9. Colin - Kinoabend zu dritt

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Ich war gerade dabei Keks und Krümel zu füttern, als meine neuen Nachbarn zur Hofeinfahrt hinauf gefahren kamen.

Nachdem ich am Nachmittag nach Hause gegangen war, wollten sie noch ins Krankenhaus, auch wenn Ian ganz und gar nicht so gewirkt hatte, als hätte er große Lust darauf. Eher so, als wäre mit großen Zahnschmerzen auf dem Weg zum Zahnarzt. Aber wenn ich so darüber nachdachte, was Ronja gestern alles von sich gegeben hatte und der Oma nach geplappert hatte, so mussten die Verhältnisse innerhalb der Familie nicht gerade rosig zugehen.

„Colin!", rief besagtes Mädchen so gleich, kaum, dass sie die Autotür aufgerissen hatte, und stürmte zu mir her rüber. Lächelnd erhob ich mich aus der Hocke und winkte ihr.

„Wir machen eine Kinoparty! Mit Anna und Elsa. Kommst du auch? Onkel Ian hat sogar Popcorn gekauft!", überschlugen sich ihre Worte fast, während sie mein Tor aufstieß und mir um freudestrahlend um die Mitte flog.

„Nicht so stürmisch!", begrüßte auch ich sie lachend und drückte sie ebenfalls zurück. Irgendwie hatte mir dieses kleine Mädchen ruckzuck um den Finger gewickelt und ruckzuck das Herz gestohlen. Es war aber auch viel zu schön, meine Zeit mit ihr zu verbringen. Mit ihnen beiden, wenn ich ehrlich war. Aber ob Ian das auch so sah? Der hatte bestimmt die Schnauze voll, von dem aufdringlichen Nachbarn von neben an, der sich in ihr Leben einmischte.

Lässig lehnte dieser am Auto, mit einer großen, voll bepackten Tüte am Arm baumelnd und tatsächlich einem großen Eimer frischem Popcorn, wie mir schien.

„Ronja, vielleicht hat Colin ja gar keine Zeit", seufzte Ian und ließ die Schultern hängen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er gerade fix und fertig aussah. Und das, nach dem er nach dem heutigen Tag endlich nicht mehr total überfordert ausgesehen hatte.

„Doch, Colin liebt Sven. Und Christoph. Und Olaf", konterte die Kleine und klammerte sich noch fester an mich. „Stimmts, Colin?", wollte sie dann von mir wissen und blickte mir aus so großen Kulleraugen entgegen, dass ich gar keine andere Wahl hatte, als zu nicken.

„Du musst das nicht tun ...", erklang es von gegenüber, dabei hörten sich seine Worte aber nicht so an, als würde er mich nicht dabei haben wollen, sondern eher so, als wäre ihm Ronjas Übergriff peinlich. Peinlich und etwas zu viel.

„Emm ...", versuchte ich die kleine Zecke etwas auf Abstand zu bringen. Erntete aber große Glupschaugen und eine bebende Unterlippe. „Bitteeeeee, Colin!", bat sie erneut und ich nickte, bevor ich mir auch nur einen weiteren Gedanken darüber machen konnte.

Eine Viertelstunde später öffnete mir Ian mit Jogginghose und T-Shirt die Tür. Lächelte, auch wenn es seine Augen nicht erreichte und trat zur Seite, damit ich eintreten konnte.

„Tut mir leid. Du hattest bestimmt Besseres zu tun", murmelte er, während ich an ihm vorbei ins Haus schlüpfte. „Ach was, dann muss ich die Leiche eben erst morgen verstecken", konterte ich zwinkernd und erntete einen skeptischen Blick. „Wirklich. Keine Sorge! Jetzt kann sie eh nicht mehr davonlaufen. Und so schnell zu stinken fangen sie auch nicht an", setzte ich grinsend hinzu, seinen Blick absichtlich falsch deutend.

„Muss ich mir Sorgen machen?", wollte er wissen und ich lachte auf. „Nein, gar nicht. Immerhin bist du doch ein guter Anwalt und kannst mich bestimmt aus jeder nur erdenklichen und vor allem heiklen Situation rausboxen."

Ian blinzelte und schien tatsächlich zu überlegen, was ich hier von mir gab. „Keine Panik. Ich schreibe Thriller und Krimis. Meine Leichen liegen nicht im Keller, sondern existieren lediglich auf dem Papier oder in meiner Fantasie", setzte ich schmunzelnd hinzu, weil er immer noch die Stirn in Falten legte. Irgendwie hätte es mich ja gereizt, darüber zu streicheln, aber ja, sowas machte man einfach nicht, nicht wahr?

Sweet EasterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt