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„Das hat dieses Drecksstück nicht gesagt!!!" Ich musste das Handy etwas vom Ohr weghalten, damit ich nicht in Gefahr lief, dass mir das Trommelfell platzte. Am anderen Ende der Strippe brüllte Becca vor Wut und ich könnte schwören, dass sie mindestens ein Glas zerbrochen hatte, da das Klirren von etwas Zerberstenden deutlich im Hintergrund zu hören war. Nachdem ich Alex zwar etwas widerstrebend aus dem Raum hinaus geschoben hatte und gerade im Begriff war, meine Unterwäsche in meinen Seesack zu stopfen, hatte mein Telefon geklingelt und meine beste Freundin meldete sich für ein abendliches Quatsch Festival an. Ich hatte also das Klamottenpacken erst mal beiseite geschoben und Beccs ein Ohr abgeheult. Ganz wie ist die Pflicht einer besten Freundin war, hatte sie mir geduldig zugehört und hin und wieder ein "Ist nicht wahr!" und "Wie kann sie es wagen?" und "Wenn ich mit der fertig bin, sieht die wie ein Pancake aus" eingeworfen... oder anders gesagt: es ging mir nun wesentlich besser. Zumal Rebeccas Rache-Fantasien der Quietschkugel gegenüber nie gekannte Ausmaße angenommen hatten. Ihr letzter Vorschlag war der totale Kahlschlag. Ich sollte doch herausfinden, welches Quietschis Duschgel in Maliks Badezimmer war und dieses einfach mit Enthaarungscreme vermischen. Und mein kleines Schulter-Teufelchen war von dieser Idee ausgesprochen angetan. „Oder noch besser: wie wär's mit einem umgedrehten Irokesen?" haute Beccs mir den nächsten Vorschlag um die Ohren.
„Hä? Wie meinen?"
Ich konnte ihr Augen verdrehen förmlich hören, als sie mit dem belehrenden Tonfall einer privilegierten Oberzicke erklärte: „Mensch, Juna... Du nimmst einfach einen Rasierapparat und ziehst ihn der dummen Kuh einmal über den Mittelscheitel."
Ich konnte nicht anders und brach in schallendes Gelächter aus. Auf der anderen Seite hatte ich ein dezent mulmiges Gefühl, denn mein Schulterteufelchen fand diesen Vorschlag ebenfalls durchführbar...
„Das hab ich jetzt echt gebraucht! Nur deine Verrücktheit kann mich so schnell vom Abgrund wieder zurückholen," kicherte ich und hörte am anderen Ende der Leitung auch Becca herzlich lachen.
„Na, dann habe ich meine Aufgabe ja erfüllt. Du bleibst gefälligst da! Hey... Diese Zeit sollte doch dafür gut sein, damit du dich mit deiner Mom wieder verstehst. Diese ganzen Streiche sind ja nett und ich finde auch, dass du damit ruhig weitermachen solltest, aber in erster Linie konzentriere dich auf die Beziehung zu deiner Mutter. Klar ist es im Moment ziemlich blöd getaktet, weil sie arbeiten muss... Aber da findet ihr mit Sicherheit noch ein Weg für diese nächsten anderthalb Wochen."
Ich seufzte und ließ mich zur Seite rollen.
„Du hast ja recht... Irgendwie habe ich das ein bisschen aus den Augen verloren. Also halte ich jetzt die nächsten Tage die Füße still und sehe zu, dass ich irgendwas mit Mama unternehme." Beccas leises Glucksen verhieß nichts Gutes, als sie fröhlich trällerte: „Ist ein guter Plan... Aber die nächsten TAGE würde ich jetzt nicht warten. Vielleicht einen... Damit sie sich nicht allzu sicher fühlen." Das Gegacker, das jetzt von ihr kam, machte jeder bösen Hexe prächtige Konkurrenz und ich war (schon wieder) heil froh, dass sie auf meiner Seite war. Ich hatte zwar ein  - zugegebenermaßen - manchmal echt fieses Schulterteufelchen, aber Becca hatte gleich eine ganze Armee davon. Und sie scheute sich auch nicht diese für ihr - oder mein - Wohl einzusetzen...

„Ok, jetzt haben wir mich abgegrast... Wie sieht's bei dir aus, Beccs? Hast du schon gekündigt, in dem du deinem sexistischen Chef die Kronjuwelen rasiert hast?" Meine beste Freundin knurrte jetzt wie ein auf Diät gesetzter Schlosshund und fauchte: „Boah ey... Der ist so widerlich, ne? Ich bin wirklich nur noch Millimeter davon entfernt, ihn der Anwaltskammer zu melden. Ich trag ja mittlerweile keine Ausschnitte mehr und meine Röcke sind über Knie lang UND trotzdem zieht mich dieser Bastard ständig mit seinen Augen aus. Ich schminke mich nicht einmal mehr! Ich trage kein Parfum, nichts... dennoch hab ich das Gefühl, als wäre ich nichts weiter als eine Barbiepuppe, an der er sich aufgeilen kann."
„Ich verstehe nicht, warum du noch da bist. Du bist zu gut für ihn! Alles was dieser Typ hat, ist ein guter Name dank grandioser Vorarbeit von seinem Papi, so dass Junior sich nur noch ins gemachte Nest setzen musste! Wenn du diese Kanzlei verlässt, dann ist der Schuppen doch nichts mehr wert und das sollte er sich langsam mal klar machen..."
Eine Weile herrschte Stille, dann seufzte Rebecca leise und murmelte:
„Ich weiß... Und du hast ja auch recht. Ich bin halt ein Gewohnheitstier. So wie du... Manchmal denke ich mir: der Teufel, den man kennt..."
„... ist besser als die Dämonen, die man nicht kennt? Ja, ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich hab das vier Jahre mit Linus durchgemacht. Und jetzt sieh mich an... Ich bin beziehungsgestört und habe die falscheste Selbstwahrnehmung der Geschichte. Du bist so viel stärker als ich, Beccs. Es gibt nichts, was du nicht kannst, wenn du es dir erstmal vornimmst."

„JUUUUNAAA.... ABENDESSEN!!"

„Scheint so, als wäre Mama und der hoch verehrte Stiefvater wieder da. Ich muss Schluss machen, Becca... Denk drüber nach, okay? Hab dich lieb!"
„Ich hab dich auch lieb, du Gestörte! Lass dir nichts gefallen und konzentriere dich auf das Wesentliche. Guten Appetit, Süße... Wir können ja morgen wieder quatschen!"
Ich huschte rasch ins Badezimmer und überprüfte, ob man mir den Heulkrampf immer noch ansah. Dem war dankenswerterweise nicht so und nachdem ich mir schnell mit der Bürste durch die Haare gefahren war, sah ich sogar wieder einigermaßen ansprechend aus. Rasch lief ich hinunter und rannte fast meine Mutter über den Haufen, die gerade im Begriff war die Treppe hinaufzukommen, um mich zu holen.
„Uff... da bist du ja, Schatz... ich dachte schon, du hättest mich nicht gehört..." Grinsend hakte ich mich bei ihr unter und so schlenderten wir zusammen ins Esszimmer. Die Hanson Männer waren bereits in voller Stärke anwesend und zumindest die vier Jungs sahen mich besorgt an. Selbst Malik, der das Dilemma mit dem Bräunungsstreifen nicht hatte lösen können, wirkte beunruhigt, als er in meine Richtung blickte. Mama dirigierte mich auf meinen Platz zwischen Alex und Luke und hüpfte voller Elan zu ihrem Ehemann. Mal ehrlich! Wieviel Energie hat diese Frau eigentlich? Wenn ich ne 12 Stunden Schicht hinter mir hätte, würd ich höchstens im Schildkröten Tempo vorwärtskriechen können!
Nach einem liebevollen Kuss setzte meine Mutter sich neben Jason und strahlte mich an. „Na, los... Haut rein! Alex, das sieht alles großartig aus!" Ich warf einen kurzen erstaunten Blick zu dem Soldaten. „Du hast gekocht?" Alex lächelte nur leicht verhalten und reichte mir die Schüssel mit der Guacamole. „Glaub's oder nicht... Ich kann nicht nur treffsicher schießen. Ich bin auch ziemlich gut am Herd," meinte er und löffelte mir Hackfleisch auf den Teller.
Darauf wusste ich nichts zu antworten, denn... er hat recht! Die Guacamole war der Oberkracher! Unglaublich cremig und würzig, einfach nur super lecker!!
Eine Weile herrschte gefräßige Stille, dann fragte meine Mutter: „Liebes... Ich hab morgen meinen freien Tag. Wie wär's? Hast du Lust auf eine Sightseeing Tour?"
Meine Augen leuchteten auf und ich nickte begeistert. „Ja!! Und wenn wir Zeit haben, würde ich wahnsinnig gern in das Smithsonian gehen..."
Mama grinste und sagte: „Lass mich raten, du möchtest dir den Hope Diamanten ansehen... meine süße, kleine Elster!!"
Elster?... Pfff, nur weil ich tierisch auf Glitzerkram stand? Also wirklich! Der Hope Diamant war zwar echt schön und funkelte auch wundervoll, aber er wurde so richtig faszinierend mit seiner verfluchten Geschichte... und wer konnte schon bei Glitzerkram und Horror Geschichten nein sagen?

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt