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„Also? Was wirst du mit diesem Frauenschläger machen?" Meine Mutter betrachtete mich von der Seite.... Wahrscheinlich war sie peinlich darauf bedacht, mir nicht auf den bloß liegenden Nerven herumzutrampeln.
„Wenn ich ehrlich sein soll, am liebsten gar nichts... Alles was ich möchte ist, diesen Schrott vergessen und nach vorne schauen. Aber meine Freundin, die rein zufällig Anwältin für Strafrecht ist, hatte da ein paar andere Pläne. Bevor sie zu einer Dienstreise aufgebrochen ist, hat sie Linus eine Mail geschickt, in der sie wohl ankündigt, dass da einiges auf ihn zukommen wird. Sachbeschädigung, häusliche Gewalt, Beleidigung, Missbrauch und so weiter und sofort."
Ich lachte trocken und schüttelte den Kopf.
„Die Mail hat sie so aufgeregt, dass sie ihre Schuhe danach quer durchs Zimmer gepfeffert hat. Einen hab ich hinterm Kühlschrank hervorholen müssen..." Bei der Erinnerung gluckste ich leise vor mich hin. Das war auch noch so ein Punkt auf meiner Liste für heute. Ich musste Becca anrufen! Mit ein bisschen Glück wurde sie ein paar wirklich gute Ratschläge für mich haben, wie ich mit dieser ganzen chaotischen Situation um meine vier hoch geschätzten neuen Stiefbrüder umgehen sollte.
Luke schmunzelte, sah seinen Zwilling an und sagte mit einem frechen Blitzen in den Augen:
„Ohne Scheiß. Diese Becca gefällt mir. Die scheint ordentlich Feuer im Hintern zu haben!" Ich drehte den Kopf und versuchte, ihn mit Blicken zu erdolchen.
Der soll gefälligst seine Finger von meiner Beccs lassen!
Soweit kommt es ja noch! Sie ist viel zu gut für diese Hanson-Mistkerle!!!
Meine Mutter seufzte leise und dann erhob sie sich. Sie fuhr sich durch die blonden Haare und tausche ein bedeutungsvollen Blick mit Jason.
„Nun gut. Das wäre also geklärt," murmelte sie und atmet noch einmal tief durch. Dann sah sie mich an und lächelte zaghaft . „Wie sieht's aus, Kleine? Willst du mir beim Kochen helfen?"Ich nickte nachdenklich, während mein Blick nach draußen wanderte. Na, sowas... Die Sonne begann bereits unterzugehen....
Mama führte mich in eine riesige Küche, die mein Bäcker-, und Hobbykoch-Herz in nie geahnte Höhen steigen ließ.
„Oh, WOW!!!" flüsterte ich begeistert. „Ist das etwa ein Gasherd? Und ein Dampfgarer?" Staunend drehte ich mich im Kreis und fühlte mich wie der kleine Charlie in Willy Wonkas Schokoladenfabrik. Nun sind wir ehrlich, jetzt in der Schokoladenfabrik zu stehen, würde mich jetzt auch nicht sonderlich betrüben ... Aber verdammt! Diese Küche war ein Paradies! Meine Mutter kicherte leise und legte mir einen Arm um die Schulter. „Wenigstens kannst du kochen! Ich lass sogar Wasser anbrennen."
Ich verdrehte die Augen. Ja, das wusste ich noch! Von dem Zeitpunkt an, da ich groß genug war um den Herd zu erreichen, hatte ich für uns beide gekocht. Ich erinnere mich nur zu gut, wie Mutter einmal versucht hatte, Mac and Cheese zu machen... Sie hat es geschafft, die Nudeln, die super al dente - sprich noch roh - waren, zu versalzen UND zu verbrennen!
„Normalerweise kocht Jason. Er ist echt gut! Du solltest mal seine Roast Beefburger probieren... Hmmmm... zum Sterben gut!"
„Na dann," murmelte ich und musterte meine Mutter mit einem nachdenklichen Blick. „Meinst du, du könntest den Herd an machen, ohne ihn gleichzeitig in die Luft zu jagen?" Mama wurde dunkelrot im Gesicht und ich musste mir das Lachen verbeißen. Anscheinend hatte ich da einen sehr wunden Punkt getroffen und Muttilein die Küche vermutlich mehr als einmal schon an den Rand des Abfackelns gebracht.
Diese Annahme wurde mir durch Jasons Erscheinen bestätigt, der rasch meiner Mama das Feuerzeug aus der Hand nahm und sie ruhig, aber bestimmt zu dem Hockern an der Kücheninsel führte.
„Jaaaaa, Liebling... Das lass mich doch lieber machen," sagte er und ich brach in schallendes Gelächter aus.
„Ha! Erwischt!!!" kicherte ich, während Stiefpapa mir kurz zuzwinkerte und dann schnell und sicher den Gasherd anknipste und einen großen Topf mit Wasser aufstellte.
„Was kann ich machen?" fragte ich und Jason schüttelte nur freundlich den Kopf. „Du musst nicht helfen, Juna. Du bist doch zu Gast..."
Ich seufzte und sagte: „Ich helfe gerne! Und ich hab mich unsterblich in diese Küche verliebt! Da kribbelt es mir schon in den Fingern hier mal Hand anzulegen..." Jason salzte das mittlerweile kochende Wasser großzügig und dachte kurz nach. „Pass auf, ich sag dir was... Heute lässt du dich bekochen und ab morgen darfst du dich hier austoben, dass es kracht, wie klingt das?" Ich gab mich geschlagen, setzte mich neben Mama auf einen Barhocker und sah zu, wie der Mann frische Bandnudeln ins kochende Wasser gab und die Zeiuhr stellte. Dann ging er in die gekühlte Vorratskammer und brachte einen halben kleinen Parmesanleib in die Küche. Die Aushöhlung in der Mitte zeigte deutlich, dass der Käse gut in Nutzung war und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Das versprach mal so richtig Yammi zu werden.
„Soll ich schon mal den Tisch decken?" fragte ich, während ich mit gierigem Blick den Parmesan anmeditierte.
„Das wäre lieb, Juni. Lass dir von den Jungs zeigen, wo die Sachen stehen..."

Na, toll...

Als ich ins Wohnzimmer kam, standen die vier auf einem Haufen und redeten leise miteinander. Ich räusperte mich und wie bei den Erdmännchen gingen alle Köpfe unisono hoch und drehten sich in meine Richtung.
„Euer Vater hat gesagt, dass mir einer von euch zeigen soll, wie ich Geschirr und Besteck zum Tisch decken finden kann." Alex kam sofort zu mir und berührte mich sanft an der Schulter. „Komm," sagte er leise und deutete auf die großen Sideboards im Esszimmer. Innerlich schlug ich mir mit der Hand gegen die Stirn. Wo auch sonst, ich blöde Kuh!! Wortlos reichte Alex mir die Teller an und nahm das entsprechende Besteck aus den Schubladen und so deckten wir einträglich Seite an Seite den Tisch... Was waren wir doch für eine große, glückliche Familie...
Ich wollte gerade nach den Untersetzern greifen, da legte er auf einmal eine Hand an meine Wange und strich zärtlich mit dem Daumen federleicht über das Hämatom. Dann drehte er sich um und verließ das Esszimmer.
Was zum Geier sollte das denn??!!
Kurz darauf kam der Rest der Familie und brachte Gläser, Getränkekühler und Wasserflaschen mit, während Jason den Parmesanleib hineintrug und auf einem Serviertisch abstellte.
Mama platzierte eine große Schale buttriger Bandnudeln daneben, die leicht nach Trüffeln und Salbei dufteten und machte dann lächelnd eine einladende Geste in Richtung Tisch. „Bitte setzt euch doch," sagte sie strahlend und Leander trat hinzu um den ersten Teller der Kohlenhydrat-haltigen Köstlichkeiten vor mir abzuladen. Lächelnd sagte er leise: „Bitte schön, Prinzessin.."

Und BÄMM...


„Komm schon, Malik!! Es gibt Spaghetti heute!!!" Fröhlich zerrte ich meinen besten Freund hinter mir her zu Mensa... ich liiiiiebte Nudeln!! Vor allem Spaghetti mit Tomatensoße! Malik lachte und ließ sich bereitwillig mitziehen. Schnell stellten wir uns in die Schlange und nur wenig später hatte ich meine heiß begehrten Nudeln. 
Ich schaute mich nach freien Plätzen um, doch die einzigen, die noch verfügbar waren befanden sich am Tisch der Sportler. Malik stupste mich an und fragte grinsend: „Willst du etwa im stehen essen? Nein? Na, komm schon... das sind meine Brüder..."
Er zog mich hinter sich her und nahm neben Luke Platz. Zögernd folgte ich ihm. Seine Brüder waren 16 und 18 Jahre alt und fanden es spürbar unter ihrer Würde mit zwei 13 jährigen am Tisch zu sitzen... eine der Cheerleaderinnen namens Carina, Leanders aktuelle Bettgefährtin des Monats beugte sich zu ihm und flüsterte ihm kichernd was in Ohr. Leander sah mich an und grinste breit, als er die kleine Krönchen-Haarspange sah, die meine erdbeerblonden Haare zusammen hielt. Sie hatte pinke Glassteinchen, die sich in der Farbe ziemlich mit meinen Haaren bissen. Er stand auf und trat hinter mich. „Sag mal, Zwerg... bist du Farbenblind? Aber mach dir keine Sorgen... ich helfe dir!"
Kaum hatte er das gesagt, nahm Leander meinen Teller und kippte ihn mir über den Kopf. Die Sauce war heiß und verbrannte mir den Nacken und die Stirn. Alle Schüler brüllten vor Lachen los und seine Worte waren kaum zu verstehen, als er mir leise ins Ohr flüsterte: „Bitte schön, Prinzessin!"
Dann rief er über den Tumult hinweg: „Echt jetzt, Malik... mit so einer Reste-Tussi bist du befreundet? Echt niveauvoll!!!" Während ich vor Schmerz und Demütigung heulte rückte Malik von mir ab und begann mit einem verächtlichem Lachen zusammen mit allen zu rufen: Prinzessin Reste-Tussi, Prinzessin Reste-Tussi..."



Ich hätte es über ihr fürsorgliches Benehmen beinahe vergessen... hätte beinahe vergessen, was mir diese vier verschissenen Mistkröten alles angetan hatten...
Mechanisch bedankte ich mich - meine Mutter hatte mich schließlich gut erzogen und begann zu essen, nachdem alle einen Teller vor sich stehen hatten.
Die köstlich duftende Pasta verwandelte sich in Sägemehl in meinem Mund und so lehnte ich dankend einen Nachschlag ab.

Gott... ich musste wirklich dringend mit Becc reden, sonst würde ich vermutlich noch wahnsinnig werden.

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt