3. Mr. Daddy - Panik

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Aus Sicht von Mr. Daddy: 

Mein Herzschlag überschlug sich und ich bekam kaum mehr Luft. War es eine bescheuerte Idee, die Kleine bei Andrea zu lassen, im Wissen, dass weder Andrea mit Kindern konnte, noch dass Ronja sie instinktiv zu hassen schien? Sicher nicht. Auf der anderen Seite hatte ich schlicht keine Wahl oder besser gesagt keine Alternative gehabt. Ich musste nun mal arbeiten, in der Kanzlei herrschte das blanke Chaos, nach dem einer der Junior Partner nach einem schweren Unfall erst vor ein paar Tagen ausgefallen war und dessen Klienten ich kurzfristig mitübernehmen musste, als hätte ich nicht schon genügend eigene. Ich mein klar, da war ich zum Teil sicher selbst schuld. Aber wenn man Vollpartner werden wollte und seit Jahren darauf hinarbeitete, musste man Leistung zeigen. Perfektion. Da passten private Familienprobleme nicht ins Bild. Ich musste funktionieren. Mich beweisen. Zweihundert, statt der bisherigen hundertfünfzig Prozent geben. Ob ich wollte oder konnte, spielte keine allzu große Rolle. Würde ich jetzt versagen, wäre alles verloren.

Und so stand ich vor einem schwerwiegenden Problem: Bei wem Ronja lassen, die eigentlich gar nicht hätte bei mir sein dürfen? Die meisten meiner Freunde und Bekannten waren wie ich Anwälte. Jung und schnelllebig. Nicht bereit, ihre wenige Freizeit mit Babysitten zu verschwenden. Zudem hätte ich wohl keinem von ihnen ein Kind anvertraut. Also blieb lediglich Andrea. Und auch nur, weil ich wusste, dass sie immer wieder bereitwillig einspringen würde, weil sie scharf auf mich war. Auf mein Äußeres und meinen Status in der Kanzlei. Auf das, was ich mal werden würde. Der Liebling des Chefs. Der Ersatz, für seinen nie existierenden Sohn, der unter der Hand bezeichnete zukünftige Erbe der Kanzlei. Zu dem Zeitpunkt, wäre ich aber auch nie auf die Idee gekommen, dass Andrea einfach fahren könnte, nur weil ich es nicht geschafft hatte, rechtzeitig nach Hause zurückzukommen.

Als mich ihre Textnachricht erreichte, dass Ronja schliefe und sie sich endlich auf den Weg zu einem wichtigen Termin machen müsste, war mir das erste Mal das Herz stehen geblieben. Nachdem ich dann das Meeting unverzüglich beendet hatte, und wie ein Gestörter durch die Nacht zurück nach Hause geflogen war, das Gästezimmer und anschließend das ganze Haus leer vorgefunden hatte, ein weiteres Mal. Nein, das war so nicht ganz richtig. Seit diesem Augenblick, als mir klar wurde, dass Ronja nicht da war, stand mein Herz still. Ich konnte weder atmen noch denken. Meine Hände zitterten und kalter Schweiß brach mir aus allen Poren, als ich mich verzweifelt in meinem Wohnzimmer um die eigene Achse drehte und nicht wusste, was ich tun sollte. Wo ich als Erstes suchen sollte.

Völlig verzweifelt stürzte ich zur Tür hinaus und zur ersten oder besser gesagt einzigen Stelle, die mir in den Sinn kam. Ronja vergötterte diese Häschen. Schon seit Tagen schlich sie um den Zaun herum und blickte immer wieder sehnsüchtig zum Nachbargrundstück. Das Theater gestern Abend, mit Wutanfall auf dem Bürgersteig, war nur die Spitze des Eisberges. Und seit sie danach den Nachbarn kennengelernt hatte, redete sie, ohne Punkt und Komma, von nichts anderem mehr. Da gab es nur noch Keks, Krümel und diesen netten jungen Mann. Also mussten wir heute in meiner späten, sowieso schon viel zu kurzen Mittagspause, die ich mir mit Ach und Krach geradeso freischaufeln konnte, dass ich es schaffte, sie rechtzeitig von der Kita abzuholen, auch noch los, um frische Karotten zu kaufen. Schließlich hatte sie ja noch ein Date mit den beiden Kaninchen, sowie dem Kerl von gegenüber und ich hatte es immerhin heute Morgen versprochen. Ja, musste ich wohl oder übel auch, nachdem sie mir die halbe Kita zusammengebrüllt hatte, dass sie nicht bleiben würde, stattdessen aber lieber mit mir in die Arbeit fuhr. Also hatte ich es versprochen. Und was man versprach, musste man auch halten. Ganz gleich, was geschah und wie viel Zeit man hatte. Folglich waren wir schnell einkaufen, neben Möhren auch noch ein Abendessen für sie, und dann gleich ab zum Nachbarn, bevor Andrea auch schon kam. Wie wir das alles in unter einer Stunde geschafft hatten, blieb mir ein Rätsel.

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