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Es wurde bereits Nachmittag, als ich zur Hanson Villa zurückkehrte. Zufrieden parkte ich meine Nuckelpinne wieder an dem gewohnten Platz und brachte die Einkäufe, welche ich für das Abendessen benötigte in die Küche. Dankenswerterweise lief ich keinem des Vierergespanns über den Weg, so dass ich Zeit und Muße hatte mir zu überlegen, was ich als erstes anstellen wollte. Nach einigen fruchtlosen Minuten gab ich jedoch vorerst auf. ‚Kommt Zeit, kommt Rat,' sagte ich mir schließlich und begann das Abendessen vorzubereiten. Dass es heute ziemlich warm war, hatte ich mich für etwas leichtes entschieden... Also wusch ich den Salat und schnitt die großen, fruchtigen Tomaten in feine Scheiben, genau wie die Radieschen und Gurken. Dann stellte ich eine Salatsauce aus Honig, Balsamicoessig und Olivenöl her, würzte sie großzügig mit Salz, Pfeffer und Thymian und stellte alles beiseite. Als Nächstes waren die Kalbsrückenschnitzel dran. Diese plattierte ich, rieb eine Zwiebel und eine Knoblauchzehe darüber, bestreute das Fleisch mit Rosmarin und Thymian und deckte alles sorgfältig ab, um es im Kühlschrank zwischenzupacken. Dann machte ich mich an den Obstsalat, den ich mit griechischen Joghurt, Honig und Nüssen reichen wollte. „Brauchst du Hilfe?" Ich hob den Blick und sah in leuchtende Saphir-blaue Augen. Luke streckte die Hand aus und stibitzte eine Erdbeere. Er fing sich natürlich sofort einen Klaps mit dem hölzernen Kochlöffel ein, was ihn zu einem breiten, spitzbübischen Grinsen animierte. Dann wurde er wieder ernst und fragte: „Hattest du einen schönen Tag, Juni?"
Ich mischte die gehackte Minze unter die angemachten Früchte und nickte geistesabwesend. „Hatte ich... hab das niedlichste Café der Weltgeschichte gefunden! Die süße, alte Dame macht einen Killer- Kakao!!" Luke lachte. „Miss Ps Sweets & Choocolate? Ihr Schokoladenkuchen ist pure Sünde! Und die Cookies? Wenn Alex mal auf Urlaub hier ist kauft er immer eine Tonne für den halben Stützpunkt!"
„Stützpunkt?" fragte ich und ärgerte mich prompt, Interesse an ihren Leben gezeigt zu haben. „Yeah.. Alex ist ein Seal. Stationiert in Coronado... er hat drei Wochen frei genommen... der erste Urlaub seit 2 Jahren."

Ach, verdammt... jetzt war einer von den Flaschen auch noch ein Soldat geworden. Und dann auch noch die am meisten geachtete - und gefürchteste Sorte. Warum nur kam ich mir noch unbedeutender als sonst vor...!?
„Leander und ich haben eine Baufirma gegründet und Malik steht kurz vor seinem Abschluss zum Tierarzt. Und du? Was machst du so?" Luke griff nach einer Birne und biß hinein, während er mich mit diesen intensiven blauen Augen fixierte. „Ich schreibe Bücher... arbeite ehrenamtlich im Tierheim und kellnere hin und wieder, wenn mir langweilig wird oder mich ne Schreibblockade trifft..." Beeindruckt schürzte der Mann vor mir die Lippen und fragte neugierig: „Du bist Autorin? Wow... das ist echt cool! Was schreibst du so? Kinderbücher?" Ich schnaubte amüsiert.
„Also, Kindern würde ich meine Lektüre nicht unbedingt ans Herz legen... Obwohl die vermutlich ne Menge dabei lernen würden... Es ist wohl eher die andere Richtung!"
Eine leichte Röte überzog meine Wangen, als ich mich umdrehte um den Obstsalat in die kühle Vorratskammer zu bringen.
Als ich meine Gesichtsfarbe wieder im Griff hatte, ging ich in die Küche zurück wo mich Luke schon erwartete, die Birne war anscheinend vergessen und lag einsam und unbeachtet vor ihm auf der Arbeitsfläche.
„Unter welchen Namen veröffentlichst du? Mit Juna Miller hab ich keine Treffer erzielt..." Jetzt war es an mir, entgeistert aus der Wäsche zu blicken.
„Wieso willst du das wissen?" Luke legte sein Handy auf die Arbeitsplatte und sah mich mit einem halben Grinsen an. „Was? Schämst du dich etwa?"
„Pffff... wieso sollte ich. Nein, ich veröffentliche unter einem Pseudonym. Versuchs mal mit Luisa Stone."
Augenblicklich schnappte sich mein Stiefbruder das Handy wieder und tippte eifrig drauf rum. Nach ein paar Augenblicken wanderte erst die eine, dann die zweite Augenbraue nach oben und schließlich betrachtete er mich nachdenklich. „Beeindruckend..."
„Was ist beeindruckend?" fragte Alex, der just in diesem Moment in die Küche kam. Wortlos reichte ihm Luke das Telefon und der älteste Hanson senkte es nach einigen Sekunden mit einem fragenden Blick in unsere Richtung. „Unsere kleine, süße, unschuldige Stiefschwester ist Autorin einiger Erwachsenenromane..." „Mmmh... sag bloß?" murmelte Alex und betrachtete das Handy mit neuen Interesse.
Das Zuschlagen der Eingangstür rettete mich aus dieser merkwürdigen, dezent unangenehmen Situation. „Juhungs... Juni... wir sind wieder da!!" Kurz darauf rauschte Mom in die Küche, gab den beiden Brüdern einen Kuss auf die Wange und umarmte mich herzlich. „Hallo, Liebes... hattest du einen schönen Tag? Waren deine Stiefbrüder auch schön artig?" Ich musste an mich halten um nicht die Augen zu verdrehen und murmelte mir irgendwas in den Bart um der Antwort entgehen zu können. Als Jason mit einem breiten Lächeln dazustieß, entzog ich mich aus Mamas Armen und fragte: „Wann wollt ihr denn essen?" Mein Stiefvater umarmte mich ebenfalls, schlug seinen Söhnen auf die Schulter und sagte dann: „Alice und ich machen uns kurz frisch... sagen wir in einer halben Stunde?" Ich nickte zustimmend und die beiden verabschiedeten sich in ihre Privatgemächer und ließen mich mit Alex allein, da Luke losgetrabt war um die restlichen Brüder einzusammeln. „Du bist also ein Seal?" platzte ich heraus - großartig, Juna ... seeeehr subtil nachgefragt!
Ein leichtes Lächeln huschte über Alex Lippen. „Yeah..." verlegen senkte ich den Kopf und nuschelte: „Danke für deinen Dienst!" Ein leises Lachen hallte durch den Raum, dann zogen mich zwei starke Arme an eine muskulöse Brust. „Gott, bist du niedlich," flüsterte Alex und küsste mich auf die Wange. Unbehaglich mogelte ich mich aus der Umarmung und fummelte am Herd herum.
„Brauchst du Hilfe, Prinzessin?" Leander schlenderte betont lässig in den Raum und schnappte sich die Birne, die sein Bruder angefangen und über meine Bücher dann vergessen hatte.
‚Prinzessin' - Gott, was hasste ich diesen Spitznamen!!!!
Sofort war ich wieder auf hundertachtig. Eigentlich sollte ich diesem Dämlack ja danken... sein Auftauchen erstickte aufkeimende sanfte Gefühle gleich mal direkt im Keim!
„Danke, Bob... geh lieber ne Wand hochziehen. Dafür ist soziale Interaktion nicht von Nöten und du kannst mit deinen Freunden, den Backsteinen Konversation betreiben.." Dasselbe geistige Niveau war da ja vorhanden! „Bob?" fragend sah Leander zu Alex, der Mühe hatte, sich das Kichern zu verkneifen. Der gerade dazu kommende Malik lachte und klopfte dem Zwilling auf den Rücken. „Bob der Baumeister, du Hohlkopf..." kicherte er. „Als wärst du soviel besser," fauchte ich. „Vielleicht kann sich ja einer von euch dazu herablassen, den Tisch zu decken!"
„Aaww... drück dir das Krönchen, Prinzessin? Ich dachte, du wolltest heute Abend für uns sorgen... schließt das nicht auch das Tisch decken mit ein? Na, los... hopp, hopp... du weißt doch noch von gestern, wo alles steht!" Leanders Grinsen wurde breiter und ich wütender. Wie gerne würde ich diesem arroganten Arsch eins mit einer Pfanne überbraten! Alex verdrehte die Augen, packte seinen jüngeren Bruder am Arm und bugsierte ihn in Richtung Esszimmer. Um mich abzureagieren konzentrierte ich mich auf das Abendessen. Rasch machte ich den Salat an und füllte ihn in drei Schüsseln ab. Dann brachte ich die Platten mit den Kalbfleisch raus und stellte den Herd an. Wortlos reichte mir  Malik zwei große Pfannen - die Stimmung war spürbar umgeschlagen und ich begrüßte es. So konnte ich mich auf das wesentliche konzentrieren, das Fleisch zu braten, die Brüder mit aller Kraft meiner Seele zu hassen und über den ersten Streich nachzudenken.
Kurz darauf waren Mama und Jason auch wieder da und ich servierte.

„Schatz... das war so lecker. Danke dir!!!" begeistert kratzte Mom ihre Schüssel mit den Joghurt aus und leckte den Löffel genüsslich ab. Jason lehnte sich im Stuhl zurück und seufzte zufrieden. „Deine Mutter hat recht. Es war köstlich! Aber morgen ist dann Alex mal wieder dran! Er macht hervorragende Tacos... ach, und Juna... was ich dir noch sagen wollte... du kannst dein Auto in die Garage stellen. In der zweiten ist noch Platz - neben Leanders Range Rover."

Na, so was.... Leanders Range Rover... 

„Danke, Jason.. ich werde meine kleine Nuckelpinne dann gleich mal umparken!" Ich lächelte so zuckersüß, wie nur irgendmöglich.
Leanders Range Rover... Der war heute Nacht fällig!
Dir geb ich Prinzessin, du Dummbeutel! Freu dich schon mal auf morgen...

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt