein Lächeln über die Schulter zu und entgegnete: „Genau so, wie ich herausgekommen bin."
„Und das wäre wie genau?", murrte Taro augenrollend.
Gen lachte und duckte sich im selben Augenblick unter einem Vorhang von Efeuranken hinweg. Als Taro ihm folgte, kam er überrascht zum Stehen. Die große Mauer aus rotem Lehmgestein ragte direkt vor seiner Nase empor. Der Wald war so dicht, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sie sich der Stadt angenähert hatten.
Nicht weit zu ihrer Seite konnte Taro einen Fluss gluckern und rauschen hören.
Gen führte ihn wortlos einige Meter die Mauer entlang, bis sie an dem Flusslauf angelangten. Der Strom war recht breit und floss in einem trägen Tempo an ihnen vorbei. Das Wasser verschwand in einer vergitterten Tunnelunterführung unter der Mauer. Algen waren an den Gitterstäben hängengeblieben und bildeten dort auf der Wasseroberfläche einen grünen Teppich.
„Müssen wir durch das Wasser?", mutmaßte Taro unglücklich.
„Kannst du nicht schwimmen?", fragte Gen plötzlich besorgt.
„Doch, kann ich", beruhigte der Grünhaarige den anderen. Taro konnte dank seiner Drachenform sogar fantastisch schwimmen und eigentlich mochte er das Wasser auch, aber nicht, wenn es sich dabei um einen Fluss voller Algen inmitten eines sumpfigen Gebietes handelte. Das Wasser war ganz trüb und braun, von all dem Schlamm, den es mit sich trug.
„Ich versichere dir, dass es nicht weit ist", versuchte Gen ihn zu besänftigen, ehe er mit seinen kniehohen Stiefeln in die braune Brühe trat.Taro wünschte sich plötzlich auch wasserdichte, hohe Stiefel. Stattdessen mussten seine alten Stoffstiefel herhalten – wobei er selbst davon nur noch einen besaß. Den anderen musste er schließlich im Treibsand zurücklassen, sodass er halb barfuß durch den Wald stapfen musste. Es grenzte an ein Wunder, dass er sich noch keinen Splitter oder Dornen eingefangen hatte.
Gen, der bereits mit beiden Füßen im Wasser stand, hielt sich nah an der Mauer und suchte dort nach Halt an den Ranken, die dort die Steinmauer emporgeklettert waren. Er hielt Taro eine helfenden Hand entgegen.
Dieser wollte die Hilfe des anderen ignorieren, welches jedoch nur dazu führte, dass er auf dem schlammigen Ufer des Flusses ausrutschte und nicht sehr elegant in das Flusswasser schlitterte.
Gen griff nach seiner Schulter, um ihn davor zu retten, vollends in das nach Algen stinkende Wasser zu stürzen.
Der Dunkelhaarige kommentierte seine Ungeschicktheit daraufhin nicht weiter, sondern wandte sich schweigend ab und folgte vorsichtig der Mauer.
Dieses Mal war auch Taro achtsamer und hielt sich zur Sicherheit an den Ranken fest.
Es waren nur ein paar Meter bis zur Tunnelöffnung. Die Gitter dort verliefen senkrecht und standen dicht an dicht nebeneinander. Ein Mensch passte dort nicht hindurch, doch Gen watete dennoch zielsicher herüber zu der ersten Stange, packte diese, rüttelte etwas an ihr und löste den oberen Teil aus ihrer Verankerung, um sie zur Seite zu bewegen.
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Dragontale - Neuzeit I
FantasyNach dem Verlust ihrer Kameraden sind einige Monate vergangen und das Leben in Ekliptik geht weiter. Während die Aufständler noch trauern und damit beschäftigt sind, wie sie weiter gegen die Piraten vorgehen sollen, kommt der Stamm auf sie zu und bi...