2. Besuch

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Am nächsten Tag, ich hatte eigentlich gar nicht dran geglaubt, läutete es tatsächlich am späten Nachmittag, an meiner Tür. Vor mich hingrinsend, weil ich mich in der Tat über diese Ablenkung freute, schlürfte ich zur Haustür, um sie kurz darauf aufzumachen. Da ich bis gerade eben tatsächlich produktiv gearbeitet hatte, und sogar die Flaute von gestern wieder wettmachen konnte, war meine Stimmung ausgelassen. Dazu jetzt auch noch an die frische Luft, mit echten und nicht nur fiktiven Menschen und meine Schwester würde übergehen vor Stolz.

Wie erwartet stand da das kleine, blonde Mädchen auf der obersten Stufen. Selbst über beide Ohren grinsend und mit zwei riesengroßen Karotten in der Hand. Ihr Haar war heute zu zwei sehr asymmetrischen Pferdeschwänzen gebunden, sodass die ganze Frisur noch wilder als am Tag zuvor wirkte. Ob sie es sich selbst gestylt hatte, oder ob ihr Papa wohl zwei linke Hände besaß? So wie ich die beiden gestern erleben durfte, waren wohl beide Varianten durchaus denkbar.

„Hi!", begrüßte mich die Kleine. „Darf ich Keks und Krümel besuchen? Ich hab ihnen sogar leckere Möhrchen mitgebracht!", setzte sie strahlend hinzu und hielt das Gemüse demonstrativ hoch in die Luft. „Ich weiß nämlich, dass Hasen Möhrchen lieben."

„Hi", grüßte ich ebenfalls lächelnd zurück. „Da hast du natürlich recht. Keks und Krümel lieben Möhrchen", bestätigte ich ihre Aussage und schlüpfte gleich darauf in meine Straßenschuhe, die in einem Regal neben der Tür standen, um meiner Vorbildfunktion nachzukommen und nicht erneut in Socken bei der draußen herrschenden Kälte herumzuspazieren. Griff natürlich auch nach der Jacke und kam zu den beiden nach draußen. Ihr Daddy stand immer noch auf dem Zuweg, erneut im Anzug und die Hände tief in den Taschen der Anzughose. Auf dem hübschen Gesicht ein Ausdruck von Regenwetter. Er wollte definitiv nicht hier sein.

„Hey", grüßte ich auch ihn am Vorbeigehen, auf den Fersen dicht gefolgt von meinem neuesten Schatten und ging vor dem Gehege meiner beiden Fellknäueln in die Hocke. Im Bruchteil einer Sekunde klebten Keks und Krümel am Gitter, beide auf ihre Hinterbeine gestellt, sich die Näschen plattdrückend. Man könnte meinen, ich fütterte sie nicht, von Streicheleinheiten ganz zu schweigen. „Machst du das Gartentor zu?", bat ich den Kerl, der nun hinter mir stand und öffnete das Türchen, um die Häschen herauszuholen. Normalerweise waren sie es gewohnt auch mal im Vorgarten herumzutollen, ohne gleich Reißaus zu nehmen, aber sicher war sicher. Immerhin hatte ich keine Lust, mir die Blöße zu geben, und panisch die Straße auf und ab zulaufen auf der Suche nach zwei ausgebüxten Kaninchen. Außerdem könnte ich mir nie im Leben verzeihen, wenn ihnen etwas zustoßen würde und meine liebste Schwester, die sie mir geschenkt hatte, um mich auch mal an die frische Luft zu locken, wohl auch nicht.

Wortlos gehorchte er. Ging die wenigen Meter zum Tor, schloss es und kam wieder zurück zu uns. Bockte inzwischen er, und schwieg deswegen, oder war er von Haus aus wortkarg? Warum auch immer wurmte es mich und gleichzeitig zog er mich an, schon seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Damals in Shirt und kurzer Hose verschwitzt und unglaublich jung aussehend. Nicht das er im Anzug alt wirkt, nein überhaupt nicht, nur erwachsener und seriöser. Aber nicht weniger sexy. Der Dreiteiler stand ihm. Betonte seine schlanke, drahtige Figur. Heute nicht in Schwarz, sondern einem hellen taupe Ton. Dazu erneut die zurück frisierten Haare. Ja, doch er war definitiv heiß.

„Welcher war nochmal Keks?", riss mich Ronja aus den Gedanken und ging, mit den beiden Möhrchen bewaffnet, ebenfalls neben mir in die Hocke. Die beiden Kaninchen waren bereits zum Tor hinaus und sprangen an mir hoch. Lächelnd streichelte ich einen nach dem den anderen und kraulte sie zwischen den Ohren. „Schau mal hier", erklärte ich, griff nach Keks und hob ihn hoch. „Keks hat einen weißen Bauch. Krümel hingegen ist am ganzen Körper grau." Und hielt ihr anschließend das Häschen so hin, dass sie den Bauch betrachten konnte.

Sweet EasterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt