„BITTE WAS?"
Großartig... Jetzt war ich auch noch taub! Ich hielt das Handy ein Stück vom Ohr weg und wartete darauf, dass Becca sich wieder einkriegte. „Becc! Brüll nicht so! Ich bin noch nicht schwerhörig..." Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann sagte sie kleinlaut: „Oh, June, es tut mir leid! Ich wollte nicht schreien, aber mal ehrlich, WAS? Hast du mir ernsthaft gerade erzählt, dass die vier Pissnelken aus deiner Vergangenheit jetzt deine Stiefbrüder sind? Ernsthaft? Ich... Ich... Ich weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll! Das ist vielleicht ein Scheiß!"
„No Shit, Sherlock!" stöhnte ich und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Nachdem ich das unangenehme Abendessen hinter mich gebracht und mich mit einer Ausrede auf mein Zimmer verzogen hatte, war Beecs anrufen der erste Schritt gewesen, sobald die Tür ins Schloss gefallen war. Sie hatte sich gar nicht lange damit aufgehalten, mir von ihrem extrem nervigen und sexistischen Chef zu erzählen, der ihr wieder nur auf die Brüste geglotzt hatte - wie sie es sonst immer tat - sondern hatte an meiner Stimme direkt erkannt, dass es im Busch war. Nachdem sie etwa 5 Minuten rumgeschrien und geflucht hatte, war sie jetzt auch endlich bereit, zu zuhören und schwankte zwischen gereizter Wut und zwischenzeitlichen ‚Awwww...' Rufen, als ich ihr von der verwirrenden Zärtlichkeit der beiden ältesten Hanson Bruders berichtete.
„Vielleicht haben sie sich ja doch verändert?! Ich meine, du bist auch nicht mehr das schüchterne kleine Mädchen von damals... „Nein, du hast recht... Jetzt bin ich eine höchst verklemmte und schüchterne kleine Frau," maulte ich. Becca prustete los und rief giggelnd: „Du und verklemmt? Du hast dir aber schon mal deine letzten beiden Bücher selbst durchgelesen oder? Da ist nichts verklemmt daran, mein Hase! Genauer gesagt... ich würde die schon fast als Pornos bezeichnen!"
„Darüber zu schreiben ist einfach... Selbst erleben nicht ganz so. Außerdem, wozu brauche ich ein Kerl, wenn ich einen Vibrator habe!" Beccas Lachen wurde lauter und ich konnte das Augenverdrehen förmlich hören.
„Hey, hey... Ich habe mich nicht über den Inhalt beschwert! Der war mega heiß...! Was ich eigentlich sagen wollte, wir haben uns alle verändert... Und vielleicht sind diese dämlichen Vollhonks mittlerweile nette Vollhonks. Ich meine... sie waren, seid du bei ihnen zu Hause bist, nur anständig zu dir."
Damit hatte sie leider recht. Leider, weil ich noch nicht bereit war, zu verzeihen. Und nette Brüder waren wesentlich gefährlicher als gemeine Brüder! Genervt presste ich mein Gesicht ins Kissen und schrie. Am liebsten würde ich einschlafen und erst in einer Woche wieder aufwachen. Die letzten Tage waren einfach zu viel!
„Juna... Mir ist klar, dass du das alles noch nicht abhaken kannst. Und ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass es jetzt noch nichts bringen würde, mit ihnen darüber zu reden. Ich ärgere mich gerade so, dass ich mein Hausschlüssel mitgenommen hab, sonst würde ich dir sagen : Mi Casa es su Casa... Hast du vielleicht ne Möglichkeit ins Hotel zu gehen? Damit du etwas Abstand bekommen kannst?"
Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. Nein, das konnte ich meiner Mutter nicht antun, auch wenn sie sich in den letzten sechs Jahren mehr als nur rar gemacht hatte, sie gab sich gerade wirklich alle Mühe. Und wenn ich ehrlich war, ich hatte sie vermisst. Sehr sogar und das hier war unsere Chance auf einen Neuanfang. Ich war bereit, meiner Mama zu verzeihen... Die Hansons wiederum standen auf einem ganz anderen Blatt.
„Nein, Becc... das Hotel scheidet aus... Ich möchte Zeit mit meiner Mutter verbringen. Aber irgendwie möchte ich es den Brüdern auch heimzahlen... Ich weiß nur nicht wie, ganz ehrlich...!"
Wie gut, dass auf meine teuflische Komplizin stets Verlass war. Ihr freches Kichern schallte durchs Telefon und sie sang fröhlich: „Ich schon, meine Liebe! Ich schon."Nachdem Becca bewiesen hatte, dass sie ein bis zehn wirklich fiese Ideen auf Lager hatte, beendete ich schließlich das Gespräch. Ich war emotional so unglaublich müde, dass ich mehrere Minuten einfach nur an die Decke starren konnte. Mir schwirrt der Kopf und am liebsten hätte ich mich mit einem Karton Valium so abgeschossen, dass ich die nächsten Monate gar nichts mehr würde fühlen können. Schließlich aber raffe ich mich auf und beschloss, eine wirklich ausgiebige Dusche zu nehmen und zu hoffen, dass die Probleme einfach im Abfluss verschwinden würden. Was sie selbstverständlich nicht taten!
Nachdem ich eine halbe Stunde später, verschrumpelt wie eine Trockenpflaume wieder ins Zimmer kam und mich für die Nacht eingerichtete, war der Tag immer noch genauso beschissen wie vorher. Und dieses Gefühl änderte sich auch nicht, als ein leises Klopfen ertönte. In der Annahme, dass es meine Mama war, rief ich: „Ja?" während ich mit dem feuchten Vogelnest meiner erdbeerblonden Haaren kämpfte.
Die Tür öffnete sich und Alex trat ins Zimmer. Verwirrt ließ ich die Brüste sinken und sah ihn an. „Was machst du denn hier?" fragte ich äußerst originell und errötete unter seinem prüfenden Blick.
„Ich wollte nach dir sehen," sagte er leise und schloss die Tür.
„Wieso?" fragte ich perplex. Der große Mann schob seine Hände in die Hosentaschen und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
„Ich kann mir vorstellen, dass die Situation nicht leicht ist für dich. Vor allem, wenn man unsere gemeinsame Vergangenheit berücksichtigt. Über die wir in aller Ruhe einmal reden sollten. Wir fünf - ohne unsere Eltern..."
Auf einmal schoss eisige Wut durch meine Adern, ich hob die Bürste und warf sie mit aller Kraft in Alex' Richtung. Der Mann hatte allerdings Reflexe wie eine Raubkatze und fing das Ding mühelos auf, bevor es sein Gesicht traf und eine unschöne Bekanntschaft mit seiner Nase schließen konnte.
„Gemeinsame Vergangenheit? Ja, das ist schon eine nette Art, zu umschreiben, was ihr mir alles angetan habt! Würde es bei meinem Besuch nicht ausschließlich um meine Mama gehen, wäre ich längst wieder weg." Mit geballten Fäusten stürzte ich mich auf ihn.... warum? Ja, wenn ich das nur wüsste!! Der Mann war fast zwei Köpfe größer und bestimmt 50kg schwerer als ich. Die Chancen, ihn auch nur ansatzweise aus dem Gleichgewicht zu bringen lagen bei ca -10,2! Doch alles was ich spürte, war diese rastlose, verzweifelte Energie, die dringend ein Ventil brauchte. Und dankenswerterweise bescherte Alex mir dieses Ventil. Er versuchte nicht auszuweichen oder mich aufzuhalten. Er nahm die Schläge einfach hin... Ich bezweifelte ganz stark, dass ich ihm weh getan hatte. Diese 50 Kilo die er mehr auf die Waage brachte waren reine Muskelmasse und ich hatte das Gefühl, als würde ich auf eine Betonmauer einschlagen. Schließlich schlossen sich seine großen Hände um meine und er zog mich in eine Umarmung. Ich gab ein Geräusch von mir, dass ich selbst noch nie gehört hatte, und versuchte, mich mit wachsender Verzweiflung aus seinen Armen freizukämpfen.
„Schschhh... Juna... beruhige dich, Kleines! Hör auf, du wirst dir noch weh tun und dass möchte ich nicht! Komm wieder runter und ich lass dich los..."
Aus reinem Trotz wehrte ich mich noch ein paar Sekunden länger, dann wurde ich ruhig. Seine Arme drückten mich fest an die steinharte Brust und sein warmer Atem strich über meinen Nacken. Das fühlte sich auf eine ärgerliche Weise so verflucht gut an, dass ich die Wärme und Sicherheit regelrecht in mich aufsog ungeachtet der Tatsache, dass ich ihm doch eigentlich am liebsten das Herz rausgraben und auf einem Silbertablett servieren wollte. Schließlich lockerte sich sein Griff und ich sprang rückwärts.
Seine braunen Augen glitzerten in einer Emotion, die ich bei Alex Hanson nicht erwartet hatte... Bedauern.
Mühsam schluckte ich und flüsterte dann: „Bitte, geh..."
Und auch wenn ich ihm ansah, dass er mich am liebsten wieder in die Arme nehmen wollte, nickte Alex, drehte sich um und sagte leise: „Gute Nacht, Juna..." und verließ mein Zimmer.
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Meine vier Stiefbrüder und ich
RomanceIch hab ja schon viel Dreck in meinem Leben einstecken müssen... aber niemals hätte ich gedacht, dass ich eine dieser Frauen sein würde, die von ihrem Partner geschlagen werden. Doch hier sitze ich, auf der Couch meiner besten Freundin mit einem Vei...