Der Tag war extrem bescheiden. Ich hatte nur ein halbes Kapitel geschafft, bevor mich eine klassische Schreibblockade traf und ich wusste, dass alles, was ich jetzt noch zu Papier bringen konnte ein Fall für die Tonne sein würde. Daher fuhr ich direkt ins Tierheim um auszuhelfen. Wir hatten gerade Urlaubssaison, dementsprechend wenig Pfleger waren da und selbstverständlich im Umkehrschluss leider aber auch extrem viele Tiere. Die meisten Hunde waren mit dem Auslauf zufrieden, aber wir hatten einen ganz speziellen Fall da ...einen Beagle namens Pucky. Und für den ehrenwerten kleinen Herrn Köter war der umzäunte Auslauf natürlich viel zu schäbig! Nein, nein, der feine Lord musste selbstverständlich persönlich von mir Gassi geführt werden. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass es seit ungefähr einer halben Stunde wie aus Eimern schüttete. Mit anderen Worten, innerhalb von einer Minute war ich bis auf die Knochen durchnässt und Köterchen versuchte derweil begeistert einzelne Regentropfen zu fangen. Es dauerte geschlagene zwei Stunden, bis die nervige Misttöle endlich den Hintern auf dem Boden drückte und... nun ja... drückte. Dementsprechend grottig war meine Laune. Seien wir mal ehrlich, wer steht schon darauf so klatschnass zu sein, dass selbst die Unterwäsche am Körper klebt, inklusive Socken. Und wer jetzt denkt, ich hätte nach Hause gehen, mich trockenlegen und umziehen können, der ist so was von schief gewickelt. Denn wie gesagt, wir hatten akuten Personalmangel. Die Tierklinik, die an das Heim und die Tierpension grenzte, benötigte zudem ebenfalls Hilfe. Auch dort herrschte ein akuter Personalnotstand! Nachdem ich also den Beagle in seinen Käfig zurückgestopft, mich notdürftig trockengelegt und einen halben See aus meinen Arbeitsstiefeln gekippt hatte, bat mich die Tierärztin eine der Katzen zur Impfung zu bringen.
Gizmo hieß das Vieh und ja, es war ein richtiger Gizmo!!!
Ein Kampf-Kater mit etwa acht Kilo Lebensgewicht und permanent schlechter Laune. Voller Begeisterung zerfleischte mir also das liebenswerte Katerchen den halben Unterarm und teilte mir sehr lautstark maunzend mit, dass er mit der Behandlung, die ich ihm angedeihen ließ mal überhaupt überhaupt nicht einverstanden war. Doch schließlich konnte ich das Vieh bei der Tierärztin abliefern und mir im gleichen Atemzug eine Tetanusspritze abholen. Dieser Tag war echt für die Tonne. Als ich dann endlich gehen konnte und ja, ich weiß, dass ich hier eigentlich ehrenamtlich und freiwillig arbeite... wartete zu Hause schon der nächste Klopper auf mich.
Ich öffnete die Haustür und zog in der Diele meinen tropfnassen Mantel aus, da stürmte Linus mir auch schon entgegen.
„Juna! Wo warst du so lange?" schrie er mich an und ich sah erschrocken zu ihm auf.
„Was meinst du?" fragte ich. „Ich war im Tierheim, wie jeden Tag." Da baute sich mein Freund vor mir auf und funkelte mich aus kalten, grauen Augen wütend an. Seine Stimme war jetzt leise... leise, mit einem sehr fiesen Unterton. „Ich glaube, du hast vergessen, in deinen Kalender zu schauen! Du weißt doch, dass du das jeden Tag machen musst, oder? Willst du mir allen ernstes sagen, dass du die wichtigste Regel vergessen hast? Oder warst du so sehr mit deinem Schundroman und den dämlichen Viechern in dieser Bruchbude beschäftigt, dass du vergessen hast, dass heute meine Kollegen zu Besuch kommen?"
Shit! Das hatte ich tatsächlich vergessen. Ich war heute morgen so frustriert von meiner Unfähigkeit zu schreiben gewesen, dass ich diesen verdammten Kalender wirklich vergessen hatte. Linus packte mich am Nacken und zerrte mich in die Küche. Dort stieß er mich gegen die Kücheninsel und zischte: „Du hast eine Stunde. Lass dir was einfallen, sonst gnade dir Gott! Bewegt also den fetten Arsch mal etwas schneller als sonst!" Wütend verließ er die Küche und ich rieb mir den Nacken, um den brennenden Schmerz zu vertreiben. Ich hasste es, wenn er so mit mir umging. Eigentlich hätte ich ja daran gewöhnt sein müssen, dennoch tat es jedes Mal weh... Als würde ich nicht alleine wissen, dass ich fett und hässlich bin. Ich presste die Lippen zusammen, blinzelte die Tränen weg und schaute mir den Inhalt unseres Kühlschranks an. Großartig ... Nicht mal eingekauft hatte er.
Ein kurzer Blick in die Speisekammer, offenbarte auch dort gähnende Leere. Heute war echt nicht mein Tag. Also schnappte ich mir meinen Schlüssel und stürzte nach draußen, um schnellst möglich zu dem nahe gelegenen Supermarkt zu gelangen. Und meine Pechsträhne setzte sich fort. Nicht nur dass sich eine Mutter mit drei nervigen Kindern und einem sehr, sehr vollen Einkaufswagen vor mir in der Schlange befand, nein... anscheinend war auch noch die langsamste Kassiererin der Welt am Start. Das Ende vom Lied: als ich zu Hause ankam, hatte ich noch 10 Minuten, bis die Kollegen meines Freundes aufschlagen würden. So schnell wie möglich richtete ich das gekaufte Fingerfood an, füllte die Dipps in kleine Glasschälchen und mischte einen Fleischsalat aus Roast Beef an.
Als ich auf schaute, stand Linus mit verschränkten Armen vor der Kücheninsel und musterte mich mit einem abfälligen Blick. „Beeindruckend, wie schnell sich dein Schwabbelarsch bewegen kann. Und jetzt ab... Meine Freunde müssen das Elend das du verkörperst ja nicht unbedingt mit ansehen. Du kannst runterkommen, wenn sie wieder weg sind und dann aufräumen. Los... schwing deinen Elefantenhintern!"
Wow... das war ein neuer Tiefpunkt! Selbst für ihn. Und irgendetwas regte sich in mir... Widerwillen, Abscheu und Ekel. Vor mir selbst... dass ich mir sowas tatsächlich bieten ließ. Mit einem Mal hatte ich eine seltsame Distanz zu dem Mann, mit dem ich seit vier Jahren zusammen war.
‚Wenn das eine gesunde Beziehung war, dann fresse ich ein Besen,' dachte ich mir und ging einfach an ihm vorbei nach oben. Ich würde mir jetzt ein schönes, heißes Schaumbad gönnen und dann mich im Gästezimmer einrichten. Konnte er seinen Scheiß doch ausnahmsweise mal alleine wegräumen! Gedacht, getan! Ich schloss das Badezimmer hinter mir ab, aus Erfahrung wusste ich, dass seine Freunde gern mal auf Wanderschaft gingen, wenn sie einen über den Durst tranken und lehnte mich endlich zurück in den Lavendelduft meines Badeschaum. Ich war ein Lang-Bader. Selten verließ ich die Badewanne unter anderthalb Stunden und kam in der Regel erst raus, wenn meine Haut so richtig schön schrumpelig war. Aber hey, ein gutes Buch im warmen Wasser zu lesen, am besten mit einer heißen Schokolade dazu, das war doch echt der Gipfel des Genusses! Heute gönnte ich mir von Stephenie Meyer das Buch Seelen. Schnell ließ ich mich in ihre Welt ziehen, fieberte mit Wanderer, der Seele mit dem guten Herzen mit und merkte erst zweieinhalb Stunden später, dass das Wasser arschkalt geworden war. Seufzend legte ich das Buch zu Seite und duschte mich rasch warm ab. Von unten drang das Johlen und Grölen der Männer zu mir hoch und ich schauderte. Während ich mich im Spiegel betrachtete, versuchte ich, mich in dem Schatten wieder zu erkennen, der mir entgegen blickte. Früher... Ja, früher war ich nicht so ein Duckmäuschen gewesen. Wann hatte ich mich so sehr verloren und aufgegeben? Warum habe ich diesen Schwachmaten da unten erlaubt, so auf mir rumzutrampeln? Ich wusste es beim besten Willen nicht... Meine rötlichen Haaren hängen in Strähnen um mein Gesicht herum und meine dunkelblauen Augen wirkten irgendwie energielos. Vielleicht hatte Becca doch recht und ich ging in dieser Beziehung langsam aber sicher vor die Hunde. Seufzend trocknete ich mich ab und zog mir meinen flauschigen Bademantel an. Dann marschierte ich in unser gemeinsames Schlafzimmer, raffte meine Decke und mein Kissen zusammen, begab mich ins Gästezimmer und richtete mich für die Nacht ein. Bis die Meute da unten fertig war, würden sowieso noch einige Stunden vergehen. Und Linus in seinem Suff würde es gar nicht mehr mitbekommen, dass ich nicht neben ihm lag. So konnte ich vielleicht ein paar ruhige Stunden Schlaf bekommen...
Und mal sehen... Vielleicht würde der morgige Tag ja besser werden als der heutige.
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Meine vier Stiefbrüder und ich
RomanceIch hab ja schon viel Dreck in meinem Leben einstecken müssen... aber niemals hätte ich gedacht, dass ich eine dieser Frauen sein würde, die von ihrem Partner geschlagen werden. Doch hier sitze ich, auf der Couch meiner besten Freundin mit einem Vei...