Taro war überglücklich, als er endlich wieder den Heilerbau verlassen durfte. Er hatte gedacht, der Stubenarrest würde ihn in den Wahnsinn treiben. Jorik war ihm gegenüber zwar nett gewesen und hatte nicht all zu viele Aufgaben an ihn abgeschoben, aber dafür hatte er unendlich viel geredet. Und wenn Jorik nicht geredet hatte, dann hatte er entweder Besuch von Anton oder von Gen bekommen und der Redeanteil war an eben diese übergegangen.
Noch war es Taro zwar nicht erlaubt, an Patrouillen teilzunehmen, weil er sein Bein noch immer nicht allzu lange belasten konnte, aber zumindest durfte er wieder im Lager helfen und Wache auf dem Wächterbaum halten. Das war ein kleiner Trost.
Das Wetter wurde mittlerweile wieder schlechter. Die wolkigen Tage sammelten sich zunehmend. Es wurde windiger und insbesondere nachts war es ungemütlich und es regnete gelegentlich. Taro hatte kein Problem mit Wasser, aber er mochte den Matsch nicht, der mit dem Regen kam.
An diesem ebenso wolkigen Tag half Taro einer Frau namens Lumina dabei, die Federn einiger Compsognathus zu rupfen, die die morgendliche Patrouille erjagt hatte. Die beiden saßen zusammen im Schatten der hohen Grubenwand und erledigten schweigend ihre blutige Arbeit.
Als Lumina sich den Aufständlern angeschlossen hatte, hatte sie nicht gut sehen können, jedoch war sie das Risiko einer Erstverwandlung eingegangen und das mit vollem Erfolg. Seit ihrer Erstverwandlung waren ihre blutroten Augen besser geworden. Bei ihrer Drachenform handelte es sich um einen Baryonyx – die Haut und Schuppen waren durch den Albinismus schneeweiß. Lumina war, ganz zu ihrem Vorteil, nachtaktiv. An Patrouillen konnte sie trotzdem nicht teilnehmen – eigentlich war es ein großes Risiko für sie gewesen, überhaupt an die Oberwelt zu kommen –, dennoch brachte sie sich so sehr ein, wie möglich. Manchmal übernahm sie Nachtwachen oder sie übernahm Aufgaben wie diese, bei der sie sich in ihr Gewand gehüllt in den Schatten setzen konnte.
„Anton ist heute Morgen wieder losgeflogen, um zu schauen, ob Lawrence geantwortet hat, oder?", fragte Lumina irgendwann zwischendrin in die Stille.
Taro nickte. „Ja."
„Ich bin gespannt, was bei der Sache herauskommt", sagte die Frau. „Denkst du, es gibt noch einen anderen Weg, Leute aus Zodiac zu befreien, nun wo die Luftschächte abgesichert sind?"
Taro zuckte grummelnd mit seinen Schultern, während er weitere Federn ausrupfte und versuchte, möglichst wenig Blut an seine Hände zu bekommen. „Ich wüsste keine andere Möglichkeit. Die Piraten haben Zodiac nicht grundlos übernommen – es ist gut gesichert."
„Aber sie haben es geschafft."
„Sie haben ja auch skrupellos alles niedergemetzelt, was sich bewegt hat", grummelte Taro und warf den blutigen Federbuschel in seiner Hand beiseite.
Lumina schien zu bemerken, dass ihn das Thema nicht begeisterte, also wechselte sie dieses und fragte stattdessen: „Was hältst du von Gen?"
Taro warf ihr einen mürrischen Seitenblick zu, ehe er seinen Blick wieder auf seine Arbeit senkte und murmelte: „Er ist ganz nett."
„Nicht wahr?", stimmte Lumina ihm sogleich zu. „Und er scheint schlau zu sein."
„Ich hab das Gefühl, dass er sich mit ganz Ekliptik anfreunden möchte", entgegnete Taro. Seine Worte klangen wertend, dabei war es ihm recht gleichgültig. Er glaubte wirklich, dass Gen eine nette Person war, aber er war auch nervtötend – so wie Kadira. Wenn es Gen so wichtig war, dass jeder ihn mochte, sollte er ruhig viele Freundschaften schließen, dann ließ er Taro zumindest zunehmend in Ruhe.
Lumina hingegen schenkte ihm ein Lächeln, ehe sie belustigt schnaubte: „Ich hatte eher das Gefühl, dass er an dir klebt wie eine Klette. Aber so sehr er auch versucht, deine Aufmerksamkeit zu bekommen, du schenkst sie ihm nicht."

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Dragontale - Neuzeit I
FantasyNach dem Verlust ihrer Kameraden sind einige Monate vergangen und das Leben in Ekliptik geht weiter. Während die Aufständler noch trauern und damit beschäftigt sind, wie sie weiter gegen die Piraten vorgehen sollen, kommt der Stamm auf sie zu und bi...